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(GZ-6-2024 - 14. März)
Gastbeiträge

► Wissen bringt Rendite:

 

Wie die Deutschen Geld vernichten und was dagegen hilft

 

Ein Kommentar von Dr. Jürgen Gros

Dass die Deutschen wissen, wie man spart, ist nichts Neues. Traditionell liegt ihre Sparquote weltweit im Spitzenfeld. 2023 haben sie nach vorläufigen Zahlen voraussichtlich 11,2 Prozent ihres verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante gelegt. Besser sind da nur noch die Nachbarn in der Schweiz und in den Niederlanden. Allein 2023 ist das Geldvermögen der privaten Haushalte in der Bundesrepublik um rund sechs Prozent auf 7,9 Billionen Euro gewachsen – gestiegene Zinsen und Börsenentwicklung haben den Vermögensaufbau zusätzlich befördert.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Angesichts eines unsicheren wirtschaftlichen und globalen Umfeldes geben die Bundesbürger weniger aus und halten ihr Geld zusammen. Das stellen sie freilich nur begrenzt clever an. Jedenfalls dann, wenn man sich die Ergebnisse der repräsentativen Studie „So investiert Deutschland“ zu eigen macht, die die Commerzbank beim Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos beauftragt und Ende Februar vorgelegt hat.

64 Milliarden Euro Kaufkraftverlust

Etwas mehr als 2,1 Billionen Euro horten die Deutschen auf ihren Sparbüchern, Tages- oder Festgeldkonten. Und damit fängt die Malaise an. Der Privatkundenvorstand der Commerzbank, Thomas Schaufler, hat es bei der Präsentation der erwähnten Studie vorgerechnet. Denn, so sein Gedankengang, bei einer durchschnittlichen Inflation von sechs Prozent und einem Einlagenzins von drei Prozent belaufe sich der Kaufkraftverlust auf drei Prozent und damit 64 Milliarden Euro. Ein Verlust, der daraus resultiert, dass die Sparer in Deutschland Anlagealternativen mit besseren Renditen nur wenig nutzen. Zum Vergleich: Rund 3,2 Billionen Euro ihres Geldvermögens halten sie als Einlagen und Bargeld, weitere 2,3 Billionen haben sie in Versicherungsprodukten angelegt. Bei Aktien und Investmentfonds halten sie sich dagegen zurück. Sie investieren hier mit 1,8 Billionen Euro lediglich etwas mehr als 23 Prozent ihres Geldvermögens – und verschenken damit Rendite.

Das alles mag in einem Land, in dem das Sicherheitsdenken in allen Lebensbereichen sehr ausgeprägt ist, nicht verwundern. Doch ist damit die tendenziell einseitige Anlagepolitik der Deutschen nicht vollständig erklärt. Die Commerzbank-Studie weist auf einen Punkt hin, der nachdenklich stimmt. Nämlich die erheblichen Defizite der Bundesbürger, wenn es um ihr Finanzwissen geht – und weil sie sich nicht so gut in Finanzdingen auskennen, legen sie eben ihr Geld in beschriebener Form an, verzichten nolens volens auf Rendite.

Die der Produkt- und Unternehmenswerbung unverdächtige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zuletzt in einer eigenen Studie zur Finanzbildung Erschreckendes veröffentlicht: Lediglich 21 Prozent der Erwachsenen sind in Finanzfragen stattelfest und: Die Deutschen haben selbst bei der Lösung einfacher Zinsrechnungen Probleme.

Mangelndes Finanzwissen in der Bevölkerung ist in Deutschland ein Thema. Allerdings auch eines, das seit vielen Jahren bekannt ist. Viele politische Anläufe gab es in der Vergangenheit, um Abhilfe zu schaffen. Den letzten hat die Bundesregierung 2023 mit der „Finanzbildungsstrategie für Deutschland“ gestartet. Großes wird zusammen mit der OECD angestrebt – Finanzbildungsplattform und Stärkung der Forschung zur finanziellen Bildung lauten die PR-Schlagworte. Eine fürsorglich gemeinte bildungspolitische Reparaturmaßnahme, mehr aber auch nicht.

Finanzbildung in die Lehrpläne

Wer das Thema Finanzbildung angehen will, muss konsequent anders ansetzen und Durchhaltevermögen an den Tag legen. Die Ergebnisse der letzten Pisa-Studie diktieren dazu die politischen Hausaufgaben: Wer die Finanzbildung in der Breite und für die Zukunft stärken will, muss Finanzbildung in die Lehrpläne in allen Altersstufen und Schulformen einpassen. Er muss den Anteil leistungsschwacher Schüler in Mathematik von aktuell 30 Prozent deutlich verringern. Er muss jungen Menschen den Alltagsnutzen von Mathematik vermitteln (Zinsrechnung!) und Jugendliche befähigen, den Sinn von Texten zu erfassen, denn da hapert es ebenfalls gewaltig. Wie all das geht? Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hat im Januar fundiert Positionen zu den „Lehren aus der Pisa-Misere“ formuliert. Wer sie beherzigt, führt auch die deutschen Sparer à la longue zur besseren Anlagerendite.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (*1969) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros


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