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(GZ-10-2016)
Kommunale Praxis
► Aktuelle Zuwanderung von Asylsuchenden:
 
Situation und Strategien in den Kommunen
 

Ergebnisse einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat eine Studie durchgeführt, die sich mit der Situation und der Strategie der Kommunen im Umgang mit der aktuellen Zuwanderung von Asylsuchenden befasst. Zwischen Ende November 2015 und Mitte Januar 2016 wurden Landräte, Bürgermeister bzw. die zuständigen Koordinatoren für die Flüchtlingsunterbringung und -versorgung befragt.

Trotz der immensen Herausforderungen, mit denen die Landkreise und Kommunen seit Mitte 2015 konfrontiert sind, zog die überwältigende Mehrheit die Bilanz, dass sie die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge im Griff haben, teilweise sogar noch gut bewältigen können. In 42 Prozent der Kreise und Kommunen gelingen Unterbringung und Versorgung zurzeit noch gut; weitere 51 Prozent haben die Situation im Griff, wenn auch mit erheblichen Problemen. Als überfordert stuften sich 7 Prozent ein.

Planungsunsicherheit

Auf die Frage nach den größten Problemen, mit denen Landkreise und Kommunen zurzeit kämpfen, werden neben der Organisation geeigneter Unterkünfte auch fehlende personelle Ressourcen, Planungsunsicherheit, Widerstände aus der Bevölkerung sowie die Diskrepanz zwischen der „normalen“ Dauer und Struktur von Planungsprozessen und Genehmigungsverfahren und der Notwendigkeit, rasch zu handeln, genannt. Auch das Thema Integration und der Umgang mit den kulturellen Prägungen der Flüchtlinge bewegt viele, ebenso die Finanzierung der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge.

Wohnraum

Auch in der quantitativen Befragung wurde deutlich, dass die Wohnraumbeschaffung zurzeit die Aufmerksamkeit vor Ort weitgehend absorbiert. 62 Prozent nannten auf die Frage nach den aktuell größten Problemen die Akquisition von Unterkünften und insbesondere die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten, die dauerhaft angelegt sind und nicht nur eine Notunterkunft und Übergangslösung. In den großen Städten hat dieses Problem noch eine größere Dimension als in den ländlichen Kreisen und Kommunen. 74 Prozent der in die Untersuchung einbezogenen kreisfreien Großstädte nannten die Wohnraumbeschaffung spontan als eines der größten Probleme, 56 Prozent der ländlichen Kreise und Kommunen.

Personelle Aufrüstung

Trotz der personellen Aufrüstung lassen die Landkreise und Kommunen keinen Zweifel, wie wichtig die Unterstützung durch das ehrenamtliche Engagement der Bürger ist. 86 Prozent bewerten diese Unterstützung als „sehr wichtig“, weitere 14 Prozent als wichtig. Die Bilanz der Hilfsbereitschaft vor Ort fällt geradezu überwältigend aus. 97 Prozent berichten von einer großen Hilfsbereitschaft, in Westdeutschland 99 Prozent, in Ostdeutschland 90 Prozent. Nur eine Minderheit zieht die Bilanz, dass viele der ehrenamtlichen Helfer mittlerweile durch die Herausforderung und Erfahrungen frustriert sind. In 20 Prozent der Landkreise und Kommunen ist dies ein verbreitetes Phänomen, in der überwältigenden Mehrheit der Kreise und Kommunen haben die Verantwortlichen den Eindruck, dass Frustration eher in Einzelfällen zu beobachten ist, aber nicht als verbreitetes Phänomen.

Kritische Entwicklung

Die große Mehrheit zeigte sich überzeugt, dass sich die Einstellung der Bürger kritisch entwickeln wird, wenn es nicht gelingt, den Zuzug einzudämmen. Mit offenen Konflikten rechnet allerdings nur eine Minderheit: Während 62 Prozent der Verantwortlichen in den Kreisen und Kommunen von einer kritischen Entwicklung der Stimmungslage ausgehen, erwarten nur 20 Prozent, dass es verstärkt zu offenen Konflikten kommen wird. Auch hier gibt es allerdings deutliche Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. In Westdeutschland rechnen 60 Prozent, in Ostdeutschland 74 Prozent mit zunehmend negativeren Reaktionen aus der Bevölkerung; offene Konflikte befürchten 17 Prozent in Westdeutschland, 31 Prozent in Ostdeutschland.

Vorgaben lockern

88 Prozent gaben an, dass die gegebenen Rahmenbedingungen die Bewältigung der Herausforderungen erschweren. Insgesamt halten 60 Prozent es für notwendig, die Vorgaben für den Bau von Flüchtlingsunterkünften zu lockern; 55 Prozent wünschen Änderungen beim Ausschreibungsrecht, 47 Prozent beim Planungsrecht. Auch die Vorgaben für die Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge erlebt knapp die Hälfte als Erschwernis und hinderlich bei der Bewältigung der gegenwärtigen Herausforderung.

