GZ: Sie haben über die Feiertage bis einschließlich 10. Januar wieder Ihren alten Beruf als Gesundheits- und Krankenpfleger aufgenommen und sind auf einer Covid-Intensivstation tätig geworden. Wie lange haben Sie diese Idee mit sich herumgetragen und wie einfach war sie umsetzbar?
Krahl: Ich habe diese Arbeit schon während der ersten Pandemie-Welle gemacht. Ich war im Frühjahr 2020 im Kreisklinikum Weilheim, jetzt war ich im Kreisklinikum Garmisch-Partenkirchen. Die Umsetzbarkeit war relativ leicht, weil ich die Ausbildung habe. Und es ist jetzt nicht so, dass sich das Pflegepersonal in der Intensivpflege irgendwo stapelt, also der Bedarf ist da. Und so habe ich gesagt: Wenn ihr mich braucht, dann komme ich in meinem Weihnachtsurlaub.
GZ: Ist es nachahmenswert für Personen, die in einer ähnlichen Situation über eine geeignete Ausbildung verfügen, sich zu melden und fragen: „Ich könnte, darf ich?“
Krahl: Die Betonung liegt auf „über eine geeignete Ausbildung verfügen“. Was wir zurzeit nicht brauchen – egal auf welcher Station – ist, dass Leute erst einmal konkret angelernt werden müssen. Wir brauchen geschultes, medizinisches Fachpersonal.
GZ Wie ist die Situation auf der Covid-Intensivstation im Kreisklinikum Garmisch-Partenkirchen, auf der Sie waren?
Krahl: Das ist eine große Intensivstation mit 19 Betten. Sie müssen sich die Anordnung wie ein „U“ vorstellen. Auf der linken Seite des U-Schenkels liegen die regulären Patienten und auf der rechten Seite sind die Covid-Patienten.
In unserem Team teilen wir uns die Pflegeschichten für alle Patienten dann ein. Die Station ist relativ gut belegt. Wir haben natürlich schwankende Zahlen. Am 7.11.2020 hatten wir nur zwei Betten frei.
GZ: Wie sind die Krankheitsverläufe der Covid-Patienten, werden die Patienten auch wieder gesund?
Krahl: Ja, die werden wieder gesund. Aber auf der Station ist die Form der Beatmungsintensität der Covid-Patienten deutlich intensiver und damit dann auch die Krankheitsfolgen, als beispielsweise bei einem Patienten mit Lungenentzündung.
Wenn wir intubieren und beatmen ist es nicht so, dass Spontanatmung wieder funktioniert. Das muss alles trainiert werden. Das ist ein Krankheitsprozess, der zieht sich über Wochen, zum Teil über Monate.
GZ: Viele Verwandte können ihre Angehörigen in diesen Zeiten nicht begleiten und das, wo gerade persönliche Anteilnahme unendlich wichtig ist. Wie beurteilen Sie diesen Einschnitt in unsere gesellschaftlichen Strukturen?
Krahl: Man nimmt ihn sehr deutlich wahr. Was wichtig ist, dass in einer Phase, in der der Patient stirbt, der Besuch von Angehörigen – Gott sei Dank – noch immer möglich ist. Gerade die Kollegen und Kolleginnen von hier versuchen da alles möglich zu machen.
Ich formuliere es deutlich: „Damit niemand alleine sterben muss.“ Und ansonsten, bei einem normalen Krankheitsverlauf, bedeutet das noch eine Zusatzbelastung für das Pflegepersonal.
Weil wir das Bindeglied zwischen den Patienten und den Angehörigen sind. Das heißt, wir telefonieren z. B. mit den Angehörigen während wir am Bett stehen, versuchen zu übersetzen. Das ist eine sehr belastende Situation.
Aber man muss schlicht und ergreifend sagen: Eine andere Möglichkeit in der derzeitigen Situation gibt es einfach nicht.
