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(GZ-7-2023)
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► Wert der Ware Altpapier:

 

Internationaler bvse-Altpapiertag in Stuttgart

 

Das internationale Altpapier-Marktgeschehen, Gefahren der Cyberkriminalität im internationalen Handelsgeschäft, aber auch Chancen für die Altpapierbranche standen im Mittelpunkt des 25. Internationalen bvse-Altpapiertags in Stuttgart. Vor über 500 Teilnehmern vermittelten Fachexperten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Behörden und Verbänden ihre Perspektive und Lösungsansätze zu den brennenden Themen der Branche.

Die vorwiegend mittelständisch geprägte Altpapierbranche leidet als energieintensive Branche unter den immens gestiegenen Energiekosten. Energie muss wieder bezahlbar werden, um drohende wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden abzuwenden, forderte bvse-Präsident Henry Forster in seiner Begrüßungsrede.

„Der Mittelstand, zu dem auch der Großteil der deutschen Recycling- und Entsorgungswirtschaft zählt, ist unbestritten eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Lieferketten-, Fachkräfte- und Klimaprobleme sind nur einige Herausforderungen, vor denen unsere Branche derzeit steht. Wir müssen Gas geben und werden Lösungen finden, allerdings brauchen wir vor allem eine verlässliche Politik, die sich um das derzeitige Hauptproblem unserer Branche und des Mittelstandes kümmert: Wir müssen Energie bezahlbar machen!“, erklärte Forster.

„Der Mittelstand und insbesondere die Entsorgungswirtschaft ist in der Region vernetzt und kann seine Aktivitäten nicht ‚mal schnell‘ ins Ausland verlegen, weil dort niedrigere Energiepreise locken“, hob der Präsident hervor und machte mit einem Beispiel auf die prekäre Situation der Unternehmen aufmerksam: „Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern produziert ca. zweieinhalbmal mehr Energie als es selbst verbraucht, hat aber mit die höchsten Netzentgelte und Stromkosten in Deutschland. Dies ist absurd und schadet nicht nur der Bevölkerung, sondern auch der Industrie und dem Handwerk.“ Die Unternehmen des Mittelstandes müssten hier zusammenstehen, aber vor allem sei die Politik gefragt, sich dieses Problems dringend anzunehmen, lautete Forsters nachdrücklicher Appell.

Werner Steingaß, Vorsitzender des Fachverbandes Papierrecycling und Vizepräsident des bvse-Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung, betonte, dass die Altpapierbranche die dreijährige Dauerkrise bewältigt habe. Er erläuterte, dass die konjunkturbedingten Schwierigkeiten der Papierbranche zu einem zeitweise erheblichen Aufbau der Lagerbestände geführt hätten. In dieser schwierigen Gemengelage habe sich der Altpapier-Export wieder einmal als unverzichtbares Ventil erwiesen. „Ohne dieses Ventil der Marktentlastung hätte diese Krise nicht bewältigt werden können, denn wir sind in Europa nach wie vor Nettoexporteur von Altpapier in Höhe von rund 6 Millionen Tonnen pro Jahr“, stellte Steingaß fest. Der Vizepräsident machte deutlich, dass Exporte von qualitativ behandelten, normierten Rohstoffen aus dem Recycling ein unerlässliches Regulativ für die Funktionalität der innereuropäischen Märkte seien.

„Verstopfte Märkte, wie im letzten halben Jahr, führen ohne einen funktionierenden Export zum Verlust des Wertes der Ware Altpapier und das können wir uns nicht leisten. Die Erfassung, Aufbereitung und zielgerichtete Vermarktung von Altpapier kostet Geld und das muss über den Wert der Ware kompensiert werden. Über die Gefahr reduzierter oder gar wegfallender Einnahmequellen auch für die Kommunen wollen wir gar nicht reden. Wenn wir es zulassen, dass durch verstopfte Märkte, auch wenn es kurzzeitig ist, der Wert der Ware die Kosten nicht mehr deckt, dann gehen Teile dieses wertvollen Rohstoffs Altpapier der Wertschöpfungskette verloren, teilweise auch unwiederbringlich verloren“, so Steingaß.

