(GZ-21-2021) |
► Rohstoffe werden knapper: |
Darf man im Wald Sand gewinnen? |
Der Abbau mineralischer Rohstoffe sorgt nicht selten für Konflikte |
Um Rohstoffe zu schonen, wird versucht, die Quote der recycelten Materialien zu erhöhen. Produktionsprozess werden ressourceneffizienter gestaltet. Dennoch braucht es laufend „frische“ Rohstoffe. Woher sollen sie kommen? Sicherlich am besten aus der Heimat, um lange Transportwege zu vermeiden. Doch der Abbau mineralischer Rohstoffe wie Sand, Kies, Lehm, Bentonit oder Ton ist gar nicht so einfach. Vor allem deshalb nicht, weil dadurch oft Wald gerodet werden muss. Das sorgt oft für Ärger. |
Wald, und das ist der springende Punkt für Naturschützer, hat gerade in Zeiten des sich wandelnden Klimas eine unersetzliche Funktion. „Allerdings braucht es auch Rohstoffe wie Sand dringend“, sagt Reiner Seifert, der bis Ende August 2021 Sachbearbeiter für übergeordnete Raumordnung und Landesplanung beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ansbach war. Das Landesplanungsgesetz hebt auf eine Sicherstellung der Rohstoffversorgung ab. Das betrifft unter anderem Sand, Kies, Gips und Ton. „Gerade der Sandhunger kann nur aus Wäldern gestillt werden“, so Seifert. Allerdings ist bei weitem nicht jeder Wald geeignet. Auch wenn Sand ein sehr wichtiger und immer begehrterer Rohstoff ist, darf er im Bann- oder Schutzwald nicht abgebaut werden. „Diese Wälder sind nach dem Bayerischen Waldgesetz von großer Bedeutung für das Klima und die Erholung“, erklärt der Forstmeister. Bannwald kann deshalb nur dann gerodet werden, wenn es das öffentliche Wohl zwingend erfordert. Rohstoffabbau im Bannwald werde denn auch nur in absoluten Ausnahmefällen genehmigt. Keine Genehmigung gab es zum Beispiel soeben für eine Bamberger Sand- und Kiesbaggerei, die zwölf Millionen Tonnen Quarzsand auf einer Bannwaldfäche von 50 Hektar bei Altdorf-Röthenbach abbauen wollte. Dass man den Wald Rohstoffhungrigen nicht einfach so zum Opfer bringen darf, denken viele Naturschützer. Sie fordern Alternativen. Die gibt es laut Reiner Seifert auch. Zumindest in gewissem Umfang: „Wir müssten viel stärker auf Holz setzen.“ Norbert Weiß, Leiter des Bergamts Nord, erläutert, wie viele mineralische Rohstoffe für ein konventionelles Einfamilienhaus mit Keller benötigt werden: „Das sind rund 200 Tonnen.“ Für ein Mehrfamilienhaus seien es bereits 700 Tonnen. Insgesamt würden in Bayern derzeit 150 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe pro Jahr gebraucht: „Davon allein rund 120 Millionen Tonnen Sand, Kies und Schotter für die Bauwirtschaft.“ Rohstoffe werden knapper Durch die Rohstoffknappheit können Firmen gehörig ins Schleudern kommen. „Man hört immer wieder von Lieferengpässen“, bestätigt Reiner Seifert. Nun ist Bayern ein ausgesprochen rohstoffreiches Land. Die Jahresfördermenge der oberflächennahen Rohstoffe im Freistaat beträgt laut Landesamt für Umwelt (LfU) 150 Millionen Tonnen. Das entspricht 20 Prozent der gesamten Förderung in Deutschland. Bayernweit weiß im Übrigen niemand besser als das LfU, wie viele Rohstoffe im Boden schlummern. Denn der Geologische Dienst am Landesamt führt Probebohrungen durch, um festzustellen wo abbauwürdige Rohstoffe vorhanden sind. Inwieweit sich der Abbau von Rohstoffen im