Nicht jede Omnibuslinie kann in jeder bayerischen Kommune dieser Tage wie gewohnt in vollem Umfang bedient werden. „Und zwar wegen des Busfahrermangels“, bestätigt Wolfgang Wies aus Weiden. Er kennt Busunternehmen, die am Wochenende oder abends Leistungen kürzen müssen: „Oder Zusatzbusse, wie man sie manchmal in der Schulzeit einsetzt, fallen weg.“
Noch ist der Leiter des Unternehmens „Wies Faszinatour“, das den Stadtbusverkehr in Weiden betreut, nicht selbst betroffen. Doch es sei auch bei ihm, gibt er zu, schon öfter ziemlich knapp gewesen. Ausfälle oder Verkürzungen des Angebots hat er bisher einzig dank äußerst engagierter Mitarbeiter, darunter auch, wie er sagt, „viele Migranten“, vermeiden können.
Ausländische Fahrer sind aus dem ÖPNV nicht mehr wegzudenken. Das geht auch aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom März 2024 hervor. Demnach liegt der Anteil der „Fahrern von Fahrzeugen im Straßenverkehr“, darunter Bus- und Straßenbahnfahrer, bei knapp 40 Prozent. Für Einheimische scheint der Beruf nicht sehr unattraktiv zu sein. Was auch nachvollziehbar ist.
Der Job ist oft sehr anstrengend, gilt es doch, mal sehr früh morgens mit der Arbeit zu beginnen und dann wieder spät abends auf Arbeit zu sein. Man hat nicht immer mit freundlichen Fahrgästen zu tun. Und muss sich ständig konzentrieren, um keinen Unfall zu bauen. Viele Busfahrer empfinden ihr Gehalt auch als schlecht. Dennoch gibt es Menschen, die diesen Beruf lieben. Dank ihrer schafft es Wolfgang Wies, alle Buslinien in Weiden wie gehabt zu bedienen. Der Firmenchef motivierte Mitarbeiter, die eigentlich hätten in Rente gehen können, auf Teilzeitbasis noch ein bisschen weiterzufahren.
Sein rund 65-köpfiges Fahrerteam besteht aktuell zu zehn Prozent aus Rentnern. Solange die das Team verstärken, ist seine Situation etwas entspannter. „Doch wenn die ausscheiden, könnte es wieder problematisch werden“, so Wolfgang Wies.
Frauen als Fahrerinnen
Weil er mit den Rentnern allein das Personalproblem nicht aus der Welt schaffen konnte, bemühte sich Wolfgang Wies weiter darum, Frauen als Fahrerinnen in Teilzeit zu gewinnen. Drei Frauen erwarben daraufhin mit finanzieller Hilfe des Unternehmens den Busführerschein. Aber auch Menschen, die nach Deutschland einwanderten, helfen, den Fahrbetrieb aufrecht zu erhalten: „Wir haben eine ganze Reihe von Mitarbeitern aus dem südosteuropäischen Raum aus Syrien und dem Irak.“ Wobei Wolfgang Wies erleichtert es, dass bisher noch kein ausländischer Busfahrer in seinem Team war, der gar kein Deutsch sprach: „A1 war immer gegeben.“
Viel zu riskant
Der Busunternehmer betont, dass es schlicht und ergreifend gefährlich ist, ohne jegliche Deutschkenntnisse am Steuer eines Busses zu sitzen: „Es geht ja nicht nur darum, Fahrgäste über den Fahrplan oder den Tarif zu informieren.“ Busfahrer müssen in einem medizinischen Notfall im Bus reagieren können. Und sie müssen in der Lage sein, eine Meldung abzugeben, ist ein Unfall passiert.
Für Wolfgang Wies ist es nicht akzeptabel, einen Busfahrer ohne jede Sprachkenntnisse, ausgestattet mit Navigationsgerät und Google-Übersetzer, ans Steuer zu lassen: „Ein Mindestmaß an Kommunikation muss möglich sein.“ Dass manche Busfahrer kein Deutsch sprechen, obwohl sie ihren Führerschein in Deutschland erworben haben, mag verwundern. „Doch man kann die Theorie inzwischen in unterschiedlichen Sprachen ablegen“, sagt er.
Bewerber auf einen Busführerschein müssen zum Zeitpunkt der praktischen Fahrerlaubnisprüfung soviel Deutsch verstehen, dass sie den Anweisungen des Prüfers folgen können, erklärt dazu Vincenzo Lucà von der TÜV Süd AG in München. Grundvoraussetzung sei weiter, dass die Beschilderung im Verkehr verstanden wird. „Darüber hinaus gehende Deutschkenntnisse werden nicht von der Prüfungsrichtlinie verlangt und sind damit auch nicht Teil der Prüfung“, so der Pressesprecher.