Kurzfristige Planung

Jeder zweite Verantwortliche in den Kreisen und Kommunen zieht die Bilanz, dass die kurzfristigen Herausforderungen es kaum zulassen, mittel- und langfristige Strategien zu entwickeln. Die ostdeutschen Landkreise und Kommunen kämpfen hier noch mehr mit Schwierigkeiten als die westdeutschen.

Als größte Herausforderung wird jedoch die Eingliederung der Flüchtlinge in die berufliche Ausbildung und den Arbeitsmarkt benannt. 62 Prozent sind davon überzeugt, dass dies mit die größte Herausforderung für die eigene Kommune bzw. den eigenen Landkreis bedeutet. Die Beschaffung von geeignetem Wohnraum halten dagegen 39 Prozent auch mittel- und langfristig für mit die größte Herausforderung, die Vermittlung von Sprachkompetenz 36 Prozent. Auch die Vermittlung der deutschen Gesellschafts- und Werteordnung wird von jedem Dritten zu den größten Herausforderungen für die Zukunft gezählt. Diesem Aspekt wird in den ländlichen Regionen weitaus mehr Bedeutung zugeschrieben als in den großen Städten, die wiederum die Beschaffung von Wohnraum weitaus mehr als die ländlichen Kreise und Kommunen auch langfristig zu den größten Herausforderungen zählen.

Zuzug in die Städte

Während sich die großen Städte auf einen Zuzug, vielfach auf einen starken Zuzug einstellen, sind die ländlichen Kreise und Kommunen mit überwältigender Mehrheit überzeugt, dass viele der Flüchtlinge ihre Region wieder verlassen werden. 63 Prozent der kreisfreien Großstädte rechnen mit einem Zuzug, dagegen nur 11 Prozent der ländlichen Kreise und Kommunen. 43 Prozent der großen Städte rechnen sogar mit einem erheblichen Zuzug. Umgekehrt erwarten drei Viertel der ländlichen Kreise und Kommunen, dass viele der Flüchtlinge, die sie zurzeit beherbergen, wieder wegziehen werden; die Hälfte stellt sich auf einen starken Wegzug ein. Auch West- und Ostdeutschland rechnen hier mit einer völlig unterschiedlichen Entwicklung. Während sich in Westdeutschland vier von zehn Kommunen und Kreisen auf einen Zuzug einstellen, gilt dies nur für jeden fünften Kreis oder Kommune in Ostdeutschland.

Flüchtlinge als Chance für regionalen Arbeitsmarkt

Was die Einschätzung der Integrationschancen anbelangt, gehen zwei Drittel davon aus, dass die Flüchtlinge für den regionalen Arbeitsmarkt eine Chance bedeuten; 42 Prozent gehen von positiven Auswirkungen auf die demografische Entwicklung aus, 37 Prozent von einer Verstärkung der kulturellen Vielfalt und der Förderung von mehr Weltoffenheit. 11 Prozent sehen auch Chancen für die Auslastung von Schulen, Kitas oder leerstehendem Wohnraum - ein Aspekt, der überdurchschnittlich in Ostdeutschland und in den ländlichen Kommunen hervorgehoben wird. Rund sechs von zehn Kommunen gehen darüber hinaus davon aus, dass der Zuzug für die Unternehmen am Ort erhebliche Chancen bietet, genauso wie für die örtlichen Vereine. 80 Prozent äußerten die Überzeugung, dass die meisten Flüchtlinge gute Integrationschancen haben, nur 16 Prozent meldeten Zweifel an.

Schlechte Ausbildung

Schwierigkeiten werden vor allem für zwei Gruppen erwartet, nämlich die Flüchtlinge, die nicht mehr ganz jung sind und die keinen Schulabschluss haben bzw. nur eine schlechte oder keine Ausbildung haben. 62 Prozent der Verantwortlichen in den Kreisen und Kommunen sind überzeugt, dass sich schlecht ausgebildete Flüchtlinge schwer tun werden, 55 Prozent erwarten dies auch für Flüchtlinge, die Mitte 40 und älter sind. Darüber hinaus werden bestimmten Nationalitäten ungünstigere Integrationsprognosen gestellt; dies gilt vor allem für Flüchtlinge aus Afrika, aber auch für Flüchtlinge aus Afghanistan und aus den Balkan-Staaten.

54 Prozent der Kommunen und Kreise bezweifeln, dass es durch die Änderung der Asylgesetze zu einer deutlichen Reduktion der Flüchtlingszahlen kommen wird. 56 Prozent melden Zweifel an, dass durch die Beschlüsse künftig konsequenter abschieben zu wollen, es zu einer Reduktion der Flüchtlingszahlen kommen wird. 50 Prozent vertreten die Ansicht, dass Deutschland nach wie vor viele Anreize setzt. Für die nächste Zeit stellen sich die Landkreise und Kommunen auf weitere Flüchtlinge ein, wenn es nicht gelingt, die Situation in den Ursprungsländern zu stabilisieren und eine europäische Lastenverteilung zu erreichen. Ferner wurde angegeben, dass man von Seiten der Politik den Flüchtlingen signalisieren müsse, dass die Aufnahmekapazitäten begrenzt sind.

DK

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