Wald negativ auswirken könnte oder nicht, wird in einem aufwendigen Genehmigungsverfahren eruiert. Planungsverbände und Bezirke sind dabei eingebunden. Soll Quarzsand oder Kies abgebaut werden, muss das Bergamt gehört werden. Relativ einfach ist die Sache, ist ein Areal bereits als Vorranggebiet eingestuft. In diesem Fall, so Reiner Seifert, erhalten Firmen fast immer eine Genehmigung. In Vorbehaltsgebieten ist das anders. Hier muss sorgfältig abgewogen werden. Auch die Areale westlich von Röthenbach sind als Vorbehaltsflächen im Regionalplan der Industrieregion Mittelfranken eingetragen. Eigentlich sollte es tunlichst vermieden werden, Wald zu roden. Doch Rohstoffe können nun mal nicht auf bebauten Flächen gewonnen werden. Der Abbau im Wald, bestätigt Bergamtsleiter Norbert Weiß, verändert natürlich die Gestalt der Erdoberfläche. Er kann die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, das Landschaftsbild und damit den Naturgenuss beeinträchtigen. Eben deshalb sei ein umfangreiches Genehmigungsverfahren vorgeschaltet. Dabei werde geprüft, ob der Rohstoffabbau mit anderen Belangen, etwa jenen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, des Grundwasser- oder Nachbarschaftsschutzes, vereinbar ist. Oder nicht. Letzte Refugien Nun hat, wie gesagt, das Interesse an heimischen Rohstoffen merkbar zugenommen. Und es wird aus verständlichen Gründen viel dafür getan, den Bedarf zu decken. Rohstoffabbau im Wald muss aber auch nicht nur negativ sein, erklärt Norbert Weiß: Durch Aufforstungen entstehen nach seinen Worten neue Strukturen mit völlig veränderten Standortfaktoren. „Derartige Standorte haben einen hohen Wert für den Natur- und Artenschutz, denn im Abbau stehende Flächen stellen für eine Reihe von Tier- und Pflanzenarten die letzten Refugien dar“, sagt er. Am Ende bleibt Rohstoffabbau im Wald eine umstrittene Frage. Etwas anders verhält es sich mit der Gewinnung des Rohstoffs Holz. „Wir als Bund Naturschutz begrüßen eine nachhaltige Holznutzung aus heimischen Wäldern“, erklärt Michael Remy, BN-Referent für Energie und Klima. Dem Verband ist es wichtig, dass Holz vorwiegend aus heimischen Wäldern kommt und ökologisch nachhaltig gewonnen wird. Wobei auch der Holz- und Papierverbrauch laut BN „massiv gesenkt“ werden müsste. Insgesamt geht die Politik nach Ansicht des Bund Naturschutz zu liberal mit Firmen um, die Rohstoffe im Wald abbauen wollen. Der BN wünscht sich massivere Einschränkungen. „In der Klimakrise sind die Wälder neben Mooren bei uns die einzigen Kohlendioxid Speicher“, so BN-Waldreferent Ralf Straußberger. Rodungen jeglicher Art müssten deshalb vermieden werden. Steffen Jodl vom Bund Naturschutz in Würzburg geht sogar noch weiter. Nach Ansicht des BN-Geschäftsführers dürfte es überhaupt keinen Rohstoffabbau im Wald mehr geben. „Wir müssen alles tun, um den Wald zu erhalten“, betont er. Waldrodungen sind mit Jodls Vorstellungen von Klimaschutz nicht zu vereinbaren. Auch er plädiert dafür, viel stärker auf Recyclingmaterialien zu setzen. „Nach wie vor werden Recyclingprodukte stiefmütterlich behandelt“, kritisiert er. Wie gut es möglich ist, mit Recyclingbeton zu bauen, zeigt für ihn die neue Umweltstation der Stadt Würzburg. |
Pat Christ
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