Vom Wert der Ware Altpapier

Nach seinen Worten habe Deutschland die besten Erfassungssysteme mit der besten Qualität, so dass die deutschen Papierfabriken eine Spitzen-Altpapiereinsatzquote von 79 Prozent vorweisen könnten. Um all dies zu erhalten, dürfe der Wert der Ware Altpapier auch in schwierigen Zeiten nicht verloren gehen. Dies gelinge auf Dauer nur über einen freien, funktionierenden Weltmarkt und nicht durch Abschottung und Abgrenzung.

Aus Steingaß‘ Sicht entwickelt sich die Novelle der EU-Abfallverbringungsverordnung aber „genau in diese Richtung“ der Einschränkung und Behinderung. „Man muss es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Politik greift – ohne zu unterscheiden zwischen qualitativ aufbereiteten Verwertungsabfällen einerseits und unbehandelten Abfällen andererseits – massiv in funktionierende Märkte von Sekundärrohstoffen ein. Der bvse sieht daher die erfolgreiche Arbeit der Branche massiv gefährdet durch die drohende Behinderung des freien Welthandels mit aufbereitetem Altpapier.“ Umso wichtiger sei es, das Thema „Ende der Abfalleigenschaft für Altpapier“ voranzutreiben, konstatierte der Fachverbandsvorsitzende. Würden bestimmte qualitative Kriterien erfüllt, könne Altpapier das Ende der Abfalleigenschaft erreichen. Dies entspreche bereits der gängigen Rechtsauffassung und Umsetzung in Spanien, Italien, Frankreich und der Wallonie sowie in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Nach Ansicht des bvse ist es deshalb längst überfällig, dass der Gesetzgeber dies in Deutschland bundesweit anerkennt. Mit Blick auf die EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle begrüße der bvse grundsätzlich die Ziele dieses Entwurfes, darunter die Stärkung des Verpackungsrecyclings auf dem Weg zu mehr Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit, führte Steingaß aus. Allerdings lehne der bvse-Fachverband Papierrecycling die generelle Vorgabe zum verbindlichen Einsatz wiederverwendbarer Verpackungen ab.

„Der dabei pauschal unterstellte Vorteil einer Mehrwegverpackung ist nicht belegt. Im Gegenteil: Der Aufbau notwendiger Rücknahmesysteme für Verpackungen aus PPK brächte deutlich mehr negative als positive Effekte mit sich. Das erfolgreiche, höchst effiziente Recyclingsystem von PPK-Verpackungen – also die Wiederverwertung statt Wiederverwendung – würde nachhaltig Schaden nehmen und getreu dem Motto: ‚never change a running system‘ sollte hieran nichts geändert werden“, hob Steingaß hervor. Der Mehrwert bei PPK bestehe gerade darin, dass der Faseranteil in den bereits bestehenden Recyclingsystemen ökologisch vorteilhaft und effizient genutzt wird. Gerade bei PPK seien daher alle Anforderungen an Mehrweglösungen überflüssig. Auch die Dekarbonisierung sei für die Altpapierbranche ein wichtiges Thema. Mit etwa einer Milliarde Tonnen CO2-Einsparpotenzial trage das Altpapierrecycling erheblich zu den internationalen Bemühungen der Bekämpfung der Klimakrise und dem politischen Willen nach „Grünen Lösungen“ bei. „Durch Recycling schonen wir primäre Ressourcen und leisten so unseren erheblichen Beitrag zum Naturschutz und zur Artenvielfalt. Die Recyclingwirtschaft ist Teil der Lösung für mehr Klimaschutz“, stellte der Vizepräsident fest. Der bvse, so berichtete er, habe sich zusammen mit dem TÜV Süd dem Thema Dekarbonisierung, konkret der Sichtbarmachung von CO2-Reduktion bei der Erfassung und Aufbereitung von Sekundärrohstoffen wie Altpapier, gewidmet. Über einen standardisierten Prozessablauf könnten der CO2-Rucksack und auch CO2-Kennzahlen in der Erfassung und Aufbereitung von Altpapier ermittelt werden. „Der Vorteil dieser Feststellung besteht darin, die eigenen Werte und das Einsparpotenzial zu erkennen und hieraus auch gezielt in Energieeffizienz investieren zu können. Auch hier gilt es, die Nase vorne zu haben. Hier wollen wir mit der Unterstützung unserer Mitgliedsunternehmen auch unseren Beitrag zur CO2-Reduktion leisten“, so Steingaß abschließend.

DK

 

 

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