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(GZ-21-2020)
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► Kommentar zur deutschen Energiepolitik von Anne-Marie von Hassel:

 

Physikalische Grundkenntnisse sollten das politische Handeln prägen

Echte Energiewende gelingt nicht in der Kristallisation politischen Wunschdenkens

 

Die zwei bestimmenden Themen unserer Tage sind die sogenannte Corona-Krise und die schon etwas länger diskutierte Klima-Krise. Letzterer wollen wir in Deutschland mit einer Energiewende begegnen, an der sich der Rest des Universums unausweichlich ein Beispiel nehmen muss, denn wie stellte Ex-Umweltminister Jürgen Trittin 2004 fundamental fest: „Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet - so viel wie eine Kugel Eis.“

So kleidete dieser Politiker sein ideologisches Wunschdenken, seine Behauptung und sein Gesetzeskonstrukt in ein Umfeld, das er den Bürgern als Wahrheit verkaufte. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich gerne an die Uhrzeitumstellung am 6.4.1980, die ein messbares Instrument zur Energieeinsparung sein sollte, was sich allerdings als Rohrkrepierer herausstellte.

Heute kostet die Umverteilung von arm nach reich per EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) -Umlage (2020: 6,756 ct/kWh zuzgl. MwSt.) jeden Stromkunden bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 3.000 Kilowattstunden pro Jahr gut 17 Euro (zuzgl. MwSt.) im Monat (das sind bei derzeitigen durchschnittlichen Eiskugelkosten von einem Euro pro Kugel gut 17 Kugeln. Mit der Apanage eines Ex-Bundesministers und für den guten Zweck ist das sicherlich ein Leichtes zu stemmen, für Geringverdiener und Hartz IV-Empfänger ist das eher eine unsägliche Belastung.

Und in Sachen CO2-Einsparung sieht es ja bekanntermaßen eher mau aus, wobei von den Regenerativ-Lobbyisten mit Verve und Medienhilfe massiv bestritten wird, dass das irgendetwas mit einer Energiewendepolitik zu tun hat, die stets den zweiten Schritt vor dem ersten macht.

Dazu stellt Dr. Rupert Pritzl vom Bayerischen Wirtschaftsministerium sinnigerweise fest, dass die deutsche Klimapolitik auf dem EEG basiert. Das EEG aber ist nach Ansicht des Sachverständigenrats1 teuer und ineffizient und trägt fast nichts zur erwünschten Verringerung der CO2-Emisisonen bei.

Inzwischen gibt es einen „Wildwuchs“ unterschiedlicher Steuern, Abgaben und Umlagen, der eine wirksame Klimapolitik verhindert. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Klimapolitik als internationales Koordinationsproblem erkannt und behandelt werden. In Deutschland ist ein Strategiewechsel in Richtung Kosteneffizienz, Technologieoffenheit und einer stärkeren Förderung von Forschung und Entwicklung erforderlich.

Dass wir eine ökologisch vertretbarere Energiebedarfsdeckung brauchen, die aber auch sozialverträglich und ökonomisch verantwortbar bleiben muss, ist unbestritten. Allein die Herangehensweise an das Wie ist allerdings gerade auch bei uns in Deutschland eher von politischem Wunschdenken als von nüchternem, an Fakten und Naturgesetzen der Physik orientiertem Handeln geprägt.

Mit der Obszönität der wirtschaftlichen Stärke und übervoller Kassen (vor Corona) hat sich Deutschland ohne Not oder aus Lust am Untergang auf die Astspitze seines starken (Energie-) Baumes gesetzt und mit Wollust begonnen, eben diesen Ast der gesicherten, autarken Energieversorgung am Baumstamm abzusägen.

Als Ersatz hat man sich, vermeintlich dem Wahlvolkwillen gehorchend, aber eher auf Umfragewerte und Medienkampagnen schielend, der sogenannten Energiewende verschrieben, die da heißt:

Abwicklung einer gesicherten und bezahlbaren Grundlast-Energieversorgung, Umbau zu einer ausschließlich volatilen (Wetter und Tageszeit abhängigen), unsicheren und letztendlich vom Wohlwollen der europäischen Atom-Partner abhängigen Energieversorgung.

