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(GZ-23-2020)
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► Es mangelt nicht an Technologie:

 

Wie Kommunen das Mobilitätsverhalten lenken können

 

Welche Entwicklungstrends bringt der motorisierte Individualverkehr hervor, wie beeinflusst Corona das Mobilitätsverhalten und wie kann die Politik die richtigen Rahmenbedingungen für Kommunen schaffen? Im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr des Bayerischen Landtags diskutierten acht Experten mit den Abgeordneten zum Thema „Zukunft des motorisierten Individualverkehrs“. Dabei wurde deutlich: Es mangelt nicht an Technologie, sondern an der strategischen Umsetzung von Mobilitätslösungen, die vor allem gemeindeübergreifend sein müssten.

Vor allem in Städten fehle ein ganzheitliches Konzept. Prof. Dr.rer. nat. Barbara Lenz, Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), forderte von der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit ganzheitliche Konzepte entwickelt werden können, die gemeindeübergreifend funktionieren. Davon könnten sowohl Städte als auch angrenzende Kommunen profitieren. In dem Zusammenhang nannte sie das Beispiel „Park and Ride Parkplätze“.

„Städte haben kein Recht dazu, kommunales Geld auf dem Territorium anderer Gemeinden zu investieren – auch wenn es ihnen zugutekommt. Erst eine Gesetzesänderung könnte Städte dabei unterstützen, derartige Konzepte zu entwickeln, die auch den Pendlerverkehr berücksichtigen, der von außerhalb in die Städte kommt“, sagte Lenz. Wichtig sei dabei, stets miteinzubeziehen, wie sich Siedlungsräume hinsichtlich ihrer Struktur entwickeln.

Alternativen bewusst machen Infrastrukturmaßnahmen in den Kommunen können in diesem Zusammenhang das Nutzerverhalten positiv beeinflussen. Dazu zählen die sogenannten Push & Pull-Faktoren – Maßnahmen, die sowohl Regulierungen enthalten, wie ein geringeres Pkw-Parkplatzangebot, als auch Anreize die zum Umstieg auf den ÖPNV anregen. Kerstin Hurek, Leiterin des Stabs Verkehrspolitik des ACE Auto Club Europa e.V., wies darauf hin, dass es für Kommunen auch von Vorteil sei, auf einen bewussteren Umgang mit dem Auto aufmerksam zu machen und den Blick auf Alternativen zu lenken.

Aktuell sind knapp 47 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen. Bis 2030 sollen zwischen sieben bis zehn Millionen Elektroautos zugelassen sein – was bedeute, dass in zehn Jahren voraussichtlich immer noch mehr als 37 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor unterwegs seien werden. „Dabei sind die Besatzzahlen im Individualverkehr mit einer durchschnittlichen Belegung von 1,1-1,2 Personen pro Auto extrem niedrig“, gab Hurek zu bedenken.

ÖPNV als Rückgrat der Kommunen

Dabei sei der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen mit mehr als 50 Prozent besonders hoch, fügte Alexander Kreipl, Leiter der Abteilung Verkehr/Technik/Umwelt beim ADAC Südbayern e.V., an. Ein Rückgrat sei deshalb ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV). Rüdiger Pape, Abteilung Politik und Außenbeziehung der BMW Group, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, wie wichtig der Austausch mit den Bürgern sei.

„Viele Menschen wollen eigentlich gar nicht das Auto nutzen, doch sie haben keine attraktiven Alternativen. Da müssen wir konkret nachfragen, was eigentlich die Anforderungen sind und wie wir Rahmenbedingungen neu definieren können“, sagte Pape. Hier könnten Runde Tische in den Gemeinden helfen, mit den Bürgern in einen Diskurs zu gehen.

Kooperation mit Stadt und Bahn

Dr. Brian Rampp, Leiter der Abteilung Politik der Audi AG, bezog sich auf den Aspekt der Nachhaltigkeit.

„Wir stehen als Audi AG zum Klimaabkommen von Paris und investieren zwölf Milliarden Euro bis 2024 in die Elektromobilität. Das aber alleine reicht nicht. So kooperieren wir zum Beispiel mit städtischen Verkehrsbetrieben, um Pendler vom Auto auf die Schiene zu bringen“, sagte er.

Entscheidend dabei seien drei Dinge: Taktfrequenz, Preis und Komfort des Bahnangebots. So wollen Fahrgäste einen Sitzplatz haben, um auch die Möglichkeit zu haben, zu arbeiten. Auch Dr. Kathrin Risom, Director der Abteilung Digital & Marketing bei SIXT, setzt auf Kooperationen zwischen Mobilitätsanbietern und Städten.

„Um Kunden attraktive Angebote wie Carsharing machen zu können, sind wir auf die Unterstützung der Politik angewiesen. Dazu zählen unter anderem Push & Pull-Faktoren“, forderte sie.

In Großstädten sind zum Beispiel eine Kombination von Mobilitätsangeboten und klaren restriktiven Regelungen beim Pkw-Stellplatzangebot erfolgsversprechend.

Ändert Corona das Mobilitätsverhalten?

Einig waren sich die Experten darin, dass verstärktes Homeoffice – wie unter der aktuellen Corona-Pandemie – nicht dazu führe, dass Autos weniger bewegt werden. Auch wenn Menschen seltener in die Arbeit pendeln, legen sie nahezu die gleiche Menge an Strecke pro Tag zurück und bevorzugen zudem das eigene Auto vor dem ÖPNV für die verbliebenen Fahrten zum Arbeitsplatz. Vor allem im ländlichen Raum werde das Auto weiterhin Fortbewegungsmittel Nummer eins bleiben, kündigte Hurek an. Unabhängig von der aktuellen Ausnahmesituation, sei jedoch das Mobilitätsverhalten der Menschen und nicht die Technologie entscheidend für die Zukunft des Individualverkehrs, prophezeite Lenz.

„Es geht dabei nicht darum, Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern für das Auto zu schaffen, sondern jede Mobilitätsoption an den richtigen Platz zu setzen“, lautete das Fazit der Professorin.

 

 

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