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(GZ-22-2021)
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► Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler in Bayern:

 

Teure Fehlplanungen

 

Eine Überstundenaffäre, teure Staatsdiener und ein kostspieliges „stilles Örtchen“: In seinem aktuellen Schwarzbuch kritisiert der Bund der Steuerzahler in Bayern erneut zahlreiche Fälle öffentlicher Verschwendung. Allein die beispielhaft ausgewählten Sachverhalte belegten eine Steuerverschwendung in Höhe von 130 Millionen Euro, hob BdSt-Präsident Rolf von Hohenhau in München hervor.

V.l. Vizepräsident Klaus Grieshaber, Präsident Rolf Baron von Hohenhau und Vizepräsidentin Maria Ritch
V.l. Vizepräsident Klaus Grieshaber, Präsident Rolf Baron von Hohenhau und Vizepräsidentin Maria Ritch

Laut Vizepräsidentin Maria Ritch geht der Steuerzahlerbund davon aus, dass jedes Jahr bundesweit etwa 30 Milliarden Euro an Steuergeldern, sprich vier bis fünf Prozent des gesamten öffentlichen Ausgabevolumens, vergeudet werden. Ursachen seien insbesondere politische Egoismen, kleinkariertes Denken und Fahrlässigkeiten.

In seiner Veröffentlichung listet der Bund der Steuerzahler zehn bayerische Verschwendungsfälle auf, die jedoch nur „die Spitze des Eisbergs“ darstellen. Dazu zählt der überteuerte Erwerb eines Grundstücks für die neue Technische Universität in Nürnberg. Die Staatsregierung soll das Doppelte des eigentlichen Grundstückswerts, nämlich rund 90 Millionen Euro gezahlt haben. Das Bauministerium rechtfertigte den Kauf damit, dass aufgrund der vorgenommenen Markterkundung der Grundstückserwerb „alternativlos“ gewesen sei und es sich um „die einzig wirtschaftliche Möglichkeit der Bedarfsdeckung“ gehandelt habe, so der Steuerzahlerbund. Auch der Bayerische Oberste Rechnungshof rügte den teuren Grundstückskauf.

Desaster auch bei der Regiomed-Kliniken GmbH: Mit einem Betriebsdefizit von rund 25 Millionen Euro im Jahr 2018 machte der Verbund mit Einrichtungen in Oberfranken und Südthüringen von sich reden. Laut BdSt waren dafür Rechts- und Beratungskosten in Höhe von rund 17,5 Millionen Euro verantwortlich. Teilweise sollen Aufträge für Berater, Rechtsanwälte, Gutachter und Planer ohne Ausschreibung vergeben und dafür auch zum Teil überzogene Honorare gezahlt worden sein. Zudem seien Leistungen nicht sachgerecht erbracht worden. Um aus dem Dilemma herauszukommen, mussten die kommunalen Träger einen Kredit in Höhe von 30 Millionen Euro gewähren, um eine Insolvenz zu verhindern. Auch wurden fragwürdige Projekte wie eine überdimensionierte Zentralküche in Lichtenfels und fehlerhafte Planungen für einen neuen Gesundheitscampus in Coburg angestoßen und somit Millionen-Gräber geschaffen.

Teure Staatsdiener: Ein „kostspieliges Ausgabegebaren“ prangert der Steuerzahlerbund an der Ludwig-Maximilians-Universität in München an. Hauptsächlich in den Jahren 2008 bis 2017 seien Steuergelder für Tagungen in Venedig verprasst worden. Dafür fielen rund 32.000 Euro Reisekosten an. Ein einziger Beschäftigter ließ sich gar 64.000 Euro für Taxifahrten vom Dienstort nach Hause erstatten. Außerdem seien von Mitarbeitern der LMU etwa 21.000 Euro Bewirtungskosten in teils gehobenen Restaurants entstanden.

In der Bamberger Stadtverwaltung erhielten Mitarbeiter zudem über Jahre hinweg Prämien und Überstundenpauschalen, ohne Nachweise dafür erbringen zu müssen. Etwa eine halbe Million Euro sei so von 2011 bis 2017 zusammengekommen.

