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(GZ-4-2020)
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► Entwicklungszusammenarbeit:

 

Flammendes Plädoyer für Investitionsoffensive

Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft in Berlin

 

Den Mittelstand in die Welt getragen hat Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller beim Jahresempfang des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft in Berlin. „Ich verstehe mich heute als Außenhandelsminister, als Afrikaminister“, betonte der CSU-Politiker vor rund 3.500 Gästen aus Politik, Diplomatie, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Müller warb für eine „Allianz für Klima und Entwicklung“. 500 Unternehmen machten bereits mit. „Kommen wir gemeinsam vom Reden zum Handeln“, so der Appell des Bundesministers.

Dr. Gerd Müller.
Dr. Gerd Müller.

Deutschland stellt heute ein Prozent der Weltbevölkerung, Europa acht Prozent. In erlebbarer Zeit werden die Afrikaner mehr als 35 Prozent der Menschheit ausmachen. „Deshalb spreche ich von Afrika als dem Kontinent der Zukunft“, erklärte Müller. Gewaltige Märkte entstünden dort, sie gehörten ebenso zur Realität wie Armut, Not und Hunger. Sechs der zehn am stärksten wachsenden Volkswirtschaften befänden sich in Afrika. Müller:

„In zehn Jahren wird in Afrika eine Infrastruktur errichtet, die so umfassend ist wie in Europa in den letzten 100 Jahren. Mit anderen Worten: In zehn Jahren werden so viele Straßen, Brücken, öffentliche Gebäude und Krankenhäuser gebaut wie in ganz Europa seit 1920. Daran sollten wir partizipieren. Während wir in manchen deutschen Regionen in Funklöchern stecken, haben zwei afrikanische Länder bereits 5-G-Netze im Betrieb.“

Afrika – Kontinent der Ressourcen

Müller zufolge ist Afrika der Kontinent der Ressourcen. Kobalt, Coltan, Kupfer, Lithium und vieles mehr beziehe Europa aus den afrikanischen Ländern. „Wenn die Afrikaner morgen auf die Idee kämen, in einen Ressourcen-Streik zu treten, dann stehen bei uns die Computer und die Bänder der Automobilindustrie still. Wir brauchen diese Ressourcen! Und während China in Afrika allgegenwärtig Pflöcke einschlägt, frage ich: Wo bleiben Deutschland und Europa?“, merkte der Bundesminister an.

Marshallplan mit Afrika

Um dies zu ändern, habe er die Entwicklungszusammenarbeit neu aufgestellt und den Marshallplan mit Afrika aufgelegt. Dabei liege das Augenmerk auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Reformpartnerländern wie dem Senegal. An die Adresse der Unternehmerinnen und Unternehmer gerichtet, bemerkte der Minister: „Wir haben einen neuen Förderrahmen für Privatinvestitionen aufgelegt. Mit öffentlichen Geldern allein lösen wir die Herausforderungen nicht; mit diesen können wir Leuchttürme finanzieren. Wir brauchen Sie! Wir brauchen Privatinvestitionen! Wir haben die Hermesdeckungen ausgeweitet sowie einen Entwicklungsinvestitionsfonds und ein Markteinführungsprogramm für Erneuerbare Energien aufgelegt.“

Debatte außerhalb der deutschen Käseglocke

Afrika brauche Ernährung und Energie. In Afrika, den Entwicklungs- und Schwellenländern entscheide sich das Weltklima. „Wir müssen die Debatte außerhalb der deutschen Käseglocke führen. Wenn künftig jeder afrikanische und jeder indische Haushalt eine Steckdose auf der Basis von Kohle bekommt, müssten rund 1.000 Kohlekraftwerke gebaut werden. Das hält der Planet nicht aus. Deswegen brauchen wir einen Technologietransfer für erneuerbare Energien. Die deutsche Entwicklungspolitik setzt hier einen neuen Schwerpunkt“, führte Müller weiter aus.

„Die Sonne Afrika nutzen – das ist der Schlüssel“, so der Bundesminister. In Marokko stehe das größte Solarkraftwerk der Welt und produziere Solarstrom für zwei Cent pro Kilowattstunde. Mit der marokkanischen Regierung habe er, Müller, die Umsetzung eines Methanol-Abkommens vereinbart. „Wir werden dort in die Methanol-Produktion einsteigen: Wasserstoff und Methanol aus Wüstenstrom für Afrika und Europa. Das kann auch unser CO2-Problem in Europa lösen und die Automobilproduktion in Deutschland erhalten. Wohlstand in Afrika schaffen durch Technologie aus Deutschland: Das ist eine großartige Win-Win-Situation.“

Stichwort Klimaschutz: „Warten Sie bei der Umsetzung des Klimaschutzgesetzes nicht auf die Regierungen. Bereits heute können Sie unserer ‚Allianz für Klima und Entwicklung‘ beitreten“, machte Müller deutlich. „Stellen Sie sich klimaneutral, reduzieren Sie bis zum Grenzkostennutzen und kompensieren Sie den Rest durch unsere Projekte in Entwicklungsländern. Erneuerbare Energien, Aufforstung, Humusbildung, CO2-Speicher – wir erzielen mit solchen Kompensationsleistungen eine vielfach höhere Wirkung als mit nationalen Instrumenten.“

Lieferkettengesetz

Mit Blick auf fairen Handel wies Müller darauf hin, dass ein mögliches Lieferkettengesetz die Interessen des deutschen Mittelstandes berücksichtigen würde. „Ich lade Sie ein, mitzugestalten.“ Der Fokus richte sich auf 150 Millionen Bäuerinnen und Bauern auf den Kaffeeplantagen, die in Armut leben, weil sie für ein Kilo Rohbohnen nur 50 Cent erhalten. Zudem arbeiteten 75 Millionen Frauen weltweit in Textilfabriken, die 15 Cent pro Stunde verdienen. „Wir akzeptieren Ausbeutung in den armen Ländern, obwohl wir in Deutschland den Maßstab einer sozialen Marktwirtschaft gesetzt haben. Wir brauchen anständige Löhne und ökologische Grundstandards weltweit – das meine ich mit fairen Lieferketten“, unterstrich Gerd Müller abschließend.

DK

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