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(GZ-12-2015)
Gastbeiträge
► Neuer Trend Bio-Bestattung:
 
„Urban Death Project”
 

Gastbeitrag von Stephan Jürgenliemk

Die Zeitung „Die Welt“ berichtete jüngst über den sich in Amerika herausbildenden Trend zur Kompostierung menschlicher Leichname in eigens dafür errichteten Anlagen. Das macht neugierig und lädt ein, sich mit den unterschiedlichen Bestattungskulturen in den Vereinigten Staaten und Deutschland zu beschäftigen.

Der neue Trend, den Verstorbenen nur in einem Leichentuch in Holzschnitzeln und Sägemehl zu betten und in einem aeroben Vorgang (unter maßgeblichem Einfluss von Sauerstoff) innerhalb einiger Wochen zu Kompost zersetzen zu lassen, entsteht in den Vereinigten Staaten in einem Umfeld, dessen Bestattungskultur für unsere Verständnisse von Extremen geprägt ist:

Einerseits nehmen, wie in Deutschland, die Kremationen zu, andererseits ist es nach wie vor üblich, den Leichnam vor der Bestattung mit Chemikalien zur Haltbarmachung einzubalsamieren, verbunden mit aufwändiger kosmetischer Behandlung und anschließender Aufbahrung. Offenbar äußert sich im „Urban Death Project“ („städtisches Bestattungs-Projekt“) ein wachsendes Umwelt- und Naturbewusstsein der Menschen, das das Leben bis in den Tod beeinflusst.

Der Verzicht auf Chemie und der Einsatz der Biologie sind sicher gut, aber bedarf es dazu eines dreistöckigen Kompostierungsgebäudes, mit Filteranlage und Klimatisierung? Und kann das dann noch „Bio“ sein?

Natürliche Zersetzung

Der Blick nach Deutschland gibt eine Antwort: Die hiesige Bestattungskultur vertraut seit Jahrhunderten auf die natürliche Zersetzung der Verstorbenen unter der Erde, auf Friedhöfen. Diese Tradition gibt vielen Hinterbliebenen das gute Gefühl, Abschied nehmen und loslassen zu können, und dennoch einen Ort der Trauer und der Nähe zum Verstorbenen zu haben.

Teil der Gesellschaft

Die Friedhöfe liegen dabei meist in unmittelbarer Nähe der Siedlungsgebiete der Menschen; der Tod und die Erinnerung bleiben Teil der Gesellschaft. Und wenn dann bei den zur Beisetzung verwendeten Materialien, etwa beim Sarg oder dem Blumenschmuck, auf Natürlichkeit Wert gelegt wird, findet der Verstorbene seine letzte Ruhe auch in biologisch einwandfreier Weise. Die rund 32.000 Friedhöfe in Deutschland sind unser zum Teil Jahrhunderte altes Urban Death Project, eine natürliche Bestattung, die die wesentlichsten Bedürfnisse vieler Menschen auf ideale Weise erfüllt und es deshalb verdient, „Trend“ zu sein.

 
Stephan Jürgenliemk

Der Autor des GZ-Gastbeitrages: Stephan Jürgenliemk.

SJ

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