GZ: Wie gehen Sie persönlich mit der Sorge um die eigene Gesundheit um, wenn man sich täglich um schwerkranke und ansteckende Patienten kümmert? Und wie hat sich die jetzige Ausnahmesituation in Bezug auf Überarbeitung, Überstunden und Engpässe – jetzt auch noch während der Feiertage – im Vergleich zu normalen Zeiten auf Ihrer Station geändert?
Krahl: Ich persönlich habe keine größere Sorge. Auch von den Kollegen und Kolleginnen bekomme ich das nicht mit. Das ist aber auch logisch, wir sind dazu ausgebildet mit infektiösen Patienten umzugehen. Das ist unser Beruf, das sind wir ja gewöhnt. Jetzt haben wir allerdings die Situation, dass die Anzahl der infektiösen Patienten extrem hoch ist.
Die Schutzvorkehrungen, die wir ergreifen, müssen wir de facto bei jedem Patienten durchführen. Was natürlich mit An- und Ausziehen der Schutzkleidung extrem zeitaufwändig ist. Aber was die Sorge um die eigene Gesundheit angeht, nehme ich das nicht mehr wahr als vorher auch.
Die Belastung steigert sich also, weil wir auf der einen Seite deutlich mehr Patienten zu versorgen haben, zum anderen die wichtigen Infektionsschutzmaßnahmen haben. Und es kommen natürlich auch Krankheitsfälle im Personal dazu, die kompensiert werden müssen.
GZ: Was nehmen Sie für Ihre Aufgabe als politischer Gestalter und Entscheider mit aus dieser sehr intensiven Zeit? Und wo im Gesundheitswesen sehen
Sie allerdringendsten Handlungsbedarf?
Krahl: Gerade die jetzige Phase der Pandemie führt uns eindrucksvoll vor Augen, wie wichtig es ist, nicht nur die Anzahl von Pflegefachkräften zu haben, sondern auch die gute Ausbildung, egal in welchem Bereich. Also wir brauchen einen Fokus nicht nur auf die Quantität, sondern entsprechend auch auf die Qualität der Ausbildung.
GZ: Und wahrscheinlich dann auch auf die entsprechende Entlohnung ...
Krahl: Die Politik macht es sich seit Jahren einfach, wenn sie sagt: „Okay, wir müssen den Pflegekräften vermeintlich mehr Geld zahlen, dann wird alles gut.“
Das wird so einfach nicht funktionieren, denn es geht nur um Rahmenbedingungen. Es geht darum: Wie können wir es schaffen, dass meine Kolleginnen und Kollegen auf der Station den Beruf, den sie erlernt haben, so auch ausüben können. Es geht um die Gestaltung, Vorbereitungsarbeiten und nicht zuletzt natürlich um die Ausbildung. Da wird der Grundstein für all das gelegt.
Es ist nicht richtig, dass Auszubildende in der professionellen Pflege – bereits ab dem ersten Sta-
tionseinsatz – nicht das Recht auf Ausbildung haben, sondern voll mitarbeiten müssen. Da werden diese Leute verbrannt und werden sich über kurz oder lang umorientieren und das dürfen wir einfach nicht zulassen!
GZ: Laut Wikipedia haben Sie zuerst eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und dann aber zum Krankenpfleger umgesattelt. Warum?
Krahl: Wenn Sie Wikipedia gelesen haben, dann sehen Sie auch, dass ich im Bayerischen Wald geboren und aufgewachsen bin. Und im Bayerischen Wald macht man als guter Sohn das, was die Mama rät. Das war dann die Bankausbildung. Danach habe ich dann den Beruf erlernt, für den mein Herz schlägt.
GZ: Haben Sie noch eine Botschaft an unsere Leserschaft?
Krahl: Gerade die kommunalen Krankenhäuser nehmen uns im Moment die Hauptlast in der Pandemie ab. Zukunftsgerichtete Politik im Gesundheitswesen heißt also, dass wir wirklich gerade die kommunalen Häuser und die kommunalen Versorgungsstrukturen zukunftsfest gestalten.
Und dass wir das in Zukunft ermöglichen, dafür braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt über alle Instanzen hinweg – egal ob das der Kreistag, der Landtag oder der Bundestag ist.
Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!