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(GZ-9-2016)
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► 25. Deutscher Sparkassentag in Düsseldorf:
 
Sparkassen als Schutzschild
 
Sparkassentag

Rund 260 Auszubildende der Sparkassen nahmen erstmals am Deutschen Sparkassentag teil. Unser Bild zeigt die Nachwuchskräfte mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) und DSGV-Präsident Georg Fahrenschon (3.v.l.).

Bühne frei für Dialog, Austausch und Diskussion: Alle drei Jahre lädt die Sparkassen-Finanzgruppe zum Deutschen Sparkassentag. Das mit rund 2.500 Teilnehmern größte Branchentreffen der Finanzwirtschaft in Europa fand heuer in Düsseldorf statt. Im Mittelpunkt stand der Dialog zwischen den Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe, der Politik, der Wirtschaft und der Öffentlichkeit.

Unter dem Motto „Einfach anders“ referierten und diskutierten hochkarätige Gäste an zwei Tagen aktuelle Themen, die die Menschen in Deutschland bewegen – etwa Niedrigzinsphase, EU-Einlagensicherung, Digitalisierung oder Big Data. Zudem entwickelten im Rahmen eines Azubi-Camps Auszubildende der Sparkassen Finanzgruppe Ideen für die Sparkasse von morgen. Auf dem Deutschen Sparkassentag 2016 präsentierten sich die 409 Sparkassen und ihre Verbundpartner als zentraler Impulsgeber für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland.

Mission zum Sparen

Angesichts der fortdauernden Negativzinspolitik sieht der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Georg Fahrenschon erhebliche Risiken für die gemeinsame europäische Idee und das Vertrauen in den Euro. „Wir rutschen in eine Gesellschaft, die auf Pump lebt – eine Gesellschaft, die unbedacht hohe Risiken eingeht die uns morgen schon große Probleme bereiten können“, betonte Fahrenschon bei seiner Grundsatzrede. Die Sparkassen könnten dem nicht einfach zusehen. „Wir tragen die Mission zum Sparen in uns. Deshalb stemmen wir uns mit aller Kraft gegen diese Fehlentwicklung“, so Fahrenschon. Das Bedürfnis der Kunden nach Sicherheit dürfe nicht ohne Not strapaziert werden.

Solides Geschäft bewahren

Die Sparkassen wollen nach den Worten von Fahrenschon bei ihrem solidem Geschäft bleiben: Kredite in der Region mit Einlagen aus der Region! Derzeit würden in Europa kaum mehr lebensfähige Banken durch billiges Geld künstlich am Leben gehalten. Banken könnten anstrengungslos Gewinne einfahren, wenn sie Staatsanleihen kriselnder Staaten kaufen und an die Notenbank weiterreichen. Und mangels ehrlicher Marktpreise könne mit den größten Risiken das meiste Geld verdient werden. Mit solchen Bedingungen werde der Keim für die nächste Finanzkrise gelegt. „Wir möchten nicht, dass Sparkassen zu Renditejongleuren, Kredithasardeuren oder Liquiditäts-Schnäppchenjägern werden“.

Gegen europäische Einlagensicherung

Fahrenschon kritisierte vor diesem Hintergrund den Vorschlag der EU-Kommission, die zur Sicherung der Sparer gebildeten Sicherungsmittel in einer einzigen europäischen Einlagensicherung zusammenzuziehen. „Mit einem solchen System kann in kritischen Situationen die Unsicherheit von Sparern in alle anderen EU-Länder überschwappen. Das ist kein gutes europäisches Konzept.“ Eine Bankenunion erfordere keinen einheitlichen Sicherungstopf, sondern einheitliche Standards für Eigenverantwortung. Deshalb lehne die Sparkassen-Finanzgruppe diese Pläne entschieden ab und wisse sich darin mit den Genossenschafts-banken einig. „Das Geld ist bei uns sicher. Und das bleibt auch so. Wir wollen das beste System nicht durch das zweitbeste ersetzen!“ sagte Fahrenschon.

Fahrenschon versprach, dass die Sparkassen alles tun, um die privaten Sparer vor Negativzinsen zu schützen - auch zu Lasten der eigenen Ertragslage. Wenn der außergewöhnliche Zinszustand aber lange anhalte, könnten auch die Sparkassen die Kunden nicht vor Negativ-Zinsen bewahren. Das müsse vermieden werden.

