Fachthemazurück

(GZ-6-2022)
gz fachthema

► Interkommunale Klärschlammverwertung:

 

Bilanz nach 15 Klärschlammkonzepten

Stetig steigende Entsorgungskosten und erschwerte Bedingungen bei der Entsorgung von Klärschlamm stellen die Kommunen zunehmend vor immer größere Herausforderungen. Mit den Anforderungen der Düngemittel- und Klärschlammverordnung werden die bislang etablierten Entsorgungswege, wie etwa die Verbringung in der Landwirtschaft, erheblich eingeschränkt und sind größtenteils nicht weiter möglich.

Klärschlamm gilt als Schadstoffsenke, in der sich viele gesundheits- und umweltschädliche Verbindungen konzentrieren. Hinzu kommt ein steigender öffentlicher und politischer Fokus auf Boden-, Pflanzen- und Umweltschutz, der die direkte Verbringung von Klärschlamm in der Landwirtschaft zunehmend kritisch bewertet. Dies hat zur Folge, dass viele Betreiber kommunaler Kläranlagen auf kurzfristige Entsorgungsdienstleistungen zurückgreifen müssen, deren Preise in den letzten Jahren rasant gestiegen sind.

Wichtige Mineralien

Neben Schadstoffen beinhaltet Klärschlamm aber auch eine Reihe wichtiger Mineralien, wie beispielsweise Kalium und Phosphor, die für das Pflanzenwachstum von Bedeutung sind. Phosphor ist neben Stickstoff einer der wichtigsten Mineralstoffe des Ökosystems. Großes wirtschaftliches Interesse kommt dem Phosphor als Düngemittel in der Landwirtschaft zu, zumal Deutschland bei Mineraldüngerphosphat von Importen abhängig ist. Aus diesem Grund wurde die gezielte Rückgewinnung des Phosphors in der Klärschlammverordnung gesetzlich verankert.

Alle Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100.000 Einwohnergleichwerten (EW) sind ab dem Jahr 2029 davon betroffen. Ab 2032 gilt diese Vorgabe auch für Anlagen mit mehr als 50.000 EW. Für kleinere Anlagen gilt die Rückgewinnungspflicht von Phosphor für den Fall, dass der Klärschlamm thermisch verwertet wird und mehr als 2 % Phosphor enthält. Eine effiziente Phosphorrückgewinnung setzt eine thermische Verwertung des Klärschlamms, zum Beispiel in Monoverbrennungsanlagen oder vergleichbaren Prozessen wie der Vergasung oder hydrothermale Carbonisierung, voraus. Künftig sollte Klärschlamm verstärkt als Energie- und Ressourcenrohstoff und weniger als Abfallstoff gesehen werden.

Die bayerischen Kommunen müssen sich daher langfristig für die energetische Verwertung des Klärschlamms rüsten. Unterstützung im Prozess der Neuausrichtung der Klärschlammverwertung bietet das Institut für Energietechnik IfE GmbH (IfE) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH). Anhand von interkommunalen Klärschlammkonzepten werden Lösungswege zur Klärschlammverwertung auf Landkreisebene ausgearbeitet. Derartige Konzepte können beispielsweise durch das bayerische Wirtschaftsministerium mit bis zu 70 % gefördert werden. Durch diese Vorgehensweise sollen möglichst viele Synergieeffekte zur kosteneffizienten Klärschlammverwertung genutzt werden. Außerdem wird so auch der Verwertungsaufwand der einzelnen Kommune reduziert. Inzwischen konnten diese Konzepte in 15 bayerischen Landkreisen angewandt werden.

Entwässerungscluster

Als Grundlage für die weitere Verwertung gilt es flächendeckend den Klärschlamm zu entwässern. Vor allem an kleineren Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von weniger als 3.000 Einwohnern ist es erforderlich, die notwendige Peripherie zur (mobilen) Entwässerung auszubauen. Der Blick über die Gemeindegrenzen hinweg ist ein wesentlicher Schritt hin zur effizienten und wirtschaftlich sinnvollen Entwässerung. Hier haben sich sogenannte Entwässerungscluster bewährt, welche auf die gemeinsamen Synergien in der Klärschlammentwässerung abzielen.

Ein vorgelagerter Prozess der Entwässerung im Klärwerk ist die Klärschlammfaulung. Die Klärschlammkonzepte zeigen vielerorts das Potenzial vorhandene Klärschlammfaulungen weiter auszulasten und damit effizienter zu betreiben. Im Hinblick auf den Anschluss von kleineren Kläranlagen an einen zentralen Standort mit Klärschlammfaulung bietet sich die Chance, dezentral die Klärschlammmenge mittels Faulung zu reduzieren und gleichzeitig Strom und Wärme regenerativ zu erzeugen.

Klärschlammtrocknungs-Anlagen

In einigen Regionen Bayerns wird die Errichtung von Klärschlammtrocknungsanlagen angestrebt. Ein wirtschaftlicher und ökologisch sinnvoller Betrieb einer Trocknungsanlage hängt von mehreren Randfaktoren ab, welche vorab detailliert zu prüfen sind. Entscheidend ist insbesondere, dass eine geeignete nachgelagerte Möglichkeit zur Klärschlammverwertung vorhanden ist, die den getrockneten Klärschlamm abnimmt und entsprechend weiterverwertet.

