Fachthemazurück

(GZ-21-2022)
gz fachthema

► Mehr als ein forstlicher Klassiker:

 

Karl Gayer und die Eiche

Das Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan widmete im Oktober dem genialen Vordenker anlässlich seines 200. Geburtstags in Aschaffenburg eine wissenschaftliche Fachtagung

Der Geburtstag dieses wegweisenden Vordenkers für Nachhaltigkeit und naturnahe Waldbewirtschaftung jährte sich am 15. Oktober 2022 zum 200. Mal. Rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten im Schloss Johannisburg die Vorträge, die das Leben und Wirken Gayers näher beleuchteten. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Eiche gerichtet, die an vielen Orten als die Zukunftsbaumart in unseren Wäldern gilt.

V.l.: Dr. Joachim Hamberger (AK Forstgeschichte), Prof. Dr. Thomas Knoke (TUM), Prof. Dr. Klaus Richter (TUM, Leiter des ZWFH), Prof. Dr. Manfred Schölch (ANW), Dr. Peter Pröbstle (LWF), Peter Gayer, Prof. Dr. Volker Zahner (HSWT), Constanze Gayer, Dr. Sebastian Höllerl (BaySF), Georg Josef Wilhelm (Landesforsten Rheinland-Pfalz), Enno Uhl (TUM), Prof. Dr. Reinhard Mosandl (Karl Gayer Institut), Dr. Ralf Straußberger (BUND). Bild:C.Josten, ZWEH
V.l.: Dr. Joachim Hamberger (AK Forstgeschichte), Prof. Dr. Thomas Knoke (TUM), Prof. Dr. Klaus Richter (TUM, Leiter des ZWFH), Prof. Dr. Manfred Schölch (ANW), Dr. Peter Pröbstle (LWF), Peter Gayer, Prof. Dr. Volker Zahner (HSWT), Constanze Gayer, Dr. Sebastian Höllerl (BaySF), Georg Josef Wilhelm (Landesforsten Rheinland-Pfalz), Enno Uhl (TUM), Prof. Dr. Reinhard Mosandl (Karl Gayer Institut), Dr. Ralf Straußberger (BUND). Bild:C.Josten, ZWEH

Karl Gayer, geboren am 15. Oktober 1822, musste nach seiner Gymnasialzeit in Speyer sein am Polytechnikum München begonnenes Studium der Architektur und Mathematik abrechen. Da er bereits im Alter von 12 Jahren Vollwaise geworden war, reichten seine finanziellen Mittel hierfür nicht aus. Er kehrte in die Pfalz zurück, um als Forstgehilfe zu arbeiten. Rasch stieg er zum Revierförster auf und wurde schon im Alter von 33 Jahren Professor für Forstwissenschaft an der Königlich- Bayerischen Nationalen Forst- Lehranstalt in Aschaffenburg, einer Ausbildungsstätte für Forstbeamte des Königreiches Bayern. Im Jahr 1878 kam Gayer mit der Verlegung eines ersten Teils der Aschaffenburger Forst- Lehranstalt an die Universität München, wo er später sogar zum Rektor ernannt werden sollte.

„Nur ein gemischter und naturnah bewirtschafteter Wald wird die Herausforderungen der Klimakrise meistern und unser bedeutendster Klimaschützer bleiben“, so Staatsministerin Michaela Kaniber in einem Grußwort und führte fort: „Zur Gemeinsamkeit der Person Karl Gayer und der Baumart Eiche fällt mir zuerst die Standhaftigkeit ein“. Karl Gayer hat sich nicht von der damaligen Strömung, dem Wald einen maximalen Ertrag abgewinnen zu wollen, mitreißen lassen. Als Professor in Aschaffenburg brachte er seine Lehre des gemischten Waldes den Studenten nahe und hielt seine Erkenntnis in bekannten Büchern fest. „Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft noch eine weitere Gemeinsamkeit hinzukommt – ein großes Verbreitungsgebiet. Denn gerade in Zeiten des Klimawandels ist die Lehre vom gemischten Wald als Basis für die multifunktionale Forstwirtschaft aktueller und wichtiger denn je. Nur ein gemischter und naturnah bewirtschafteter Wald wird die Herausforderungen der Klimakrise meistern und unser bedeutendster Klimaschützer bleiben“, so Kaniber.

