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(GZ-21-2021)
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► Bayerische Landrätetagung in Dachau:

 

Klimaschutz und Corona

 

Die 71 bayerischen Landkreise nehmen Kurs auf den Schutz des Klimas im Einklang mit den Bedürfnissen von Wirtschaft, ländlichem Raum, aber auch den Ballungsgebieten. Wie dies konkret aussehen kann, wurde im Rahmen der diesjährigen Landrätetagung in Dachau erörtert. Darüber hinaus war Corona prägendes Thema der Versammlung.

V.l.: Stefan Löwl, Landrat Landkreis Dachau; Tamara Bischof, Landrätin Landkreis Kitzingen; Thomas Karmasin, Landrat Landkreis Fürstenfeldbruck; Christian Bernreiter, Landrat Landkreis Deggendorf und Landrätepräsident; Andrea Degl, Geschäftsführendes Präsidialmitglied Bayerischer Landkreistag sowie Herbert Eckstein, Landrat Landkreis Roth. Bild: CH
V.l.: Stefan Löwl, Landrat Landkreis Dachau; Tamara Bischof, Landrätin Landkreis Kitzingen; Thomas Karmasin, Landrat Landkreis Fürstenfeldbruck; Christian Bernreiter, Landrat Landkreis Deggendorf und Landrätepräsident; Andrea Degl, Geschäftsführendes Präsidialmitglied Bayerischer Landkreistag sowie Herbert Eckstein, Landrat Landkreis Roth. Bild: CH

Im Austausch mit u.a. Staatssekretärin Anne Katrin Bohle, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Dr. Johannes Gnädinger, Mitglied des Bayerischen Klimarates, und Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner, Mitglied des Weltklimarates (IPCC) OTH Regensburg, wurden künftige Herausforderungen diskutiert. Insbesondere mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin verabschiedeten die Landräte eine Resolution zum Klimaschutz. In den Landkreisen selbst laufen bereits seit vielen Jahren verschiedene Projekte, um das Klima zu retten.

Schlüsselrolle der Kommunen

Auch wenn die Koalitionsverhandlungen in Berlin derzeit noch in den Kinderschuhen stecken, gehen Bayerns Landrätinnen und Landräte davon aus, dass ihnen der Bund eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Klimawende zugedenken wird. Gleiches gilt für die angekündigten Gesetzesvorhaben und Maßnahmen in München sowie in Brüssel.

Fraglich ist, wie die Kommunen einer Schlüsselrolle in den Plänen der übergeordneten Ebenen gerecht werden sollen. Die Landkreise sind nur für ureigene kommunale Aufgaben im sog. eigenen Wirkungskreis, wie u.a. beim ÖPNV, den Gebäuden und bei der eigenen Fahrzeugflotte, zuständig. Nehmen die Landkreise Aufgaben des Staates wahr, benötigen sie dafür die entsprechenden finanziellen und personellen Kapazitäten von Freistaat und Bund für ihre Arbeit vor Ort. Kommunale Mittel sind schließlich für kommunale Aufgaben bestimmt.

Die Menschen mitnehmen

„Natürlich machen die bayerischen Landkreise beim Schutz des Klimas mit. Dabei gibt es bereits heute Parameter für uns, die unantastbar und Grundvoraussetzung für den Erfolg der Klima- und Energiewende auf allen Ebenen sind. Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Ob die Klimaziele umgesetzt werden können, entscheidet sich bei ihnen.

Wir müssen schauen, dass wir die Gesellschaft nicht spalten und nicht unsere eigene Wirtschaft demontieren. Die Kommunen müssen in die Entscheidungsprozesse von EU, Bund und Freistaat einbezogen werden. Ballungsgebiete und ländlicher Raum dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Insbesondere darf auch der ländliche Raum nicht Verlierer der Klima und Energiewende werden“, so der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Christian Bernreiter (Deggendorf), zum Auftakt der Tagung.

„Man muss Klimaschutz zur Aufgabe machen“, betonte Dachaus Landrat Stefan Löwl. Einzelne Modellprojekte würden auf Dauer nicht reichen. Zwar sei es nötig, klare Klimaziele zu definieren, den einzelnen Regionen müsse man bei der Umsetzung aber individuelle Spielräume gewähren. Gerade für Wachstumsregionen wie den Landkreis Dachau sei es ohnehin schon schwer genug, Klimaschutz umzusetzen, wenn man gleichzeitig dazu gezwungen sei, Wohnraum zu schaffen.