Aktuelle Anlagenplanungen von Klärschlamm-Monoverbrennungen ziehen sowohl Ansätze zur Verwertung von getrocknetem als auch entwässertem Klärschlamm in Betracht. Im Einzelfall hängt dies jedoch von den Auswirkungen der Transportentfernung und -menge auf den Gesamtpreis der Verwertung ab. Die Trocknung erfordert eine Menge an Wärme, welche vorzugsweise als Abwärme zur Verfügung steht. Damit wird sichergestellt, dass keine zusätzlichen CO2-Emissionen entstehen und günstige Konditionen im Wärmebezug genutzt werden können. Weitere Kriterien wie beispielsweise Art der Trocknung, anzustrebender Feststoffgehalt und weitere Rahmenbedingungen gilt es ebenfalls in einem interkommunalen Klärschlammkonzept zu prüfen.

Die Klärschlammverwertung als finaler Schritt hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Neben etablierten Verfahren der thermischen Verwertung, wie beispielsweise die Strom- und Wärmeerzeugung oder die Phosphorrückgewinnung, sieht der Markt weitere innovative Ansätze zur alternativen Verwertung von Klärschlamm vor. Die Herausforderung besteht in der Evaluierung der vorhandenen Technologien unter Berücksichtigung von genehmigungsrechtlichen Aspekten sowie der weiteren Verwertung bzw. gar der Entsorgung von Reststoffen.

Die interkommunalen Klärschlammkonzepte vereinen die Betrachtung etablierter Prozesse mit neuen, innovativen Ansätzen. Dabei profitiert das IfE insbesondere durch den stetigen Wissenstransfer zwischen Forschung und der Praxis. Eine kompakte Zusammenfassung der relevanten Erkenntnisse aus dem Klärschlammkonzept und der konkreten Maßnahmenempfehlung wird durch die individuellen Kläranlagen-Steckbriefe erreicht. Diese werden im Rahmen der Klärschlammkonzepte an die jeweiligen Kommunen ausgehändigt.

Letztendlich müssen sowohl die relevanten Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes, aber auch Wirtschaftlichkeit und die Akzeptanz der angesiedelten Bevölkerung vereint werden. Dies erfordert interkommunale Zusammenschlüsse, um geeignete Standorte effizient und zukunftsorientiert nutzen zu können.

Regionale Verwertung

„Stoffe, die vor Ort als potenziell verwertbare Ressource entstehen, müssen in Zukunft möglichst nachhaltig nutzbar gemacht werden. Das große Potenzial der Klärschlämme zu nutzen, ist eine echte Herausforderung, aber machbar“, betont Dieter Möhring, 1. Bürgermeister der Gemeinde Aidhausen. „21 Kommunen aus den Landkreisen Haßberge, Schweinfurt, Bamberg und voraussichtlich weitere fünf aus dem Landkreis Rhön/Grabfeld werden gemeinsam eine regionale und umweltgerechte Verwertung von Klärschlämmen umsetzen. Durch die gemeinsame Trocknung und thermische Verwertung wollen wir die Klärschlammbewirtschaftung in Zukunft möglichst nachhaltig gestalten, um Ressourcen, wie z. B. Phosphor oder Energie, die aus dem Klärschlamm gewonnen werden können, bestmöglich zu nutzen.“

Die interkommunalen Klärschlammkonzepte bilden damit nicht nur die Strukturierung und Handlungsempfehlung ab, sondern dienen auch als Grundlage für Forschungs- und Pilotprojekte. Ein Beispiel dafür ist das seit März 2021 laufende Forschungsprojekt „VerKlär²“ an der Kläranlage Haßfurt. Ziel des Forschungsprojekts ist, die dezentrale Monoverbrennung auf kleinskaligen Anlagen zur Praxisreife zu führen.

Kläranlage Haßfurt

Die Kläranlage in Haßfurt wird im Rahmen des Projekts um eine Wirbelfeuerung erweitert. Die im Verbrennungsprozess gewonnene Wärme wird zur Wärmeversorgung der Kläranlage und des kommunalen Umfeldes verwendet. Einerseits wird die Wärme zur Trocknung des Klärschlamms genutzt, andererseits kann Überschusswärme aus der Wirbelfeuerung im Sinne der Sektorenkopplung in das lokale Wärmenetz eingespeist werden.

Die Wirbelfeuerungsanlage substituiert in Haßfurt gleichzeitig ein bestehendes Blockheizkraftwerk, dasmit Erdgas betrieben wird und die Klärschlammtrocknung mit Wärme versorgt. Damit wird künftig nicht nur auf Wärmebereitstellung aus dem fossilen Energieträger Erdgas verzichtet, sondern auch eine Autarkie der Kläranlage hinsichtlich Energieversorgung und Abfallentsorgung erreicht.

Die intelligente und flexible Kombination der Klärschlammverbrennung mit der Klärgasverstromung führt zu einer Verbesserung der Energiebilanz der Kläranlage und zur Steigerung der Energieeffizienz.

Macht das Projekt Schule, leisten regionale Kläranlagen durch den Einsatz dezentraler Verbrennungstechnologien künftig einen entscheidenden ökologischen Beitrag – klimafreundlich und ressourcenschonend.

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Fachthema

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung