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(GZ-6-2021)
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► Unterstützung für Kommunen gefordert:

 

Zukunft der Feuerwehr

 

Nicht nur die Corona-Pandemie, auch die sich wandelnden gesellschaftlichen Entwicklungen bringen Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen in Bayern zunehmend an ihre Grenzen – und damit auch die Kommunen. Über die aktuelle Situation und Lösungen für die Zukunft diskutierten Experten und Abgeordnete im Innenausschuss. Wilfried Schober, Direktor des Bayerischen Gemeindetages, thematisierte das Problem der Tagesalarmierbarkeit im ländlichen Raum sowie die Ausschreibepraxis von Feuerwehrausrüstung für Kommunen. Finanzielle Anreize zur Nachwuchsrekrutierung lehnte Schober ab und kritisierte die zunehmende Anspruchsmentalität der Bürger.

Ob die Bergung von Schwerverletzten nach einem Unfall, das Löschen eines brennenden Heuballens oder die Beseitigung von Ölspuren – regelmäßig rücken die Jugendlichen der Freiwilligen Feuerwehren in Bayern mit ihren Übungsleitern zu nachgestellten Einsatzorten aus, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. Doch aufgrund der Corona-Pandemie ist der reguläre Übungs- und Ausbildungsbetrieb derzeit nicht möglich.

Die Belastungen durch die aktuelle Krise wirken sich daher besonders auf die Kinder- und Jugendfeuerwehren sowie die Nachwuchswerbung aus. Über diese Problematik, aber auch die allgemeine Situation und die Zukunft der Feuerwehr in Bayern, diskutierten im Rahmen einer Expertenanhörung die Teilnehmer im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport im Bayerischen Landtag.

Im ländlichen Raum weniger Tagesalarmierbarkeit

Wilfried Schober, Direktor des Bayerischen Gemeindetages und zuständig für Feuerwehrfragen, bezeichnete die Feuerwehren als „Stabilitätsanker in den Kommunen“.

Die Freiwilligen Feuerwehren stünden ihm zufolge derzeit vor drei zentralen Herausforderungen: der Demografie und dem einhergehenden Nachwuchsmangel, der Technisierung der Ausstattung und der Tatsache, dass Wohn- und Arbeitsort der Menschen immer weiter auseinanderfielen.

Damit seien die Freiwilligen Feuerwehrleute im ländlichen Raum im Einsatzfall nicht einfach zu alarmieren. Denn viele Feuerwehrkräfte pendelten tagsüber von ihrem Wohnort zur Arbeit – für Einsätze stünden sie daher nicht mehr zur Verfügung. Die Belastung werde zudem durch die Anspruchsmentalität der Bürger verstärkt. Sie riefen die Feuerwehr teilweise für Lappalien, weshalb Schober an die Feuerwehrmänner und Feuerwehrfrauen appellierte, sich auf ihre Pflichtaufgaben zu konzentrieren.

Unterstützung für Ausschreibepraxis

Das größte Übel, aus Sicht der Gemeinden, sei laut Schober aber die Ausschreibung von Feuerwehrausrüstung, insbesondere von Feuerwehrfahrzeugen.

Die Notwendigkeit zur europaweiten Ausschreibung überfordere viele kleine Feuerwehren und Kommunen. Die bislang dafür angebotene Beratung reiche nicht aus, klagte auch Johann Eitzenberger, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern e.V. Die Folge sei, dass sich die Kommunen teure Beratungsleistungen einkaufen müssten.

Um die Ausschreibungspraxis für die Gemeinden zu erleichtern, empfahl Schober Unterstützung von den Bezirksregierungen. Sie sollten entsprechende Aufgaben übernehmen oder zumindest unterstützend zur Verfügung stehen, damit Gemeinden nicht auf spezialisierte Ingenieursbüros aufgrund des komplizierten Vergaberechts zurückgreifen müssten. Andreas Wührl, Kreisbrandrat des Kreisfeuerwehrverbands Tirschenreuth, schlug vor, dass den Kommunen zumindest standardisierte Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt werden sollten.

Alternative Ausbildungsmethoden

Die Experten waren sich darin einig: Anstrengungen seien von allen Seiten erforderlich, um die entstandenen Defizite schrittweise wieder zu kompensieren.

„Der innere Kitt der Feuerwehr ist die Kameradschaft und diese leidet aktuell im Bereich der Übungen und Ausbildung“, stellte Eitzenberger fest.

Er begrüßte, dass eine Bedarfsanalyse im Rahmen einer gemeinsamen Projektgruppe vom Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration und dem Landesfeuerwehrverband Bayern vorgesehen ist. Wolfgang Schäuble, Leiter der Branddirektion München, empfahl den Einsatz alternativer Schulungsmöglichkeiten wie E-Learning oder Virtual Reality. So könnten Freiräume für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren geschaffen und die entsprechenden Ausbildungen praxisgerecht verkürzt werden. Die Ausbildungssituation in Städten mit Berufsfeuerwehr bewertete er grundsätzlich als positiv.

