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(GZ-6-2025 - 13. März)
Gastbeiträge

► Vereinfachung als Schlüssel zum Politikwechsel:

 

Die Chance des Friedrich Merz`

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23. Februar 2025 hat sich über Wochen weitgehend abgezeichnet. Die Unionsparteien als Wahlsieger, die AFD an zweiter Stelle und die Ampelparteien in unterschiedlichem Maße abgestraft für ihr politisches Missmanagement in den letzten Jahren. Das alles kam also nicht überraschend.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Wenig überraschend ist leider auch das, was ab dem 24. Februar bislang folgte. Siegesfreude hier, wenig Selbstkritik da, viel politische Rhetorik ohne Handlung allen Ortes, Abstecken von Positionen, Formulierung von Forderungen an den potenziellen Koalitionspartner, Aufbau von Drohkulissen, Austesten von Themen über die Medien, Start der geübten Routinen von Koalitionsgesprächen. Politisches Nach-Wahl-Business as usual also.

Inhaltlich, personell und strukturell lässt der Politikwechsel freilich auf sich warten – wohl noch mindestens bis Ostern und damit – vom Wahldatum an gerechnet – nicht weniger als acht üppige Wochen, vielleicht auch mehr. Ob er dann wirklich kommt – und in welchem Umfang – wird sich weisen. Dabei hat Deutschland nichts dringender notwendig als Veränderung und mutige Politikgestaltung. Politische Leadership wird erwartet und ist dringlich nach Jahren der politischen Führungslosigkeit.

Sicher, die politischen Gestalter sind um ihre Aufgabe kaum zu beneiden. Der Gordische Knoten, den es für eine Neuaufstellung Deutschlands zu durchschlagen gilt, ist immens groß und die diversen Stränge, die ihn bilden, haben sich über die Jahre fest verzurrt und sind verfilzt. Wo anfangen, wo ansetzen sind Kernfragen im Umfeld limitierter Finanzressourcen, grundgesetzlicher Anforderungen, wirtschaftlicher-, außen- und sicherheitspolitischer Herausforderungen. Irgendwie scheint alles mit allem zusammenzuhängen. Und weil es so ist, hilft letztlich wohl nur mutige Vereinfachung.

Drei schlichte Fragen klären die Grundlagen: Wo erleben die Menschen in Deutschland Politik unmittelbar, wie entsteht das Bruttosozialprodukt und wer finanziert die Investitionen derer, die es produzieren? Die Antworten helfen womöglich weiter, konstruktiv und zukunftsgerichtet Politik in Deutschland zu gestalten. Handlungsfähige und sichere Kommunen sorgen für positive politische Naherfahrung und stärken das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ein funktionierendes politisches System. Der Mittelstand ist Motor und Beschäftigungsanker der deutschen Wirtschaft und die Regionalbanken mit dem Kern der Sparkassen sowie Volks-und Raiffeisenbanken ihr wichtigster Finanzier.

Daran ausgerichtet könnte das politische Grundkonzept für einen Politikwechsel formuliert werden, zumal eines, dessen Blaupause kaum mehr als drei Seiten eines Koalitionsvertrages benötigt. Denn was dazu notwendig ist, haben kommunale Spitzenverbände, Mittelstandsvertreter und Bankenverbände längst erarbeitet und niedergeschrieben, in Bayern und im Bund. Nicht alles in ihren Papieren muss als wohlfeil gelten, aber der überwiegende Teil ist durchdacht und hilfreich. Ihn können, ja sollten sich die politischen Akteure zu eigen machen – ideologiefreies Praktikerwissen als Grundlage dafür, sich nicht wieder in Verhandlungen über Spiegelstriche zu verheddern. Die Zeiten abgehobener Politik müssen ein Ende finden. Politische Erdung durch fachliche Expertise tut Not und wäre ein echter Politikwechsel.

Unbestritten würde das in vielen Politikfeldern zur Rosskur und auch deutlichen Einschnitten in über Jahrzehnten aufgebauten wohlfahrtsstaatlichen Besitzständen führen. Ein weniger an Staat in der Breite und dafür Fokussierung auf staatliche Kernleistungen wären die positive Folge. Zugleich eröffnet das Spielräume, den Deutschen Sorgen im Bereich der inneren wie äußeren Sicherheit, Zuwanderung und Wirtschaftsentwicklung zu nehmen. Der Handlungsbedarf bei diesen Metathemen ist drängend und immens.

Der wohl künftige Bundeskanzler Friedrich Merz ist bei alledem womöglich freier als mancher seiner Vorgänger. Er muss – schon altersbedingt – nicht auf seine Wiederwahl zielen. Die Amtszeiten von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel wird er kaum toppen (wollen). In eine Reihe mit Adenauer und Kohl treten kann er dagegen sehr wohl. Jedenfalls dann, wenn er einen epochalen Politikwechsel einleitet, gestaltet und sich damit um Deutschland und Europa verdient macht. Mit ihm wird sich zudem ganz wesentlich entscheiden, ob es gelingt, bei der nächsten Bundestagswahl wieder vermehrt Wähler und Wählerinnen von den Rändern in die politische Mitte zu holen.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

 

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