Maßgeschneiderte Lösungen

Der Bayerische Landkreistag wirbt für maßgeschneiderte Lösungen im ländlichen Raum und in den Ballungsgebieten, setzt auf innovative und technische Ansätze und Anreize statt auf Verbot- und Bestrafungspolitik. In den zurückliegenden Jahren haben die Kommunen vor allem darunter gelitten, dass der Bund politische Beschlüsse getroffen hat, ohne sie einzubeziehen, obwohl sie für die Umsetzung vor Ort zuständig waren. Gerade beim Klimaschutz fordern sie deswegen nicht nur Mitspracherechte, sondern vor allem auch klar abgrenzbare Zuständigkeiten zwischen Staat und Kommunen sowie die für die Umsetzung der Klimawende notwendigen finanziellen und personellen Mittel aus Berlin, München und Brüssel.

Jeder sei beim Klimaschutz gefordert. Die Menschen dürften nicht überfordert werden. Die Maßnahmen müssten die unterschiedlichen Bedürfnisse in Städten und ländlichem Raum berücksichtigen. Das Land dürfe dabei nicht benachteiligt werden. Klimaschutz, soziales Gefüge, die Sicherung von Wohlstand und industrielle Wertschöpfung seien ein Paket. Benötigt würden verschiedene Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. CO2-Bepreisung und Ausgleichszahlungen bräuchten Augenmaß. Der Verkehrssektor biete verschiedene Lösungen.

Da der ÖPNV auf dem Land sich mit dem städtischen nicht messen kann, „brauchen wir nach wie vor den Individualverkehr“, so die Resolution. Nach Auffassung der Landräte werden sich die Einsparziele für Treibhausgasemissionen nur durch einen Umstieg auf klimaschonende Antriebstechniken unter Verwendung regenerativer Energieträger, den Ausbau des SPNV und ÖPNV sowie Strategien zur Verkehrsverlagerung und Verkehrsvermeidung erreichen lassen. Der dafür erforderliche Aufbau eines attraktiven, grenzüberschreitenden Tank- und Ladesäulennetzes sowie der Ausbau und die Elektrifizierung der Schieneninfrastruktur müsse von Bund und EU im Ballungs- wie im ländlichen Raum zügig umgesetzt werden, ebenso wie eine flächendeckende digitale Infrastruktur.

Höhere Pendlerpauschale

Im Interesse gleichwertiger Lebensverhältnisse dürfe die Entwicklung nicht allein dem Markt überlassen werden, sondern sei die Versorgungssicherheit in der Fläche durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten. Die neuen Gruppenfreistellungen in der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung, mit denen der Bau, die Installation oder die Modernisierung der Lade- oder Tankinfrastruktur zur Versorgung von Fahrzeugen mit Strom oder erneuerbarem Wasserstoff ohne langwierige Vorab-Notifizierung bei der EU-Kommission finanziert werden können, seien insofern zu begrüßen.

Bis zum vollständigen Ausbau des ÖPNV und dem Vollzug der Antriebswende sei den finanziellen Mehrbelastungen gerade der Menschen im ländlichen Raum, die über keine vergleichbaren Alternativen zur Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse verfügen, durch eine Erhöhung der Pendlerpauschale Rechnung zu tragen.

ÖPNV-Angebot ausweiten

Die Landräte erwarten vom Freistaat zur Erschließung aller größeren Orte eine deutliche Ausweitung des SPNV-Angebots und, wo Streckenreaktivierungen an wirtschaftliche Grenzen stoßen oder bisher Bahnanbindungen fehlen, die Einrichtung landesbedeutsamer Buslinien und flexibler, zeitgemäßer Angebote. Zudem streben die Landkreise eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots an. Der verstärkte ergänzende Einsatz von Linienbedarfsverkehren (On-Demand-Verkehren insbesondere in der Fläche und eine Erhöhung der Beförderungskapazitäten in den Ballungsräumen seien neben einer Vernetzung aller Verkehrsträger nötig, um die seitens der Verkehrsministerkonferenz geforderte Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV zu erreichen. Die Landkreise werden hierzu einen eigenen Beitrag leisten, sind jedoch auf eine massive Erhöhung insbesondere der Regionalisierungsmittel des Bundes und der ÖPNV-Zuweisungen des Freistaats angewiesen.