CSU stärkt kommunales Feuerwehrwesen

Auf Initiative der CSU-Landtagsfraktion wurden die Finanzmittel für die Jugend- und Nachwuchsarbeit und für die moderne Ausstattung der Feuerwehren in den vergangenen Jahren erhöht.

Im Jahr 2020 stieg die Förderung des kommunalen Feuerwehrwesens auf die Summe von über 53 Millionen Euro. Damit wurden in den letzten fünf Jahren knapp 240 Millionen Euro in Fahrzeuge, Geräte und in den Bau von Feuerwehrhäusern investiert.

Trotzdem forderten die Feuerwehrpraktiker insbesondere bei der Beschaffung großer Geräte und Fahrzeuge mehr staatliche Unterstützung. Für die Finanzierung des Sachaufwands forderte Schober, die staatlichen Fördersätze von derzeit 27 Prozent auf mindestens 33 Prozent anzuheben.

Wertschätzung für Engagement

Umstritten war im Expertenkreis, ob finanzielle Anreize bei der Nachwuchswerbung helfen könnten. Schober lehnte dies im Namen der Kommunen ab, es widerspreche auch der ehrenamtlichen Struktur der Feuerwehren. Einigkeit herrschte hingegen darüber, dass die Feuerwehrdiensttätigkeit für Ehrenamtliche attraktiver gestaltet werden müsse – sowohl was den Zeitrahmen als auch die Vereinbarkeit mit Familie betreffe.

Eitzenberger führte in dem Kontext Möglichkeiten auf wie Anerkennungsprämien bzw. Feuerwehrrente nach dem Vorbild von Hessen oder Thüringen.

„Für Bayern gilt es, ebenfalls ein tragfähiges, finanzierbares Modell zu entwickeln“, forderte er.

Auch Schäuble erläuterte, dass die Feuerwehrangehörigen die Abgrenzung gegenüber anderen Ehrenämtern und teilweise auch die Anerkennung ihrer Leistung als unzureichend empfänden. Norbert Dünkel, der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Kommunale Fragen der CSU-Fraktion, dankte den Ehrenamtlern für ihr Engagement:

„Die über 310.000 Feuerwehrmänner und -frauen sind rund um die Uhr zur Stelle, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten – oft unter Gefahr für das eigene. Derzeit hat für uns der Katastrophenschutz sowie der Ausbau und die Erweiterung der Feuerwehrschulen in Bayern mit einer Erhöhung der Lehrgangskapazitäten der Feuerwehrdienstleistenden Priorität.“

Auf Vorschlag von Dünkel erwägt der Innenausschuss die Gründung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die sich auf der Grundlage der Expertenanhörung mit der Zukunft der Freiwilligen Feuerwehren in Bayern beschäftigen soll. Kernpunkte müssten die Nachwuchsgewinnung und moderne Strukturen der Aus- und Weiterbildung sein.

Beitrag zur Integration

Um den Personenkreis potenzieller Feuerwehrleute zu erweitern, deuteten mehrere Experten auf die Gewinnung von Frauen und Migranten hin. Prof. Dr. Doris Rosenkranz, Vorstandsmitglied der Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern, betonte, dass die Feuerwehr einerseits elementar sei für die Daseinsvorsorge, aber auch einen entscheidenden Beitrag zur Integration leiste. Schäuble stellte jedoch fest, dass die Gewinnung von Feuerwehrangehörigen mit Migrationshintergrund komplex sei. Er empfahl, den Kommunen und Feuerwehren dazu wissenschaftlich erarbeitete Konzepte an die Hand zu geben.

Andrea Fürstenberger, Landesfrauenbeauftragte des Landesfeuerwehrverbands Bayern e.V., bezog sich auf den geringen Frauenanteil von zehn Prozent Feuerwehrfrauen in der Feuerwehr. Zudem sei nur jede hundertste Führungsposition von einer Frau besetzt. Um mehr Frauen zu gewinnen, müssten sie im Rahmen von Veranstaltungen sichtbarer und auch direkt angesprochen werden.

Schober empfahl, beispielsweise bei Bürgerversammlungen und in Bürgersprechstunden Frauen gezielt über das Engagement bei der Feuerwehr zu informieren und im persönlichen Gespräch zu gewinnen.Marcel Huber (CSU) – ebenfalls Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – lenkte den Blick auf die Bedeutung der Kinderfeuerwehren:

„Die Werbung für die Feuerwehr kommt von innen heraus. Deshalb ist eine frühe Begeisterung für die Sache notwendig.“

 

 

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