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(GZ-13-2020)
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► Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe:

 

Staatsverschuldung perspektivisch zurückführen

 

Die Ausgestaltung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion rückt im Zuge der Corona-Krise wieder stärker in die politische Debatte. Nach Überwindung der akuten Phase müssen die Regeln für die Finanzpolitik abermals sauber aufgestellt werden, betonen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe und plädieren für ein zweistufiges Vorgehen.

In der aktuellen Krise steht aus ihrer Sicht die Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung im Vordergrund, darf jedoch die fiskalischen Konsequenzen nicht völlig ausblenden. Die mittelfristigen Folgen überhöhter staatlicher Verschuldungen müssten beachtet werden.

„Unseres Erachtens sollten in die Gesamtdiskussion auch die Ausgestaltung des Wiederaufbaufonds für Europa sowie die finale Einigung zum mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) einbezogen werden. Insofern sollte eine Entscheidung über die weitere Handhabung der wirtschafts- und finanzpolitischen Regeln erst zum Ende der Deutschen Ratspräsidentschaft gefällt werden“, erläutert Dr. Reinhold Rickes, Leiter Volkswirtschaft beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).

Haushaltsregeln und Strukturreformen

Im Zentrum der wirtschaftspolitischen Steuerung müssten künftig die europäischen Haushaltsregeln und Strukturreformen stehen. Dies seien die beiden Eckpfeiler, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas künftig prägen werden. Nach Auffassung der Chefökonomen müssen folgende Schritte für eine bessere Koordination der einzelnen Maßnahmen und deren größere Wirksamkeit beachtet werden:

1. Fokus auf bereits bestehende Vereinbarungen: Auf eine stringentere Umsetzung der jeweiligen nationalen Stabilitäts- und Konvergenzprogramme achten. Darin könnte eine Verpflichtung aufgenommen werden, in Zeiten guter Konjunktur nationale Haushaltspuffer anzulegen, um im Abschwung handlungsfähig zu bleiben – und um die nationale fiskalische Souveränität zu erhalten und die Geldpolitik zu entlasten.

2. Systemwechsel prüfen: Das offenbar nicht zielführende Sanktionssystem sollte ersetzt und der Übergang zu einem Bonus-System geprüft werden. Staaten, die den vereinbarten Vorgaben besser entsprechen, könnten dann zusätzliche EU-Gelder erhalten.

3. Zeitliche Straffung der Abläufe: Die verschiedenen Analysen und Berichte sowie Verfahrensstufen sollten zeitlich gestrafft werden, so dass Empfehlung, Frist, Evaluierung und Konsequenz zügig und berechenbar aufeinanderfolgen. Automatismen einrichten, wo immer möglich.

4. Bestmögliche organisatorische Verzahnung: Analysen, Berichte und Evaluierungen möglichst aus einer Hand, kurze Dienstwege, abgestimmte Empfehlungen und Kontrollen.

5. Konkrete Definition von Ausnahmen: Wie die aktuelle Pandemie zeigt, können Ereignisse eintreten, die als Sondersituation den Rahmen des vereinbarten Regelwerks sprengen. Ausnahmen und Interpretationsspielräume sollten jedoch vorab streng eingegrenzt sein, um klare Handlungsleitlinien zu haben. Art. 122 AEU etwa, der auf „außergewöhnliche Ereignisse“ abstellt, lässt große Spielräume. Ein Beschluss der Regierungen auf Basis festgelegter Kriterien, ob eine Sondersituation vorliegt, könnte hier eine Basis schaffen.

DK

 

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