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(GZ-13-2023 - 6. Juli)
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► 25. Internationaler bvse-Altkunststofftag in Dresden:

 

Kunststoffrecycling in Bedrängnis

 

Alles spricht zwar von der Bedeutung der Kreislaufwirtschaft, aber wenn es zum Schwur kommt, zählt nur das billigste Angebot. Eine Erfahrung, die viele Kunststoffrecycler momentan wieder machen. Billige Neuware mit großem CO2-Rucksack verdrängt die klimafreundlichen Recyclate. Genug Gesprächsstoff für den Internationalen bvse-Altkunststofftag in Dresden, der heuer zum 25. Mal stattfand.

Dr. Dirk Textor. Bild: bvse
Dr. Dirk Textor. Bild: bvse

Aus der Perspektive der Forschung beschrieb Prof. Dr. rer. nat. Rainer Dahlmann vom Institut für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen Anforderungen an das Kunststoffrecycling. Um Mengen, Märkte und Preise ging es auf einer Podiumsdiskussion unter Leitung von bvse-Experte Dr. habil. Thomas Probst. Im Anschluss spielte die Novellierung der europäischen Verpackungsverordnung unter der Moderation von Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V., die Hauptrolle. Am zweiten Veranstaltungstag konnten die 360 Teilnehmer schließlich entweder an der Sitzung der AG Internationale Kunststoffmärkte zur „Internationalen Abfallverbringung“ teilnehmen oder aber den Workshop „Interdisziplinärer Dialog: Produktgestaltung Verpackungen“ besuchen.

Eingeschränkte Produktion

In Dresden wurde deutlich: „Der Markt für Altkunststoffe und Recyclate steckt in einer tiefen Krise. Die Nachfrage ist niedrig, die Produktion wird eingeschränkt oder stillgelegt und der Lagerbestand wächst stetig“, betonte Dr. Dirk Textor, Vorsitzender des bvse-Fachverband Kunststoffrecycling beim Pressegespräch. Er berichtete von einem brutalen Preiskampf, der zwischen Neuware und Kunststoffrecyclaten tobt. Derzeit verdränge die billige Neuware die Recyclate auf allen Ebenen. Der Absatz von Mahlgütern, Regranulaten und Compounds stockt. Textor: „Die Kunststoffrecycler laufen im Input mit Verarbeitungsware voll und finden für ihre Produkte im Warenausgang keine Abnehmer.“

Eine Besserung dieser fatalen Situation sei derzeit nicht in Sicht. Man befürchtet, dass der dauerhafte wirtschaftliche Betrieb der Recyclinganlagen kaum noch möglich ist. Dabei verwies der Fachverbandschef auch auf die kürzlich erfolgten Werksschließungen, wie zum Beispiel der Veolia PET Germany in Rostock oder der FVH-Folienveredelung in Schwerin. „Wir sehen eine bedrohliche Situation, die das gesamte Recycling gefährdet.“

Preisverfall der Neuware

Textor erklärte, dass Recyclinganlagen kontinuierlich betrieben werden müssten, um die benötigten Mengen in geeigneten Qualitäten darstellen zu können. Man dürfe nicht annehmen, dass einmal stillgelegte Anlagen innerhalb kurzer Zeit wieder hochgefahren werden können. Eine ganze Reihe von Gründen führe zu der gegenwärtig schwierigen Situation. Hier nannte Textor insbesondere den Preisverfall der Neuware. Diesen Preisverfall könnten die Recyclathersteller aufgrund der höheren Prozesskosten nicht mitgehen. Hohe Kosten für Energie und Transport, gestiegene Löhne und Nebenkosten, wie Versicherungen, Wartung, Ersatzteile, Maschinen und Anlagen, seien in dieser Situation kaum mehr zu verkraften.

Hauptverantwortlich für die Misere ist jedoch ein anderer Grund. Textor zufolge „setzen die Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie auf billige Neuware mit großem CO2-Rucksack und pfeifen auf die klimafreundlichen Recyclate. Wir erwarten daher, dass sich alle Beteiligten der Kunststoffkette endlich ihrer Verantwortung stellen. Hier sind in erster Linie die Kunststoffverarbeiter, Verpacker und Inverkehrbringer in der Pflicht.“

Recyclate seien ein integraler Bestandteil der Kunststoffherstellung und der Kunststoffverarbeitung. Die kunststoffverarbeitenden Unternehmen sollten aus purem Eigeninteresse sehr genau ihr derzeitiges Marktverhalten überprüfen und sich schleunigst auf den Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz machen, forderte der Fachverbandsvorsitzende eindringlich.

In seiner Eröffnungsrede hatte bereits bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock deutlich gemacht, dass es ein „kapitaler Fehler“ sei, wenn die kunststoffverarbeitende Industrie billige Neuware mit großem CO2-Rucksack einsetze und klimafreundliche Recyclate ausliste.

Gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern erarbeite das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (kurz NKWS) mit den Handlungsfeldern Fahrzeuge und Batterien, Metalle, Gebäude, IKT und Elektrogeräte, Zirkuläre Produktionsprozesse, Bekleidung und Textilien, Öffentliche Beschaffung sowie Kunststoffe. Der bvse sei in allen Handlungsfeldern aktiv eingebunden, und versuche alles, um Hemmnisse in den einzelnen Stoffströmen der Kreislaufwirtschaft aufzuzeigen und Lösungen zu erarbeiten, die ein Fundament für eine echte Kreislaufwirtschaft darstellen können, berichtete Rehbock.

Umdenken erforderlich

Es bleibe zu hoffen, „dass die Ergebnisse der NKWS dazu führen, dass unter anderem eine Situation, wie wir sie jetzt gerade wieder erleben, dass die klimafreundlichen Recyclate wieder aus dem Markt verdrängt werden, endlich der Vergangenheit angehören“, erklärte der CEO. Es müsse ein Umdenken erfolgen und den vielen Worten in Kampagnen und Sonntagsreden müssten jetzt endlich Taten folgen. Rehbock: „Ich warne ausdrücklich davor, diese Lage nicht ernst zu nehmen. Die Unternehmen der Recyclingbranche mussten schon ihre Kapazitäten herunterfahren. Standorte werden geschlossen. Wenn einmal das Licht aus ist, wird es fast unmöglich sein, diese Recyclingkapazitäten in Deutschland wieder zu aktivieren.“ Der Abschluss der Beratungen zur NKWS ist für Mitte 2024 vorgesehen.

DK

 

 

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