Ist man boshaft, wenn man derartiges Vorgehen als deutschen Energie-Imperialismus bezeichnet?

Unsere Nachbarländer werden ungefragt gezwungen, die Auswüchse unserer Energiewende zu ertragen. Um größere Schäden in ihren eigenen Energienetzen zu vermeiden, müssen sie unseretwegen erheblichen zusätzlichen technischen Aufwand betreiben. Unsere Nachbarn im Westen wie im Osten mussten teure Phasenschieber errichten, damit die deutsche Ökostromflut (oftmals zu Unzeiten) nicht deren Stromnetze kollabieren lässt.

Eine rühmliche Ausnahme bilden unsere österreichischen Freunde, die sich dank großer (Pump-) Speicherkraftwerke gegen ein entsprechendes Salär bereitfinden, zum Beispiel den überbordenden Sonnenstrom in Bayern, der an arbeitsfreien Tagen schon mal dem ungeregelten Einspeisen von mehr als 10 Kernkraftwerken mit über 13.000 Megawatt entspricht, in ihren Speicherseen zu bunkern, um ihn dann abends bzw. an Werktagen oder bei unsonnigem Wetter für Apothekenpreise uns wieder zur Verfügung zu stellen.

Ich darf betonen, es geht nicht darum, die fossile und/oder atomare Energieversorgung eines hochindustrialisierten Landes zu zementieren; aber immerhin verdankte Deutschland seinen Reichtum vor allem seiner starken Wirtschaft, die immer auf eine hochqualitative, unterbrechungsfreie, unabhängige Energieversorgung angewiesen war.

Das scheint obsolet – ist es aber nicht. Vielmehr geht es doch darum, außerhalb politischer Instrumentalisierung vernunftbetont und faktenorientiert Schritt für Schritt eine ökologisch vertretbarere Energieversorgung (Deutschland 4.0) aufzubauen. Aus meiner Sicht könnte hier – neben den hochvolatilen Energiequellen Sonne und Wind – eine achtsame und nachhaltige Nutzung der Wasserkraft ebenso wie der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft einen spürbaren und deutlichen Beitrag zu einer CO2-armen und sicheren Energieversorgung leisten.

Die deutsche CO2-Bilanz pro Kopf ist viel zu hoch, aber was wir durch teilweise diskutierte Deindustrialisierung, durch Abschalten der Grundversorgung aus Kohle, Gas und Atom bezogen auf die CO2-Bilanz weltweit einsparen, bewegt sich im Promillebereich und ist für die Rettung der Welt komplett irrelevant.

Letztendlich bleibt der Appell,

  • politisches Wunschdenken und Taktieren hintanzustellen,
  • naturgesetzliche Einflüsse auch bei der Elektrizitäts-Versorgung zu berücksichtigen,
  • den von gewinnmaximierenden Lobbyisten lautstark geforderten, ungehemmten Zubau von Leistung aus Wind- und Photovoltaik-Kraftwerken zu bremsen und dessen Rendite-Garantien in vernünftige, marktorientierte Bahnen zu lenken
  • lösungsorientiert an einer menschen- und umweltverträglichen Energieversorgung Schritt für Schritt gemeinsam und international zu arbeiten
  • den erhobenen deutschen Zeigefinger gegenüber dem Rest der Welt wieder einzuklappen
  • sich angesichts nach wie vor exponentiell steigender Bevölkerungszahlen in den Rest der Menschheit hineinzuversetzen
  • und den Wunsch dieser Menschen nach ausreichend Energie zu respektieren
  • bzw. ihnen zu helfen. Oberlehrerallüren sind dabei fehl am Platz.

 

Dieser Beitrag ist aus dem Sonderdruck „Passion für Wasserkraft – Corona-Spezial“, der am 5.11.2020 als Beilage zu Ausgabe 21/2020 erschienen ist.

 

 

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