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(GZ-6-2023)
Gastbeiträge

► Die Zukunft des Bezahlens:

 

Was die Deutschen im Portemonnaie haben und warum sie zunehmend öfter mit Karte zahlen

 

Gastbeitrag von Dr. Jürgen Gros

Am 22. März 2020 ging Deutschland in den ersten Corona-Lockdown. Seitdem ist vieles anders im Land. Augenscheinlich auch beim Kaufen und Bezahlen. Die Bundesbürger tragen mit durchschnittlich 100 Euro zwar nur sieben Euro weniger Bargeld im Portemonnaie mit sich als vor der Pandemie. Das hat die Deutsche Bundesbank in einer großen Studie zum Zahlungsverhalten in Deutschland voriges Jahr herausgefunden. Was sich aber offenkundig geändert hat, ist die Art wie sie Post-Corona bezahlen. Nämlich deutlich öfter unbar. In 42 Prozent aller Fälle wird mittlerweile bargeldlos bezahlt, wie die Zahlen der Bundebank für das Jahr 2021 zeigen. Vier Jahre zuvor war das lediglich bei jedem vierten Bezahlvorgang der Fall. Bezogen auf den Umsatz, den die Deutschen mit ihren Einkäufen erzielen, wird die Veränderung noch deutlicher. So beglichen sie 2017 mehr als die Hälfte des Einkaufsvolumens (52,4 Prozent) unbar. Bis Ende 2021 hat sich der Anteil auf 70 Prozent erhöht.

Dr. Jürgen Gros. Bild: Barbara Obermaier
Dr. Jürgen Gros. Bild: Barbara Obermaier

Sicher, während der Pandemie kauften die Deutschen mehr im Internet ein. Für eine kurze Phase standen zudem Geldscheine und Münzen im Verdacht, das Corona-Virus zu verbreiten. Zahlungen per Karte, Smartphone oder Smartwatch entsprachen auch im stationären Handel dem pandemischen Distanzgebot. Bargeld wurde zu Hause für alle Fälle gehortet und weniger als Zahlungsmittel eingesetzt.

Dauer des Bezahlvorgangs

Und doch: Nicht alles ist Corona geschuldet. Älter als das Virus ist nämlich der Trend zum bargeldlosen Bezahlen. Verantwortlich für ihn scheint eine Melange aus fortschreitender Digitalisierung, Kostenoptimierung und Personalmangel im Einzelhandel zu sein. Jedenfalls sagt das einer, der sich im Metier bestens auskennen, aber nicht genannt werden will. Der Blick in eine Untersuchung der Deutschen Bundesbank von Anfang des Jahres hilft zu verstehen, um was es beim Bezahlen im stationären Handel geht: Nämlich um Geschwindigkeit und damit um Effizienz. Am schnellsten wird im Einzelhandel mit Smartphone oder -watch bezahlt. Das dauert im Schnitt 14 Sekunden. Bargeldzahlungen nehmen durchschnittlich 18,7 Sekunden in Anspruch. Kontaktlos mit Karte geht in 15,2 Sekunden, bezahlen mit Karten und Pin braucht 23,3 Sekunden, und wer die Karte ins Lesegerät steckt, benötigt 25,7 Sekunden für den Bezahlvorgang.

12 Sekunden länger oder kürzer – macht das wirklich einen Unterschied? Für die großen Einzelhandelsketten auf jeden Fall. Denn da wird scharf mit jedem Cent kalkuliert. Eine Sekunde schnellerer Durchlauf am Point of Sale (POS) – also der Kasse – kann bei großen Einzelhandelsketten aufs Jahr gerechnet schnell einen mittleren einstelligen Millionenbetrag ausmachen. Laut EHI Retail Institute gibt es im deutschen Einzelhandel fast 526.000 Kassen. Das jährliche Einsparpotenzial durch digitale Bezahlvorgänge liegt allein für die Platzhirschen, die sich auch in jedem bayerischen Gewerbegebiet finden, bei hohen dreistelligen Millionenbeträgen und mehr. Mit schnelleren Durchlaufzeiten an den Kassen lassen sich erhebliche Personalkosten einsparen. Ganz abgesehen davon, dass auch im Einzelhandel Personalmangel herrscht. Für die Großen in der Branche rechnen sich dann auch locker Karten- und Transaktionskosten für digitale Bezahlvorgänge. So wird es zudem nachvollziehbar, wenn die Supermarktketten Aldi Süd, Lidl, Rewe, Edeka, Netto, Kaufland, Globus oder Baumarktketten und Möbelhäuser wie Ikea Self-Checkout-Bereiche etablieren. Also die Möglichkeit, dass Kunden ihren Einkauf an Kassenautomaten scannen und dann per Smartphone, -watch, Karte oder mitunter auch konventionell mit Bargeld bezahlen.

