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(GZ-13-2023 - 6. Juli)
Gastbeiträge

► Die Brüsseler Krake:

 

Wie die EU-Kommission versucht, über Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu bestimmen

 

Ein Gastbeitrag von Dr. Jürgen Gros

Einigkeit zwischen Bundeskanzler, Bundesminister der Finanzen und Wirtschaftsminister. Ganz ohne Streitereien und Machtworte. Das hat mittlerweile Seltenheitswert in der Koalitionsregierung von SPD, FDP und Grünen. Dass zwischen Olaf Scholz, Christian Linder und Robert Habeck zumindest bei einem Thema kein Blatt Papier passt, ist von hoher Bedeutung für den Bankenstandort Deutschland. Denn es geht um viel. Nämlich darum, wer künftig in Krisenfällen über die Zukunft von mehr als 1.100 Sparkassen und Genossenschaftsbanken bestimmt.

Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. © Barbara Obermaier

Die EU-Kommission hat dazu präzise Vorstellungen. Entsprechend sollen in Zukunft nicht nur wie bisher Großbanken, sondern ebenso kleine und mittelgroße Banken den europäischen Regeln zur Bankenabwicklung unterliegen. Das träfe dann eben auch Sparkassen und Kreditgenossenschaften. So jedenfalls sehen es die Pläne vor, die im April die EU-Kommissare Mairead McGuinness und Vladis Dombrovskis zur Vereinheitlichung der Bankenabwicklung vorgelegt haben.

Die europäischen Regeln zur Bankenabwicklung sind bereits seit 2014 in Kraft. Kernstück ist der „einheitliche Abwicklungsausschuss“ (SRB). Er ist eine EU-Institution. Seine Aufgabe ist es, die ordnungsgemäße Abwicklung von insolvenzbedrohten Finanzinstituten zu organisieren und dabei die Auswirkungen auf Realwirtschaft und Staatsfinanzen möglichst geringzuhalten. Ziel ist es, bei Abwicklungen die Banken selbst und nicht die Steuerzahler in die Pflicht zu nehmen. Die Etablierung des „einheitlichen Abwicklungsmechanismus“ war eine politische Reaktion auf die Bankenkrise der Jahre 2007/2008. Damals musste der Steuerzahler vor allem Großbanken stützen.

Was für Großbanken also längst etabliert ist, soll nun auch für kleine und mittelgroße Banken geregelt werden. Der EU-Kommission ist es mit Blick auf nicht ganz so große Banken ein Dorn im Auge, „dass nationale Behörden Steuergelder verwenden, um einen drohenden Zusammenbruch zu bewältigen, anstatt die internen Ressourcen und von der Industrie finanzierte Sicherheitsnetzte zu nutzen“, wie McGuinness bei der Vorstellung des Vorhabens ausführte. Welche nationalen Behörden in welchen EU-Mitgliedsstaaten das sind, konkretisierte die Kommissarin jedoch nicht. In Deutschland jedenfalls gibt es solche Fälle bislang nicht.

Die EU-Pläne haben es freilich in sich. Dem langjährigen Beobachter der EU-Kommission erschließt sich unweigerlich, um was es wirklich geht: Den Zugriff der Brüsseler Krake auf die nationalen Einlagensicherungsstrukturen von Banken und damit auch auf die Institutssicherungssysteme der Sparkassen und Kreditgenossen. Denn durch die geplanten Neuregelungen wären die beiden großen Verbundgruppen in Deutschland nicht mehr frei in der Verwendung der Mittel in ihren Sicherungssystemen. Sie würden dann den europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Banken unterliegen. Beide Gruppen nutzen bislang eigenverantwortlich ihre Mittel zur Krisenprävention oder, wo notwendig, zur Stabilisierung und Sanierung angeschlagener Institute. Dass einzelne Häuser mal schwächeln, kommt mitunter auch bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor. Freilich wurde daraus noch nie ein Fall für den Steuerzahler, denn beide Verbünde haben für solche Situationen hinreichend Rücklagen in Milliardenhöhe in ihren Institutssicherungssystemen.

Unverkennbar und unverdrossen betreibt die EU-Kommission auf neuem Weg ihr altes Vorhaben, die Einlagensicherungssysteme in Europa zu harmonisieren. Jetzt eben mit dem Argument, die Bankenabwicklung stärken zu wollen. Der Europaabgeordnete Markus Ferber bringt die Konsequenzen auf den Punkt: „Was die Kommission vorschlägt, nagt an der Daseinsberechtigung der Institutssicherungssysteme. Der Finanzstabilität und den Kleinsparern ist nicht damit gedient, wenn Institutssicherungssystemen unnötig das Leben erschwert wird.“

Das hat man auf Ebene der Bundespolitik ebenfalls erkannt. Finanzminister Lindner teilte der EU-Kommission seine Bedenken schon mit, bevor die Pläne überhaupt offiziell veröffentlicht wurden. Ein im Timing eher ungewöhnliches Vorgehen, das aber zugleich deutlich macht, welchen Stellenwert das Thema bei ihm hat. „Eine europäische Einlagensicherung bekommt keine Zustimmung von dieser Bundesregierung. Da sind sich der Wirtschaftsminister und ich einig“ unterstrich er seinen Standpunkt am 1. Juni auf dem Sparkassentag. Dabei konnte er an Bundeskanzler Scholz anknüpfen, der bereits einen Tag zuvor, ebenfalls beim Sparkassentag, nicht nur die gut funktionierenden Sicherungssysteme der kleinen Banken in Deutschland gewürdigt, sondern ihnen auch die politische Rückendeckung der Bundesregierung zugesagt hatte. „Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken müssen und werden eine stabile Säule unseres deutschen Finanzsystems blieben. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung steht an ihrer Seite“, so der Regierungschef. Die Unterstützung des Kanzlers und der Bundesregierung werden beide Verbundgruppen gut gebrauchen können. Denn wenn es um die Realisierung der europäischen Einlagensicherung geht, wurde in Brüssel noch immer hart verhandelt – mit zumeist knappem Ausgang.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (53) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros

 

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