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(GZ-11-2022)
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► Fortbestand bedroht:

 

Wasserkraft darf nicht unter die Räder kommen

„Osterpaket“ der Bundesregierung bedroht 4.000 kleine Anlagen in Bayern

Die Pläne der Bundesregierung für den Ökostrom-Ausbau bremsen Wasserkraftanlagen im Freistaat aus. Besonders betroffen sind kleine Wasserkraftanlagen. Dies bestätigt eine Analyse des Energieministeriums, die im Ministerrat vorgestellt wurde. Kleine Wasserkraftanlagen leisten einen erheblichen Beitrag zur bayerischen Stromproduktion. Die rund 4.000 Anlagen mit einer Leistung von jeweils unter 1.000 kW produzieren Jahr für Jahr rund 1 TWh (= 1 Mrd. kWh) klimafreundlichen und verlässlich verfügbaren Strom, mit dem rechnerisch rund 350.000 Haushalte versorgt werden können. Für einen wirkungsgleichen Ersatz (ganzjährige Versorgung) wäre beispielsweise der Neubau von 170 Windrädern mit Stromspeichern erforderlich.

Das Osterpaket der Ampel benachteiligt die Wasserkraft gegenüber anderen erneuerbaren Energiequellen. Die Arbeitskreise Wirtschaft und Umwelt der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag machten sich vor Ort ein Bild und besuchten das Illerkraftwerk Au in Kempten. V.l.: Kerstin Schreyer, energiepolitische Sprecherin der CSU-Landtagsfraktion; Eric Beißwenger, umweltpolitischer Sprecher der  CSU-Landtagsfraktion; Mechthilde Wittmann, MdB; Franz Josef Pschierer, MdL, Mitglied des Arbeitskreises Wirtschaft Bild: CSU-Landtagsfraktion
Das Osterpaket der Ampel benachteiligt die Wasserkraft gegenüber anderen erneuerbaren Energiequellen. Die Arbeitskreise Wirtschaft und Umwelt der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag machten sich vor Ort ein Bild und besuchten das Illerkraftwerk Au in Kempten. V.l.: Kerstin Schreyer, energiepolitische Sprecherin der CSU-Landtagsfraktion; Eric Beißwenger, umweltpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion; Mechthilde Wittmann, MdB; Franz Josef Pschierer, MdL, Mitglied des Arbeitskreises Wirtschaft. Bild: CSU-Landtagsfraktion

Dennoch gesteht die Bundesregierung generell der Wasserkraft nicht den Status des „überragenden öffentlichen Interesses“ zu, obwohl dieser allen anderen Erneuerbaren Energien zugebilligt wird. Außerdem soll die EEG-Förderung für Kleinanlagen mit einer Leistung bis 500 kW gestrichen werden. Damit würde einerseits der Neubau von Wasserkraftanlagen unter 500 kW nicht mehr über das EEG gefördert. Andererseits wären auch die bestehenden 3.900 Anlagen im Fall der Erhöhung ihres Leistungsvermögens von der EEG-Vergütung ausgeschlossen. Darüber hinaus werden Anlagenbetreiber unabhängig von der Anlagengröße mit unnötigen bürokratischen Pflichten überzogen. Bei Pflichtverletzungen droht ein Entzug der EEG-Förderung.

„Diese Maßnahmen bedrohen den Fortbestand der Kleinen Wasserkraft im Freistaat. Die Staatsregierung wird deshalb im Bundesrat entsprechende Korrekturen vorschlagen“, hob Energieminister Hubert Aiwanger hervor. Hermann Steinmaßl, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB), kommentierte, auch im Namen des Landesverbandes Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW): „Wir begrüßen die Bundesratsinitiative Bayerns ausdrücklich und danken für den Einsatz. Bayern hat sich richtig und klar positioniert. Nun müssen in Berlin die richtigen Weichen gestellt werden.“

Konsequent handeln

Wenn die Bundesregierung die Energiewende konsequent vorantreiben will und betont, wie wichtig jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien ist, dann sollte sie auch entsprechend handeln. Dazu gehört auch eine technologieneutrale Berücksichtigung aller erneuerbaren Energien. Die im Kabinett genannte eine Milliarde Kilowattstunden aus der Wasserkraft muss deshalb erhalten und gesichert werden.

Über 50 Prozent der kleinen Wasserkraftanlagen in der Bundesrepublik befinden sich in Bayern. Viele dieser Anlagen haben eine jahrhundertelange Tradition. Sie erzeugen stabil, planbar und klimafreundlich Strom, der grundlastfähig, netzstabilisierend und störungsresistent ist. „Mit der Wasserkraft verringern wir auch die Energieabhängigkeit von Russland und tragen zu einer stabilen und zuverlässigen Energieerzeugung bei, die auch im Notfall zur Verfügung steht“, betonte Steinmaßl.