Eine weitere Kostensteigerung ist bei der Sanierung der Venusgrotte auf Schloss Linderhof zu beobachten: von ursprünglich veranschlagten knapp 25 Millionen Euro auf inzwischen fast 60 Millionen Euro. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat begründete die steigenden Kosten mit der Komplexität der Restaurierung, für die es keine wirklichen Vergleichsobjekte gebe. Daher habe nicht auf bewährte Techniken zurückgegriffen werden können. Die Sanierungsmethodik habe erst entwickelt werden müssen. Zu allem Überfluss hat sich laut BdSt auch die Bauzeit bereits um zwei Jahre verlängert.

Für Aufsehen sorgt darüber hinaus ein kostspieliges „stilles Örtchen“ im oberbayerischen Gaimersheim. Dort wurden 230.000 Euro in eine zwölf Quadratmeter große Toilettenanlage mit überdachtem Wartebereich am Bahnhof investiert. Aus Sicht des Steuerzahlerbundes eine teure Annehmlichkeit.

Ungereimtheiten finden sich bei der neuen Dacheindeckung der katholischen Filialkirche St. Quirin in Gmund am Tegernsee: Bereits in der ersten Phase der Baumaßnahme wurde in Unkenntnis des schon seit Jahrhunderten schiefen Turmes der obere Teil des Turmes geradegesetzt, wodurch nach Angaben des Erzbischöflichen Ordinariats München die Konstruktion ihre Kraftschlüssigkeit verloren habe. Doch damit nicht genug: Man rückte nicht nur den schiefen Turm gerade, sondern deckte die Kapelle auch noch mit den falschen Dachziegeln ein. Beide Maßnahmen erfolgten ohne Abstimmung mit dem zuständigen Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und ohne denkmalrechtliche Erlaubnis. Die Fehlinvestition beläuft sich auf knapp 32.000 Euro.

Teurer Lärmschutz: Die DB Netz AG, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, die sich wiederum vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland befindet, hatte ein Problem mit Lärmschutzwänden an der ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke Ingolstadt-München. Die Wände wurden in den Jahren 2004 bis 2006 errichtet und mussten auf der Strecke zwischen München-Obermenzing und Rohrbach nach nur gut zehn Jahren ausgetauscht werden. Von geschätzten 30 Millionen Euro stiegen die Kosten auf 45,7 Millionen Euro.

Explodiert sind auch die Kosten für die Erweiterung der Musikbegegnungsstätte „Haus Marteau“ im oberfränkischen Lichtenberg. Die Kosten für einen weitgehend unterirdischen Konzertsaal und zusätzliche Räumlichkeiten seien von zunächst geplanten 3,32 Millionen auf 5,1 Millionen Euro gestiegen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Nach Mitteilung des Bezirks Oberfranken hatte man unter anderem mit einem sehr felsigen Untergrund zu kämpfen. Doch nicht nur die Kosten sind aus dem Ruder gelaufen. Auch der geplante Fertigstellungstermin musste immer wieder verschoben werden. Statt im Jahr 2019 wird die frisch sanierte Musikbegegnungsstätte erst dieses Jahr ihre Pforten öffnen können. „Auch wenn das Prestigeprojekt des Bezirks Oberfranken mit 852.600 Euro vom ‚Kulturfonds Bayern‘ und mit 668.000 Euro von der ‚Oberfrankenstiftung‘ gefördert wird, bleiben immerhin knapp 3,6 Millionen Euro beim Bezirk Oberfranken hängen“, stellt der Steuerzahlerbund fest.

Ein Totalverlust droht den bayerischen Kommunen Denkendorf, Oberschleißheim, Pöcking, Puchheim, Vaterstetten und Landshut, die neben weiteren deutschen Städten und Gemeinden trotz auffällig guter Renditeversprechungen und Warnungen überschüssiges Geld bei der Bremer Privatbank „Greensill Bank AG“ angelegt hatten. Im März dieses Jahres wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Greensill Bank eröffnet. Vaterstetten hatte 5,5 Millionen Euro investiert, Pöcking und Oberschleißheim je 5 Millionen Euro, Puchheim 2 Millionen Euro, Gemeinde Denkendorf eine Million und die Stadt Landshut 440.000 Euro. Offen ist, ob durch Zahlungen aus der Insolvenzmasse Schadensersatzforderungen oder Versicherungsleistungen der Schaden minimiert werden kann.

DK

 

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