Ein forstwissenschaftlicher Gigant

Dr. Joachim Hamberger, Leiter des Amtes für Waldgenetik und Moderator des Arbeitskreises Forstgeschichte in Bayern unterstrich im ersten Vortrag den visionären Blick Karl Gayers. Die Begriffe Ökologie und Biodiversität gab es zur damaligen Zeit noch nicht, Karl Gayer habe trotzdem in diesen Kategorien gedacht. Indem er die Vorteile von Mischwäldern und natürlicher Verjüngung für die Bewahrung der Standortqualität unterstrich, erweiterte er den forstlichen Begriff von Nachhaltigkeit erstmals um eine ökologische Dimension. „Ohne Karl Gayer sind die naturnahe und die naturgemäße Waldwirtschaft nicht denkbar“, so Hamberger. Gayer begründete noch heute geltende Grundsätze der Forstleute – auf der Grundlage des Standorts kleinräumig zu arbeiten und Licht- und Schattenverhältnisse gezielt zur Waldpflege einzusetzen. Hambergers Fazit: „Karl Gayer war mehr als ein forstlicher Klassiker, er war ein „Gigant“.

In den weiteren Vorträgen befassten sich Forstwissenschaftler mit Karl Gayers „Eichenzucht“ im Kontext neuerer waldbaulicher Forschung, der Dynamik der Eichenverjüngung sowie der Ökonomie des Gayerschen Waldbaus. Prof. Dr. Reinhard Mosandl, Vorsitzender der Stiftung Karl Gayer Institut für Waldbau forderte als Konsequenz seines Vortrages eine Eichenpflegeinitiative und ein Eichennachzuchtprogramm, um die vorhandenen Eichen zu erhalten und den Anteil der Eichen in den bayerischen Wäldern gezielt zu erhöhen. Der Waldwachstumskundler Enno Uhl von der Technischen Universität München (TUM) zeigte welche Erkenntnisse zur waldbaulichen Behandlung von Eichen aus langfristigen Versuchs- und Beobachtungsflächen gezogen werden sollten und wies auf den umfangreichen kürzlich erschienenen Forschungsbericht zur Eiche hin.

Prof. Dr. Thomas Knoke (TUM) erklärte, dass die meisten Prinzipien der Waldbewirtschaftung Gayers auch heute noch zukunftsweisend sind, da sie zu höherer Resistenz und Resilienz der Bestände führen. Klimawandelbedingt werden aber in Zukunft mehr Lichtbaumarten gebraucht, die es im Gayerschen Waldbau schwer haben.

Die Eiche als Zukunftsbaumart

Unter den heimischen Baumarten verfügen die Eichenarten (Quercus sp.) über Eigenschaften, die sie als einen wichtigen Bestandteil künftiger Wälder prädestinieren. Die Eichenarten sind besonders trockenresistent und haben ein tiefreichendes Wurzelsystem, mit dem sie die mechanische Bestandsstabilität gegenüber Wind und Sturm erhöhen können.

Dr. Peter Pröbstle, Leiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft zeigte anhand verschiedener Instrumente und Forschungsprojekte der Bayerischen Forstverwaltung, dass sich das Anbaurisiko für Stiel- und Traubeneiche im zukünftig erwarteten Klima auf vielen Standorten nicht verschlechtert. Die Eichenarten können bei wärmerem Klima vielmehr auch in höher gelegenen Gebieten mit geringerem Risiko als bisher angebaut werden.

„Unsere heimischen Eichenarten sind zwei wichtige Bausteine für die Klimaanpassung unserer Wälder. Aber die beiden Eichen sind nur zwei von vielen Baumarten, die wir im Klimawandel brauchen. Noch wichtiger als die Klimaanpassung der Wälder ist jedoch der Klimaschutz an sich, also die schnellstmögliche Reduktion fossiler Energieträger!“ betonte Pröbstle.

Dr. Sebastian Höllerl, Teilbereichsleiter Waldbau beim größten Forstbetrieb Deutschlands, den Bayerischen Staatsforsten, betonte wie wichtig die Eiche angesichts des Klimawandels ist. Für die in den bayerischen Staatswäldern geplante Erhöhung des Eichenanteils in Eichenmischbeständen ist eine gezielte und aktive Förderung der Eiche notwendig. Das Bundesland mit dem höchsten Eichenanteil ist Rheinland-Pfalz. Ministerialrat Georg Josef Wilhelm erklärte in seiner Funktion als oberster rheinland-pfälzischer Waldbauer wie die Eiche als wichtigste Mischbaumart dort erfolgreich naturnah bewirtschaftet wird.