Kleine Wasserkraft nicht torpedieren

Würden die Pläne der Bundesregierung umgesetzt, wären damit auch zahlreiche bestehende Anlagen im Falle einer Modernisierung zur Leistungssteigerung von der Förderung ausgeschlossen. Weiterhin würden zahlreiche bürokratische Pflichten und der Entzug der EEG-Förderung bei Pflichtverletzung den Betrieb erschweren. „Wir befürchten, dass viele Betreiber von kleinen Wasserkraftanlagen mittelfristig den Betrieb einstellen würden“, erklärte Hans-Peter Lang, Vorsitzender des LVBW. „Es ist dringend notwendig, dass der Wasserkraft das übergeordnete öffentliche Interesse anerkannt wird, so wie es bei allen anderen Erneuerbaren Technologien der Fall ist. Es gibt keinen fundierten und nachvollziehbaren Grund, die kleine Wasserkraft davon auszunehmen und sie durch eine drastische Verschlechterung der Förderkonditionen im EEG 2023 zu torpedieren.“

Umfangreicher Protest

Der Widerstand gegen die Pläne des Bundeskabinetts wächst inzwischen nicht nur in immer mehr Bundesländern, sondern auch in der Energie- und Wasserwirtschaft sowie bei den Vereinen, die sich für den Erhalt und die Nutzung historischer Wassermühlen einsetzen. Dazu zählt auch der gemeinsame und in dieser Form umfangreichste Protest von 36 Verbänden und Organisationen, die sich in einer Erklärung gegen die existenzbedrohende Benachteiligung der regenerativen Wasserkraftanla-
gen im EEG 2023 wehren und eine komplette Streichung der umstrittenen Neuregelungen fordern.

In der Erklärung, die vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) und dem Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) mitinitiiert wurde, heißt es unter anderem: „Die Auswirkungen (der geplanten Gesetzesnovelle) sind erheblich, da sie einen Großteil der Wasserkraftstandorte betreffen würden. Rund 90 Prozent der Wasserkraftanlagen haben eine Leistung unter 500 kW.“

Änderungen streichen

Die vorgesehenen Änderungen zur Wasserkraft ließen sich weder politisch noch rechtlich rechtfertigen. Die Wasserkraft dürfe gegenüber den sonstigen regenerativen Energien nicht schlechter behandelt werden. Die beabsichtigten Änderungen müssten daher unter anderem aus folgenden Gründen unverzüglich gestrichen werden:

1. Die WRRL verfolgt nicht das Ziel, menschliche Einflüsse auf Gewässer rückgängig zu machen. Die nachhaltige Gewässerbewirtschaftung schließt die Erhaltung der vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten, auch der Wasserkraftnutzung, ein.

2. Die EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien bezieht ausdrücklich auch kleine Anlagen in das Gesamtkonzept einer Förderung Erneuerbarer Energien mit ein. Dabei wird die Wasserkraft weder als Ganzes noch werden Anlagen unterhalb einer bestimmten installierten Leistung ausgenommen. Allein die Menge des erzeugten Stroms ist danach nicht der alles entscheidende Faktor. Die Energiewende verlangt eine Diversifizierung und Dezentralisierung der Erzeugungsstrukturen.

3. Die ökologischen Auswirkungen einer Wasserkraftanlage auf das Gewässerökosystem lassen sich nur standörtlich und einzelfallbezogen beurteilen. Der pauschale Vorwurf, dass kleine Wasserkraftanlagen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Gewässerökologie und der Biodiversität in den Gewässern führen, mit dem Ergebnis, dass der von der WRRL geforderte gute ökologische Zustand nicht erreicht werden kann, ist sachlich und fachlich nicht haltbar.

4. Die Verknüpfung von wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Anforderungen mit der EEG-Vergütung begründet eine nicht zu rechtfertigende Sanktion. Bei keiner anderen Erneuerbaren Energieform wird die Einhaltung fachgesetzlicher Anforderungen mit der EEG-Vergütung verknüpft. Hier liegt eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vor.

5. Die pauschale Festlegung, dass die Wasserkraftnutzung im Gegensatz zu den anderen Erneuerbaren Energien nicht im überragenden öffentlichen Interesse liegt, um eine Ausnahme von den Bewirtschaftungszielen nach der WRRL begründen zu können, ist im Angesicht der Energiekrise nicht zu begründen und auch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Es ist eine politische Vereitelungsfunktion, die in ihrer Absolutheit auch der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie widerspricht.

Beispiellose Diskriminierung

Der Kabinettsbeschluss zur Änderung des EEG 2023 und des WHG sei mit Blick auf die Regelungen zur Wasserkraft eine beispiellose Diskriminierung, die sachlich nicht hinnehmbar und völlig fehlgeleitet ist, da aktuell jede regenerative Kilowattstunde zählt, um die Importabhängigkeit im Energiesektor zu senken, so die Unterzeichner. Sie fordern deshalb, den Förderstopp für kleine Wasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung von weniger als 501 Kilowatt ab dem Jahr 2023 zu revidieren, und die unnötige und fachlich nicht begründbare Verknüpfung von Förder- (EEG) und Fachrecht (WHG) einschließlich der Sanktionierungsmaßnahmen wieder rückgängig zu machen.

Zudem sei das überragende öffentliche Interesse an der Wasserkraft in gleicher Weise wie bei allen anderen Erneuerbaren Energien anzuerkennen und dürfe nicht durch eine Änderung im WHG für die Wasserkraft im gleichen Atemzug wieder kassiert werden. Stattdessen seien Anreize für die Modernisierung von Bestandsanlagen und den gewässerverträglichen Aus- und Neubau an bereits bestehenden Querbauwerke zu setzen.

 

DK

 

Am 20.7.2022 fragen wir auf dem 8. Bayerischen Wasserkraftforum nach dem „Mehrwert Wasserkraft“. Sie sind herzlich eingeladen dabei zu sein.

Bitte melden Sie sich an unter www.bayerisches-wasserkraftforum.de.

 

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