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(GZ-8-2024 - 18. April)
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► Bericht des Bundesrechnungshofs zum Stand der Energiewende:

 

Umsteuern dringend erforderlich

 

Harsche Kritik an der Bundesregierung und deren Arbeit am „Generationenprojekt Energiewende“ hat der Bundesrechnungshof geübt. In einem kürzlich veröffentlichten Sonderbericht weisen die Kassenprüfer darauf hin, dass Deutschland zwar sehr ambitionierte Ziele verfolge, das Vorhaben jedoch nicht auf Kurs sei und die Regierung ihren Zielen hinterherhinke. Nötig sei daher eine umgehende Reaktion, um eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Stromversorgung zu gewährleisten. Nach Ansicht von BRH-Präsident Kay Scheller „hätte ein Scheitern gravierende Folgen, denn der Erfolg der Energiewende ist zentral für ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, den Wirtschaftsstandort Deutschland und das Erreichen der Klimaschutzziele“.

Die vorgesehene Transformation ziele auf eine grundlegende Umstellung der Energieversorgung in Deutschland, auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz ab. Doch aktuell sehen die Haushaltsexperten die sichere Versorgung mit zudem vergleichsweise teurem Strom gefährdet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) müsse die erneuerbaren Energien entsprechend den gesetzlich festgelegten Zielpfaden ausbauen. Allerdings ist laut BRH absehbar, dass die Ausbauziele nicht erreicht werden: „So konnte die Bundesnetzagentur (BNetzA) im Jahr 2023 lediglich 50 Prozent des Zielvolumens für Windenergieanlagen an Land vergeben: statt 12,84 GW nur 6,38 GW. Um den Zielpfad zu erreichen, müsste sie im Jahr 2024 nunmehr 16,46 GW vergeben. Das ist nicht realistisch.“

Rückstand beim Netzausbau: 7 Jahre und 6.000 km

Die Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windanlagen unterliege Schwankungen, so dass es zu Versorgungslücken kommen könne. Deshalb sei der Zubau ausreichender gesicherter, steuerbarer Backup-Kapazitäten bis zum Jahr 2030 von zentraler Bedeutung. Diesen müsse das BMWK gewährleisten. „Mit der Kraftwerksstrategie 2026 wird ihm das aber nicht gelingen, denn die darin vorgesehenen 10 GW H2-ready-Gaskraftwerke werden nicht ausreichen. Auch die Ausgestaltung eines zusätzlich geplanten Kapazitätsmechanismus für weitere Leistung ist noch offen. So ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind“, unterstreicht der Rechnungshof. Zudem sei ein erheblicher Ausbau der Stromnetze nötig. „Der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 Kilometer.“

Wirklichkeitsfremde Bundesnetzagentur

Gleichzeitig werden die Annahmen der Bundesregierung beim Monitoring der Versorgungssicherheit als „wirklichkeitsfremd“ bewertet. In ihrem Monitoringbericht für die Jahre 2025 bis 2031 betrachte die Bundesnetzagentur lediglich ein „Best-Case“-Szenario, wonach die Ausbauziele sicher erreicht werden. Alternative Szenarien würden nicht miteinbezogen, obwohl der Ausbau weder bei den erneuerbaren Energien noch den Stromnetzen auf Kurs sei. „Das Szenario ist sehr unwahrscheinlich. Es weicht von den tatsächlichen Entwicklungen erheblich ab“, betonte Präsident Scheller. „So nimmt das BMWK hin, dass Gefahren für die sichere Versorgung mit Strom nicht rechtzeitig sichtbar und Handlungsbedarfe zu spät erkannt werden. Der Zweck des Monitorings als Frühwarnsystem zur Identifizierung solcher Handlungsbedarfe wird faktisch ausgehebelt.“

Hohe Strompreise stellten ein erhebliches Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Akzeptanz der Energiewende dar. Die Preise für Strom seien hierzulande kontinuierlich gestiegen und zählten zu den höchsten in der EU.

Weitere Preissteigerungen seien absehbar. Bis 2045 fielen allein für den Ausbau der Stromnetze massive Investitionskosten von mehr als 460 Mrd. Euro an. Das BMWK berücksichtige diese Systemkosten bisher nicht bei seiner Darstellung der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien. Um den sehr hohen Strompreisen entgegenzuwirken, habe die Bundesregierung diese wiederholt mit staatlichen Mitteln punktuell bezuschusst. „Dadurch entsteht ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten der Transformation“, macht Scheller deutlich.

Aus seiner Sicht muss die Bundesregierung die Systemkosten der Energiewende klar benennen. Darüber hinaus sollte sie endlich bestimmen, was sie unter einer bezahlbaren Stromversorgung versteht. Die von ihr geregelten Strompreisbestandteile muss sie konsequent auf ihre energiepolitischen Ziele ausrichten.

Relativierung des BDEW

Nach Auffassung von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sei die Kritik in einzelnen Punkten zwar berechtigt, jedoch schieße der Bundesrechnungshof mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus. Es seien sehr wohl Energiewende-Fortschritte sichtbar: „Die Bedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich haben sich deutlich verbessert. Im vergangenen Jahr hatten Erneuerbare Energien erstmals einen Anteil von über 50 Prozent an der Stromversorgung Deutschlands. Auch beim Stromnetzausbau gibt es erkennbare Fortschritte. Es ist klar, dass es weitere Vereinfachungen bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren geben muss. Dies fordert die Energiebranche mit Nachdruck ein. Dazu gehört auch, die Unternehmen endlich von Bürokratie zu entlasten. Der BDEW hat hierzu eine Reihe sehr konkreter Vorschläge gemacht.“

Eine „Versorgungslücke“ im Stromsystem, wie sie der Bundesrechnungshof befürchtet, sehe der BDEW nicht, betonte Andreae. „Die Bundesregierung muss aber jetzt Tempo machen, um den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu ermöglichen. Denn das ist eine von mehreren zentralen Grundvoraussetzungen dafür, dass die Bundesregierung ihr Ziel eines vorgezogenen Kohleausstiegs erreicht. Die Gefahr bei einem verzögerten Ausbau von wasserstofffähigen Kraftwerken liegt nicht in einer Gefährdung der sicheren Stromversorgung, sondern in einer Gefährdung des vorgezogenen Kohleausstiegs. Ohne Zubau wird dies nicht möglich sein.“

Rolle der KWK bedenken

„Aus unserer Sicht muss die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) im Hinblick auf die Kraftwerksplanung und gesicherte Erzeugungskapazitäten bedacht werden – gerade auch deshalb, weil 10 Gigawatt gesicherte Leistung tatsächlich zu wenig sind“, fuhr Andreae fort. Die KWK leiste neben der Stromerzeugung ebenso einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit wärmeseitig – und darüber hinaus auch zur Absicherung der Wärmewende. Mit einer Weiterentwicklung des KWK-Gesetzes über das Jahr 2026 hinaus und hin zu klimaneutralen Brennstoffen wie Wasserstoff könne die Kraft-Wärme-Kopplung die Kraftwerksstrategie zum Aufbau von steuerbarer Erzeugungskapazität und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Bereich Strom und Wärme flankieren.

DK

 

 

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