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(GZ-8-2018)
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► Hanns-Seidel-Stiftung stellte Studie vor:

 

Social Media im Wahlkampf

Lehrstuhl Political Data Science der Hochschule für Politik untersuchte Manipulationen durch Social Media bei der Bundestagswahl 2017

In Europa und den USA ist der politische Populismus auf dem Vormarsch. Als ein Grund wird immer wieder der von den populistischen Parteien geführte Wahlkampf genannt, der sich deutlich von dem der „etablierten“ Parteien unterscheidet. Wähler werden von den populistischen Parteien via Internet (de-)mobilisiert. Dabei spielen gerade die Social-Media-Kanäle und die dort stattfindende Beeinflussung mittels neuer, u.a. technisierter Kommunikationsformen eine zunehmend bedeutende Rolle. Ein Phänomen, das sich in den USA schon länger beobachten lässt und auch untersucht wird, in Deutschland aber vergleichsweise noch relativ jung und damit wenig erforscht ist.

Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) betrat daher Forschungs-Neuland und beauftragte den Lehrstuhl Political Data Science der Hochschule für Politik an der Technischen Universität München bereits vor der Bundestagswahl 2017 mit Forschungen, um mehr über diese neuen Mechanismen und ihre Konsequenzen zu erfahren. Ziel war es, Social-Media-Plattformen genau zu beobachten und zu ermitteln, ob und in wieweit Manipulationen dort und damit auf die Wahlen insgesamt stattfanden. Dabei war es der HSS vor allem wichtig, genauer zu erfahren, wer das Wahlverhalten online beeinflussen will und mit welchen Möglichkeiten dies gelingen könnte.

Trends werden vorgetäuscht

Über acht Monate forschte das Team um Professor Dr. Simon Hegelich intensivst. Zum Beispiel werteten die Wissenschaftler 350.000.000 Tweets unter anderem mit den Hashtags „#Merkel“ und „#MerkelMussWeg“ zur Bundestagswahl aus. Dabei stellten sie eine konstante Nutzung (im Durchschnitt 390 Mal am Tag) sowie eine verstärkte Verbreitung ab August 2017 fest, was u.a. darauf zurückzuführen war, dass viele Social Bots an der Verbreitung des Hashtags „#MerkelMussWeg“ beteiligt waren, fanden die Forscher heraus. Denn eine durchaus gängige Form der Manipulation besteht darin, durch besonders starke Aktivitäten in den sozialen Netzwerken Trends vorzutäuschen. Dadurch werden Algorithmen der Plattformen dazu verleitet, die entsprechenden Nachrichten auch anderen Nutzern vorzuschlagen mit der Folge einer lawinenartigen weiteren Verbreitung. Außerdem kann über solche vermeintlichen Trends Berichterstattung in den „traditionellen“ Medien generiert werden, weil Journalisten dem Thema eine vermeintlich hohe Bedeutung zumessen und darüber berichten.

Anstoß für breite gesellschaftliche Debatte

Die Vorsitzende der HSS, Ursula Männle, sagt zu den Motiven der Beauftragung der Studie „Social Media im Wahlkampf“: „Wir wollen mit der nun vorliegenden Studie einen Anstoß für eine breite gesellschaftliche Debatte über die Aufmerksamkeitsökonomie unserer Tage, über Onlinewahlkämpfe und neue antidemokratische Netzwerke, online wie offline, geben.“

Manipulativ Misstrauen schüren

„Wir konnten sämtliche Manipulationsformen auch beim Bundestagswahlkampf ausmachen“, erklärt Studienleiter Hegelich. „Allerdings blieben Ausmaß und vor allem die Wirkung der Manipulationen durch hyperaktive Nutzer, Bots, Trolls, Fake-News und Verschwörungstheorien – anders als in den USA und den Ereignissen der „Macron-Leaks“ in Frankreich – deutlich hinter den Befürchtungen einiger Experten zurück.“ Und dennoch: „Betrachtet man den Vertrauensverlust der etablierten Medien, insbesondere bei der Social Media affinen Gruppe der jungen Erwachsenen, dann ist nicht auszuschließen, dass solche Manipulationen, die auf Verunsicherung und Misstrauen in politische Institutionen zielen, eine Wirkung entfalten können.“

Verletzlichkeit der freien Meinungsbildung

Seine These ist, dass die Entwicklungen auch auf den Strukturwandel der Öffentlichkeit zurückzuführen sind, der mit der digitalen Revolution verbunden ist. „Wenn Kategorien wie Kommunikation, Freundschaft, Vertrauen, Wahrheit und Diskurs nicht mehr dieselbe Bedeutung haben, wie in der Zeit vor Entstehen der Social Media, dann verändert das auch die Demokratie“, befürchtet Hegelich.

„Das Ergebnis der vorliegenden Studie muss also nachdenklich stimmen, zeigt es doch, wie verletzlich die freie Meinungsbildung als wichtiger Anker unserer Demokratie ist“, warnt Männle.

Download der Studie: https://www.hss.de/download/publications/SocialMedia_Hegelich.pdfHegelich.pdf

 

RED

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