Busfahrermangel: Ein riesiges Problem
Trotzdem Menschen mit Migrationshintergrund bereit sind, Busfahrer zu werden, bleibt der Busfahrermangel allerorten ein riesiges Problem. Und zwar seit Jahren. So ergab bereits im Oktober 2021 eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmen unter seinen Mitgliedsunternehmen, dass bei über 85 Prozent aller Busunternehmen Fahrermangel herrscht. Ein Drittel hatte bereits vor dreieinhalb Jahren Schwierigkeiten, vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. „Der Fahrpersonalmangel hat bei den privaten und mittelständischen Busbetrieben ein existenzbedrohliches Ausmaß angenommen“, heißt es in einem Positionspapier.
Dass sich Busunternehmen inzwischen derart ins Zeug legen müssen, um Fachkräfte zu gewinnen, liegt nicht zuletzt an der langwierigen Ausbildung. Im Oktober 2024 beantragten die Freien Wähler deshalb im Landtag, die Führerscheinpflichtstunden zu reduzieren. Die Staatsregierung wurde aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine Ausbildungsreform einzusetzen. Derzeit seien beim Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse D bis zu 89 praktische Pflichtstunden vorgeschrieben. Dabei seien viele Fahrer in spe bereits zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt reif für die Prüfung. Und damit bereit für einen frühen Jobeinstieg.
Teurer Führerschein
Auch Wolfgang Wies‘ Kernforderung besteht darin, die Ausbildung zu entrümpeln: „Sie dauert einfach zu lange.“ Absurd ist für ihn, dass bestimmte Inhalte sowohl in der Fahrschule als auch bei einem vierwöchigen IHK-Seminar vermittelt werden. Wer Busfahrer werden möchte, muss zunächst den Busführerschein bei einer Fahrschule bestehen. Danach gilt es, die „Grundqualifikation für Personenverkehr“ zu absolvieren. Diese Doppelstruktur mache den Führerschein so teuer: „In Österreich kostet er nur die Hälfte.“ Insgesamt betrachtet, seien die Probleme rund um den ÖPNV riesig. Und eine Mobilitätswende in weiter Ferne.
Während die Politik in Sachen Mobilität nach außen hin einen Umdenkprozess in Gang setzen will, verhindert sie nach Ansicht von Wolfgang Wies durch verschiedene Entscheidungen selbst, dass die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich umdenken. Und das Auto stehen lassen. „Was wir in den letzten Jahren erlebt haben, war alles andere als hilfreich“, sagt er. Ihm ist vor allem das „Deutschlandticket“ ein Dorn im Auge: „Hier hat man den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.“ Das „Deutschlandticket“ funktioniere hervorragend in Berlin, Würzburg, Nürnberg oder München: „Überall, wo es ein gutes Netz gibt.“ Gibt es dieses gute ÖPNV-Netz nicht, nütze auch das Ticket nichts.
Letztlich kam es nach seiner Ansicht durch das „Deutschlandticket“ zu einer weiteren Benachteiligung des ländlichen Raums. 1,5 Milliarden Euro lässt sich der Bund das Ticket pro Jahr kosten, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben auszugleichen: „Dieses Geld hätte man anders sinnvoller einsetzen können.“ Gerade in ländlichen Regionen reichten die Mittel hinten und vorne nicht mehr aus, den Landkreisen stehe das Wasser, finanziell gesehen, bis zum Hals.
Technik statt Menschen
Was den Busfahrermangel anbelangt, ist die Situation in Baden-Württemberg, Hessen oder Thüringen genauso schwierig wie in Bayern. Überall wird versucht, an Lösungen zu arbeiten. Nicht zuletzt, was die Problematik des mangelnden Sprachverständnisses vieler Busfahrer betrifft. In etlichen Regionen ist es für blinde Menschen ein Problem, dass sie den Busfahrer oft nicht mehr fragen können, um welche Linie es sich handelt. Die Donau-Iller-Nahverkehrsverbund-GmbH bietet nicht zuletzt deshalb eine Dynamische Fahrgastinformation an. Über einen Anforderungstaster erfahren Blinde und Sehbehinderte, welcher Bus wann genau als Nächstes kommt.
An mehr Technik wird vermutlich kein Weg vorbeigehen, meint auch Günter Winter von den Stadtwerken in Straubing. Hier ist man gerade dabei, einfach zu bedienende Ticketautomaten direkt in die Fahrzeuge zu integrieren. Jeder Fahrgast soll damit das optimale Ticket erhalten. Der Busfahrer wird vom Ticketverkauf entlastet.
Allerdings kann man am Automaten nicht mehr cash bezahlen. Was für Bürger, die sich gegen die Gefahr einer schleichenden Abschaffung des Bargelds einsetzen, als großer Nachteil angesehen wird. Prinzipiell, das sieht auch Günter Winter so, ist es von Nachteil, dass Technik, bedingt durch Personalmangel, Zeit- und Ressourcenknappheit, mehr und mehr den Menschen ersetzt.
Pat Christ
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