Er forderte die deutsche Politik auf, mehr für die Vermögensbildung von Geringverdienern zu tun. „Seit 1998 sind die Einkommensgrenzen beim Vermögensbildungsgesetz nicht mehr angepasst worden. Deshalb sind zu viele Menschen aus der Förderung herausgefallen.“

„Über 60 Prozent unserer Privatkunden haben monatlich eigentlich nichts mehr übrig, um Rücklagen zu bilden“, warnte Fahrenschon. Mit einer Modernisierung des bereits vorhandenen Vermögensbildungsgesetzes könnten sehr viel mehr Menschen als bisher in die Lage versetzt werden, ein eigenes Vermögen aufzubauen. Dazu sollten die Einkommensgrenzen und Förderbeträge erhöht werden. „Der Staat sollte so eigene Zinsersparnisse zielgerichtet an die Schwächeren in unserer Gesellschaft zurückgeben.“

Riester-Förderung verbessern

Zugleich verteidigte Fahrenschon die Riester-Rente. „Es dürfen nicht Millionen von Riester-Sparern durch die politische Diskussion verunsichert werden. Wir müssen vielmehr darüber reden, wie die Förderung verbessert und weiter vereinfacht werden kann“, so der DSGV-Präsident. Die aktuelle Geldpolitik reiße erhebliche Vorsorgelücken und gefährde wegen der faktischen Abschaffung von Zins und Zinseszins die private Altersvorsorge der Menschen mit geringen und mittleren Einkommen.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel unterstrich, dass der Zeitpunkt für eine einheitliche europäische Einlagensicherung nicht gekommen sei. Vielmehr müsse jetzt darauf geachtet werden, nicht weiter Risiken zu vergemeinschaften. Das Gebot der Stunde sei der Abbau von Risiken. „Und da ist noch viel zu tun“, so die Bundeskanzlerin.

Indirekte Kritik der Kanzlerin

„Es darf nicht passieren, dass Steuerzahler wieder für Banken einspringen müssen, nur weil diese zu groß sind, um pleite zu gehen“, sagte Merkel. Daher sei es zentral, dass kein Finanzmarktakteur ohne angemessene Regulierung und Kontrolle agiere. „Die niedrigen Zinsen verstärken dieses Problem in den nächsten Jahren noch“, kritisierte sie indirekt die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.

Merkel lobte die solide und nachhaltige Geschäftspolitik der Sparkassen: Die Bundesregierung setze sich für die Interessen kleiner risikoarmer Institute ein. „Aus Gründen der Stabilität und der fairen Wettbewerbsbedingungen brauchen wir eine noch differenziertere Regulatorik.“ Zugleich hob sie hervor, dass die Menschen und Wirtschaft in Deutschland „den Sparkassen ein unglaublich hohes Maß an Vertrauen entgegenbringen“.

Datenschutz und -offenheit

Als „weise“ bezeichnete die Kanzlerin, die Digitalisierung bei einem Treffen wie dem Sparkassentag in den Mittelpunkt zu rücken. Die deutsche Wirtschaft sei in einen Wettlauf eingetreten, „bei dem es um die Frage gehe, ob sie „eines Tages die verlängerte Werkbank anderer“ sein wolle, oder Kundenwünsche und -daten „selbst in eigene Produkte verwandeln“ wolle. Es sei jedoch ein „regulatorischer Rahmen“ wichtig, der die „richtige Balance aus Datenschutz und Datenoffenheit“ schaffe.

Abschließend betonte Merkel die bundesweit wichtige Rolle der Sparkassen: „Wir können unsere europäischen Werte nur leben, wenn wir eine starke Wirtschaft haben. Den Sparkassen kommt da eine zentrale Aufgabe zu, denn sie sind eng mit den Menschen, der Wirtschaft und den Kommunen verbunden.“ Daher höre die Politik „sehr genau hin, wenn die Sparkassen etwas kritisieren“.

Ruf nach Inventur der Europäischen Union

Mit der Einschätzung „Wenn wir auf Europa schauen, müssen wir sagen: Die Lage ist kritisch“, eröffnete Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio seinen Vortrag. Der Staatsrechtler und Bundesverfassungsrichter a.D. forderte eine Inventur der Europäischen Union. „Wir brauchen eine faire Verteilung von Koordination und Eigenverantwortung“, so die Fabio.
Vor diesem Hintergrund verwies er auch auf die Pläne der EU-Kommission für die Europäische Einlagensicherung: Das Wesentliche bei einer solchen Vergemeinschaftung sei, dass ein weiteres Mal ein Anreiz zu „Moral Hazard“ gesetzt werde, gab di Fabio zu bedenken. Hier würden Spielregeln gesetzt, die dazu verführten, sich „wie ein Versicherungsbetrüger“ zu verhalten. „Ein System, in dem der Rechtstreue der Dumme ist, ist ein Moral-Hazard- System“, unterstrich der Staatsrechtler. Laut Bundesverfassungsgericht sei das verfassungswidrig.
Einen weiteren Punkt der Bankenunion sprach di Fabio kritisch an: „Wenn Banken eine riskante Geschäftspolitik betreiben, dann muss der Zusammenhang zwischen Freiheit, Risiko und Haftung erhalten bleiben, er darf nicht aufgelöst werden.“

Europa rekonstruieren

Di Fabio gab an, sich „Sorgen um den Zusammenhalt Europas“ zu machen. Er wünsche sich einen Moment des Innehaltens und des gründlichen Überdenkens der Grundlagen der Europäischen Union. Europa müsse wieder rekonstruiert werden, „weil dieses Europa eine historische Innovation war, die nicht aufs Spiel gesetzt werden darf“.

 

DK

 

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