Denn Bargeld wollen die Einzelhandelsketten mehrheitlich auch weiterhin als Bezahloption zulassen. Das jedenfalls haben Aldi, Rewe, Edeka und andere postwendend erklärt, als im Januar die Technikkette Gravis aufhorchen ließ. Das Unternehmen ist nach eigener Aussage Marktführer für digitale Lifestyle-Produkte aus der Apple Welt. Zu Beginn des Jahres hat es verkündet, künftig in seinen 40 Filialen keine Bargeldzahlungen mehr zuzulassen. Bezahlung sei nur noch per Karte, Smartphone oder -watch möglich. „Kostengünstig“, „einfach“, „sicher“, „schnell“ – so die Adjektive, mit denen Gravis entwaffnend offen die Bargeldablehnung gegenüber dem „Spiegel“ begründete.

Corona als Beschleuniger

Der Trend zu Zahlungen mit Karten und digitalen Endgeräten lässt sich auch beim eigenen Metzger, Bäcker, kleinen Einzelhändler oder dem Lieblingscafé beobachten. Hier hat Corona die Entwicklung beschleunigt. In den zwei Pandemiejahren 2020 und 2021 ist die Zahl der Akzeptanzstelle für Karten mit Zahlungsfunktion um 200.000 und damit fast 15 Prozent auf über 1,5 Millionen gestiegen. Was womöglich zunächst Hygieneerwägungen geschuldet war, ist zwischenzeitlich zum Standard geworden. Kunden erwarten mittlerweile digitale Bezahlmöglichkeiten. Zudem erschließt das den Händlern an der einen oder anderen Stelle auch neue Umsätze. Durch bargeldlose Spontankäufe oder weil die Bundesbürger zunehmend ohne Portemonnaie, aber dafür mit Handy und der dort integrierten Bezahlkarte aus dem Haus gehen. Ein Trend, der laut dem seit 2019 jährlich von Visa und dem Meinungsforschungsinstitut Forsa veröffentlichte Mobile Payment Monitor schon länger besteht.

Bezahlen kostet Geld

Ob das unbare Bezahlen sich dabei für jeden Betrieb rechnet, kommt auf den Einzelfall an. Denn mit Kosten für Geldbeschaffung und Bankgebühren für Münzgeldentsorgung, Karten- sowie Transaktionsgebühren oder Personalaufwendungen sind alle Bezahlarten verbunden. Die Bundesbank hat sich 2019 umfangreich mit den Kosten der Bargeldzahlung im Einzelhandel auseinandergesetzt. Die Erkenntnisse sind nach wie vor gültig, wie Branchenkenner bestätigen. So liegen die durchschnittlichen Gesamtkosten von Bar- und Girocard-Zahlungen dicht beieinander. Da Kassierzeiten – und damit Personalkosten – bei kleinen Unternehmen nicht ganz so ins Gewicht fallen, sind auch SEPA-Lastschriftverfahren (also Zahlungen mit Girocard und Unterschrift) attraktiv. Kleine Händler und Betriebe haben wohl Kosten zwischen 0,2 und 0,3 Prozent des Zahlbetrags, wenn der Kunde seine Rechnung per Girocard begleicht. Teurer wird es, wenn Kunden mit Kreditkarten bezahlen. Da liegen die Kosten eher beim fünf- bis zehnfachen. Hinzu kommen bei allen bargeldlosen Bezahlarten eine Transaktionsgebühr für die Nutzung des Kartenzahlgeräts von 7 bis 12 Cent pro Transaktion sowie monatliche Geräte- und Servicegebühren. Sie liegen meist im einstelligen oder geringeren zweistelligen Eurobereich pro Kartenlesegerät.

Bezahlen – auf welche Weise auch immer – kostet Geld. Vordergründig den Händler. Am Ende freilich auch den Kunden. Denn jeder gute Kaufmann wird versuchen, die Bezahlkosten in seinen Produktpreis ebenso einzukalkulieren wie die Tatsache, dass es eben den einen Bezahlweg nicht mehr gibt. Die Zukunft des Bezahlens liegt in der Vielfalt der Zahlungsmethoden. Zahlungen mit Karte und digitalen Endgeräten werden weiter zunehmen. Bargeldzahlungen aber auch nicht ganz verschwinden. Das kann man als Prognose für die nächsten Jahre wagen.

Bargeld bleibt

Alles hat Corona mithin doch nicht verändert. Die Deutschen hängen am Bargeld. Sie bezahlen damit zwar weniger. Fragt man sie jedoch, wie wichtig ihnen grundsätzlich die Möglichkeit zur Bargeldnutzung ist, dann fällt die Antwort eindeutig aus: Fast 70 Prozent der Bundesbürger ist das laut einer Untersuchung der Bundesbank vom letzten Jahr sehr oder zumindest ziemlich wichtig. Was dann auch die 100 Euro im Portemonnaie erklären würde.

Über unseren Autor

Der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promovierte Politikwissenschaftler Jürgen Gros (53) war zwei Jahrzehnte im Management verschiedener bayerischer Verbände tätig, zuletzt als Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit finanzwirtschaftlichen und mittelstandspolitischen Themen.

Dr. Jürgen Gros

 

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