„Drittfinanzierungsmittel können ein sinnvoller Beitrag sein, um die Finanzierungslücken zu schließen und die Verkehrsbelastung zu regulieren“, heißt es weiter. Der flächendeckende Ausbau des ÖPNV-Angebots müsse Vorrang gegenüber der Einführung sehr günstiger Flatrate-Tarifen haben, die bei hohem Finanzierungsaufwand für den Angebotsausbau das bestehende Defizit in der ÖPNV-Finanzierung zusätzlich vergrößern.

Laut Bayerischem Landkreistag manifestieren sich die Auswirkungen des Klimawandels regional. Das Gelingen von Klima-, Energie- und Verkehrswende hänge wesentlich von der Akzeptanz vor Ort sowie klar abgrenzbaren Zuständigkeiten von Staat und Kommunen ab. 70 Prozent der bayerischen Bevölkerung lebt in kreisangehörigen Räumen. Dies bedeute, dass unvermeidbare Lasten, die insbesondere im ländlichen Raum anfallen, durch Entlastungsmaßnahmen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse (Verbesserung der digitalen Infrastruktur, der medizinischen Versorgung, ÖPNV-Ausbau, etc.) auszugleichen sind, Wertschöpfungspotenziale in den Landkreisen realisiert werden müssen und der ökologische Ertrag der Klimaschutzmaßnahmen vor Ort verbleiben sollte.

Die Klimaziele dürften nicht bis auf die kreisliche Ebene delegiert werden, ohne konkrete Aufgaben zu definieren sowie notwendige Strukturen und Ausgleiche zu schaffen. Insbesondere müsse klar sein, welche Rolle der Staat den Landratsämtern zukommen lässt.

Klima-Engagement

Die bayerischen Landkreise sind mit individuellen Maßnahmen bereits klimapolitisch engagiert. Sie begrüßen die Entwicklungen in Brüssel, Berlin und München und sind bereit, diese zu unterstützen. Dafür können sie kein für Landkreisaufgaben vorgesehenes Geld und Personal verwenden.

Stichwort Pandemie: Viele Landkreise in Bayern befinden sich erneut in äußerster Alarmbereitschaft. Die Corona-Ampel leuchtet in manchen Regionen längst dunkelrot. Dort gibt es kein einziges freies Intensivbett mehr. Ärzte und Pfleger sind am Anschlag. Entsprechend laut sind die Rufe nach neuen Regeln und einer Regionalisierung der Krankenhaus-Ampel.

„Damit wäre es möglich, die FFP2-Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und eine 3G-Plus-Regelung in Kraft zu setzen“, forderte Präsident Bernreiter. Zudem sei das Krankenhaus-Personal überlastet.

Die Corona-Pandemie wirkt sich zudem dramatisch auf die finanzielle Situation der Krankenhäuser aus. Die Corona-Hilfen für die Krankenhäuser sind im Juni ausgelaufen. Vom Bund gibt es kein Geld mehr. Damit drohen dramatische Erlös-Einbrüche. Aufgrund der Corona-Pandemie können andere planbare Operationen gar nicht stattfinden. Entsprechend fehlen den Krankenhäusern die notwendigen Einnahmen.

Deshalb muss aus Sicht des Landkreistagschefs die neue Bundesregierung die Corona-Hilfen für die betroffenen Krankenhäuser wieder in Kraft setzen. In diesem Zusammenhang muss Bernreiter zufolge darauf hingewiesen werden, dass die vierte Welle eher Jüngere trifft. Die Gesundheitsämter seien nicht mehr in der Lage, die Kontaktnachverfolgung zu leisten. Im Unterschied zu Älteren hätten Jüngere ein anderes Freizeitverhalten. Ihre Kontakthäufigkeit sei viel höher. Somit sei sie nicht mehr nachvollziehbar.

DK

 

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