Naturschutz und Naturgemäße Waldwirtschaft

In seiner Funktion als Wald- und Jagdreferent beim BUND Naturschutz in Bayern zitierte Dr. Ralf Straußberger Karl Gayer mit dem Satz: „Der Waldbau ist Sache des Lokalbeamten“ und kritisierte den massiven Stellenabbau seit 2005. Neben dem fehlenden Personal hob er auch den vielerorts zu hohen Schalenwildverbiss als Hemmnis für den Aufwuchs junger Eichen hervor und stellte großflächige und mechanisierte Bewirtschaftungskonzepte zur Eichenverjüngung in Frage, die nach seiner Meinung dringend angepasst werden sollten.

Prof. Dr. Manfred Schölch beleuchtete Schnittmengen und Differenzen zwischen dem Gayerschen Waldbau und den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW), deren bayerischer Landesvorsitzender er ist. In die Schnittmenge fallen die Bedeutung der Humus- und Bodenpflege sowie der Erhalt der Bodenfeuchte, die für Gayer von elementarer Wichtigkeit waren. Als Fazit stellte Schölch fest: „Die ANW praktiziert seine Gedanken, erweitert um Elemente der Biodiversität und Schalenwildregulation.“

Forstliche Ausbildung

Prof. Dr. Volker Zahner von der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf unterstrich die Bedeutung der digitalen Kompetenz und des Lernens am konkreten Anschauungsobjekt Wald auf wissenschaftlicher Basis. Für die Studierenden wünscht er sich, dass sie den Wald lesen lernen – ähnlich wie es Karl Gayer einst vorgemacht hat. Zahner fordert auch, dass Wälder in erster Linie als Ökosysteme begriffen werden müssen. Ein Zitat Gayers kann als heute noch gültige Botschaft gewertet werden: „In der Harmonie aller im Walde wirkenden Kräfte liegt das Rätsel der Produktion“.

„Eichensaat und Eichenwirtschaft im Spessart“

Seit über 200 Jahren ziehen, immer wenn es eine Eichenmast gibt, insbesondere die Spessarter Frauen mit ihren Kindern in die Wälder, um Eicheln zu sammeln. Mit diesen können dann neue Eichenkulturen angelegt werden. 2020 wurde diese Tradition in die Landesliste des immateriellen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen.

Mit finanzieller Unterstützung durch den Förderverein des Zentrums Wald-Forst-Holz Weihenstephan haben der Filmemacher und Video-Künstler Paul Rohlfs und Joachim Hamberger einen Dokumentarfilm über die Eichen im Spessart produziert. Der Film zeigt die Arbeit und Leidenschaft der mit der Eiche verbundenen Menschen und diskutiert die Gegenwart und Zukunft der Eiche im Rahmen der sich verändernden klimatischen Bedingungen. Als Schlusspunkt des ersten Veranstaltungstages wurde der Film mit großem Applaus von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung aufgenommen.

Exkursion: „Auf den Spuren von Karl Gayer“

Getreu dem Gayerschen Motto den Wald lesen und sehen zu lernen führten am zweiten Tag der Veranstaltung Forstdirektor Wolfgang Grimm und Lukas Nitzl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt mehr als 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Strietwald, den ehemaligen Hochschulwald der Stadt Aschaffenburg. Während der etwa dreistündigen Wanderung wurden neben der Geschichte des Waldes insbesondere die Folgen des Klimawandels für den Wald diskutiert und an Beispielen gezeigt. Der traurige Anblick aufgrund von Trockenheit abgestorbener Buchen und die daraus resultierenden Folgen für den Wald und dessen Bewirtschaftung waren ebenso Thema wie alternative Baumarten, die den neuen klimatischen Anforderungen besser gerecht werden können.

Zu Beginn der Tagung hatte bereits der Leiter des Zentrums Wald-Forst-Holz und Moderator Prof. Dr. Klaus Richter von der TUM darauf hingewiesen, dass es nicht viele Menschen gibt, für die zum 200. Geburtstag solch eine Feier ausgerichtet wird. Besonders sei auch, dass mit der Urururenkelin Constanze Gayer und deren Vater, Ururenkel Peter Gayer auch noch Familienangehörige des Jubilars dabei waren. Die Bedeutung Karl Gayers für die Forstwissenschaft und die große Sorge um die Zukunft des Waldes zeigte ebenfalls, dass nicht nur viele aktive und pensionierte Forstleute, sondern auch viele junge Forstleute in Ausbildung zum ehemaligen Forsthochschulstandort Aschaffenburg gekommen sind.

Bis eine Eiche reift braucht es meist mehr als 10 Menschengenerationen. Die Veranstaltung richtete den Blick auf die Leistungen des großen Forstmannes Karl Gayer, aber auch in die Zukunft mit ihren großen Aufgaben für die heutige und kommende Generationen.

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?

Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Fachthema

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung