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(GZ-13-2017)
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► Krisendienst Bezirksaufgabe:
 
Mittelfranken als Vorbild nicht nur in Bayern
 

Richard Bartsch

Richard Bartsch. RED

Finanziert wird er vom Bezirk Mittelfranken, der Krisendienst im Rahmen der ambulanten sozialpsychiatrischen Betreuung. „Deutschlandweit einmalig“ ist das System für die Menschen rund um Nürnberg, Fürth, Erlangen oder Ansbach, da ist sich Bezirkstagspräsident Richard Bartsch sicher.

Die Aufgabe dieses Dienstes: „Er hilft verhindern, dass Menschen in einer akuten psychiatrischen Krise sofort in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht werden“, erklärt Richard Bartsch. So erreiche man den Krisendienst auch dann per Telefon, wenn die übrigen Beratungsstellen geschlossen haben, also nachts und am Wochenende.

Lebensqualität erhalten

Geschulte Fachkräfte, die bei Bedarf durch das Büro in Nürnberg verständigt – Bartsch nennt sie „Schläfer“ – stehen dafür in ganz Mittelfranken bereit. „Der Dienst hilft in jeder Lebenssituation, Lebensqualität zu erhalten“, stellt Mittelfrankens Bezirkstagspräsident heraus. Denn selbst im akuten Krisenfall müssen Betroffene nicht unbedingt ins Krankenhaus, werden also nicht drei, vier Tage aus dem Privatumfeld herausgerissen.

Und wie funktioniert dieser Krisen-Notdienst praktisch? „Die haupt- und nebenberuflichen Fachkräfte übernehmen eine Art Notversorgung, bis sich die jeweilige Situation beruhigt hat. Wenn das klappt, ist es natürlich besser, als wenn wie woanders die Polizei von der Nachbarschaft gerufen wird, um die Situation zu entschärfen oder für Ruhe zu sorgen“, erläutert Richard Bartsch.

Dass diese anerkannt beispielhafte sozialpsychiatrische Krisenversorgung im BezirkMittelfranken entstehen konnte, lag nach Bartsch` Meinung vor allem an der Historie der Krankenhäuser für psychisch Kranke. Schon seit 170 Jahren gibt es in Erlangen eine solche Klinik. Nach dem 1. Weltkrieg bekam sie in Fürth eine Außenstelle und schon vorher in Nürnberg. Aus diesen Stellen entstanden später der Sozialpsychiatrische Dienst im Gesundheitsamt Nürnberg und jener des Bezirks in Fürth.

Gemeinsamkeit für die Patienten

Inzwischen gibt es auch in allen anderen Landkreisen und kreisfreien Städten solche Beratungsstellen. Diese werden von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und deren Organisationen getragen. Konkret arbeiten die arbewe der AWO Nürnberg, die Stadtmission Nürnberg, der Sozialpsychiatrische Dienst der Stadt Nürnberg und der Dienst des Bezirks in Fürth für den Krisendienst Mittelfranken zusammen: Gemeinsamkeit für die Patienten statt Konkurrenzgedanken also.

Wobei der Freistaat den Bezirken die Aufgabe flächendeckend dichter Netze ambulanter Betreuung eigentlich schon Mitte der 1980er Jahre zugewiesen hat. Mittelfranken hatte das Ziel etwa zehn Jahre später geschafft, war damit Beispiel für andere Bezirke, und das nicht nur in Bayern.

Sehr wichtig sind Bartsch „auch die Sprechstunden mit muttersprachlichen Mitarbeitern, türkisch- oder russischsprachig beispielsweise. Die haben sich viel Vertrauen erarbeitet.“ Entstanden sei dieses Netzwerk auf Initiative der Nürnberger Fachkräfte. „Die haben gemerkt, man kommt in Deutsch allein nicht weiter. Doch es dauert, bis es in die jeweiligen Kreise durchdringt, dass es solche Berater in den Beratungsstellen gibt“, auch das mussten die Mittelfranken erfahren.

Genauso wie für psychisch Kranke gibt es auch ein flächendeckendes Beratungsnetz für Menschen, bei denen eine Suchterkrankung das Hauptproblem ist. Was bedeutet: Zu den 60 Vollzeitstellen, die psychisch Kranke beraten und im Krisendienst tätig sind, kommen für die Suchtberatungsstellen noch einmal 75 Vollzeitstellen hinzu. Nicht zu vergessen: die zahlreichen Honorar- und ehrenamtliche Kräfte.

Klar, dass ein solches Netzwerk nicht umsonst zu haben ist. Für die Sozialpsychiatrischen Beratungsstellen gibt der Bezirk jedes Jahr 4,4 Mio. Euro Steuermittel aus. Dazu kommen vergleichsweise günstige 200.000 Euro für den Krisendienst. Die Suchtberatungsstellen schlagen mit weiteren 5,7 Mio. Euro zu Buche.

Wunsch nach mehr Angebot

Und auch klar: Bartsch würde sich mehr Angebote wünschen. „Aber wenn wir mehr wollen, müssen wir vom Freistaat und den Kommunen mehr erkämpfen, also politisch durchsetzen. Die Beratung für den hilfesuchenden Menschen ist in jedem Fall kostenlos. Denn die kommen, sind ja Bürger. Und wenn nicht wir, dann müssten die Städte oder Landkreise die Betreuung selber anbieten“: Für ihn steht die Notwendigkeit außer Frage. Und das Geld kommt letztlich ohnehin vom Steuerzahler, egal welche staatliche Stelle die Beratung anbietet.

Heinz Wraneschitz

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