„Wir alle wollen eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung. Das war schon immer die Linie Bayerns. Diese können wir dauerhaft aber nur dann sicherstellen, wenn wir bei politischen Entscheidungen die physikalisch-technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen wieder stärker berücksichtigen“, stellte Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer fest. Im Freistaat komme der Ausbau der Erneuerbaren gut voran: Der Anteil an der Bruttostromerzeugung sei von 26 % im Jahr 2010 auf über 43 % im Jahr 2016 angestiegen. Der Weg zur Energiewende dürfe jedoch nicht am bloßen Einhalten eines Ausbaupfades gemessen werden, betonte der Minister. Die Bundesrepublik schreite auf dem Ausbaupfad voran, bleibe aber bei den Netzen zurück, was sich in immer höheren Redispatch-Kosten zeigt.
Zudem setzt das EEG als das zentrale
Förderinstrument aus Pschierers Sicht weiterhin Fehlanreize – und zwar im Hinblick auf die Netz- und Systemintegration der Erneuerbaren. Auch die Frage, wie sich die deutsche Energiewende konfliktfrei in den EU-Binnenmarkt einfügt, sei nicht gelöst. Dabei sei die EU-Strombinnenmarktverordnung mit Abstand der kritischste Teil des EU-Winterpakets („Clean Energy Package“).
Problematische EU-Vorgaben
Besonders kritisch sieht der bayerische Energieminister hier die Vorgaben des Rats der EU-Energieminister und des Europäischen Parlaments für die Öffnung der grenzüberschreitenden Stromleitungen. So müssen die Netzbetreiber bis Ende des Jahres 2025 in der Lage sein, mindestens 75 Prozent der Nettoübertragungskapazität an den Interkonnektoren für den Stromhandel mit den Nachbarstaaten zur Verfügung zu stellen.
Die Folgen für Deutschland, so Pschierer, wären gravierend: „Wir müssten die Maßnahmen, um den Netzengpass zu managen, drastisch ausweiten. Und das, wo diese Maßnahmen doch schon 2017 einen neuen Rekordwert jenseits der Milliarden-Euro-Grenze erreicht haben. Deshalb ist unsere Haltung klar: Der Zielwert von 75 Prozent für die Öffnung der Interkonnektoren ist viel zu hoch gegriffen. Ein weiterer Kostenanstieg wäre dem deutschen Stromverbraucher nicht zu vermitteln!“
Ohnehin müssten das Ziel der Bezahlbarkeit und die Auswirkung der Strompreise für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland wieder stärker in den Fokus gerückt werden, fuhr Pschierer fort. Dies gelte insbesondere beim Zubau der Erneuerbaren. Hier müssten die Aufnahmefähigkeit der Netze und netzseitiger Folgekosten wie Netzausbau und Redispatch in die Betrachtung mit einfließen.
Netzausbau auf notwendiges Minimum begrenzen
Apropos Netzausbau: Pschierer zufolge fehlt bislang eine substanzielle Berechnung, welcher zusätzliche Netzausbedarf bis 2030 durch die erhöhten Ausbauziele der Erneuerbaren im Koalitionsvertrag erforderlich ist. Deshalb sollten fundierte Berechnungsergebnisse abgewartet werden, ehe der Erneuerbare-Anteil ohne Berücksichtigung der Auswirkungen pauschal nach oben gesetzt wird. Die Position Bayerns sei eindeutig: „Der Netzausbau soll auf das notwendige Minimum begrenzt und die Interessen der Bürger sollen berücksichtigt werden – wie etwa durch die Erdverkabelung.“ Dafür müssten langfristig die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wesentliche Stellschraube sei hier das EEG.
Generell, so der Minister, müsse das Thema Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Da das heutige Fördersystem mit seiner Garantievergütung keinen Anreiz setzt, die Stromerzeugung zeitlich und räumlich am Bedarf auszurichten, sei ein Gesamtkonzept für eine Strompreisbremse unumgänglich. Pschierer: „Es braucht einen grundlegenden Systemwechsel bei der Förderung der erneuerbaren Energien. Und zwar hin zu einem Vergütungssystem, das mehr Markt- und Systemintegration der Anlagen bewirkt.“
Grundsätzliches Ja zum Kohleausstieg
Mit Blick auf die aktuelle Diskussion zum Kohleausstieg bemerkte der Minister: „Grundsätzlich befürworte ich den Kohleausstieg. Denn er wird helfen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Wir haben dazu folgende Forderungen: Der Ausstieg sollte möglichst im Konsens mit den Energieversorgern erfolgen. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Versorgungssicherheit weiterhin auf höchstem Niveau gewährleistet ist. Umso wichtiger bleibt deshalb unsere Forderung, sich die Option ‚Kapazitätsmarkt‘ offen zu halten.“ Dieser vergüte bereits die Vorhaltung gesicherter Leistung und nicht nur die Erzeugung. Hoffnung auf einzelne Preisspitzen, wie sie beim vom Bund bevorzugten Energy-Only-Markt auftreten können, sind aus Pschierers Sicht allerdings „keine ausreichende Basis für langfristig angelegte Investitionsentscheidungen von Kraftwerksbetreibern“.
„Es besteht die Gefahr, dass Strom ein Luxusgut wird“, machte der stellvertretende Thüga-Vorstandsvorsitzende Matthias Cord deutlich. Hierzu führte er u.a. die Strompreisentwicklung seit dem Jahr 2000 für Endkunden an. Der Idee einer komplett auf Elektrizität aufgebauten Gesellschaft erteilte er deshalb eine deutliche Absage. Dagegen sei die Sektorenkopplung ein sinnvoller Weg und könne im Hinblick auf die Stromkosten Abhilfe schaffen. Dazu sei es jedoch erforderlich, die Notwendigkeit der Kopplung verschiedener Erzeugungsarten öffentlich zu erklären. Es gelte, ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, einen Diskurs darüber, die Dinge insgesamt zu einem Optimum zusammenzuführen. Hier müssten vor allem kommunale Unternehmen stärker auftreten und aufklären, forderte Cord.
Kleinteilige Energiebereitstellung vor Ort
Nach Auffassung des N-ERGIE-Vorstandsvorsitzenden Josef Hasler sind große Projekte wie die Gleichstromtrassen von Nord nach Süd nicht geeignet, die Energiewende nach vorne zu bringen, da sie keine einzige Tonne CO2 reduzieren. Auch sei die Sicherheit im Stromnetz nicht gewährleistet. „Eine Leitung von Norden nach Süden zu kapern, ist einfacher als 20 oder 30 Stadtwerke zu übernehmen.“ Hasler sprach sich deshalb für eine kleinteilige Energiebereitstellung vor Ort aus. Sein Appell: Die bessere Förderung der Power-to-Gas-Technologie.
Kritik übte der N-ERGIE-Vorstand auch an der Politik auf Bundesebene, die es versäume, zeitnahe Vorgaben für die Energiewende zu machen. Vorbild sei hier die pragmatisch denkende Kommunalpolitik, die Ziele auch entsprechend umsetze.
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