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(GZ-13-2020)
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► Positionspapier des Wirtschaftsbeirats Bayern:

 

Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft

 

Geht es nach den Vorstellungen der EU-Kommission, soll der Finanzindustrie eine wichtige Aufgabe bei der Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität zukommen. Die Finanzindustrie unterstützt die Bemühungen für ein noch nachhaltigeres Finanzwesen, das bereits heute private Investitionen für ökologische Zwecke wie den Klima- und Umweltschutz mobilisiert oder die Finanzierung von gezielten Infrastrukturprojekten bereitstellt. Sie teilt die Meinung der EU-Kommission, dass es notwendig ist, die negativen Einflüsse des Klimawandels als Kostenfaktor für Unternehmen besser zu analysieren.

Bei der Beurteilung einzelner Maßnahmen sollte nach Auffassung des Wirtschaftsbeirats Bayern jedoch ihre Einbettung in die Grundsätze der sozialen und ökologisch verantwortlichen Marktwirtschaft eine maßgebliche Rolle spielen, auf die sich die EU und ihre Mitgliedstaaten in Art. 3 des Europäischen Unionsvertrags („eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“) verpflichtet haben.

Wie Prof. Dr. Franz-Christoph Zeitler, Vorsitzender des Ausschusses Finanzmärkte, und seine Stellvertreterin Silke Wolf in einem aktuellen Positionspapier darlegen, „kann man deshalb nicht von der Notwendigkeit des Zieles ‚Klimaschutz‘ auf die Tauglichkeit aller in der Öffentlichkeit genannten Instrumente schließen. Auch ist auf eine Gleichgewichtung der ESG (Environment Social Governance)-Kriterien und der Wechselwirkungen zueinander zu achten. Ökologische Aspekte dürfen nicht zu Lasten der anderen Kriterien, insbesondere sozialer Auswirkungen einseitig priorisiert werden.“ 

Wie alle Sektoren der Wirtschaft müsse die Finanzindustrie einen wesentlichen Beitrag für Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten; sie sei sich ihrer Verantwortung auch bewusst, wie u. a. das Wachstum nachhaltiger Geldanlagen und verantwortungsvoller Investments zeigt, so der wbu.

Aus der Bedeutung und Notwendigkeit des klimapolitischen Ziels könne jedoch nicht auf die Tauglichkeit aller in der Öffentlichkeit genannten Instrumente geschlossen werden. Es gehe darum, sich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit die Kräfte der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft zu Nutze zu machen und der Versuchung einer bürokratischen Investitionslenkung zu widerstehen, die in der europäischen Wirtschaftsgeschichte noch nie eine Formel für Wachstum und Fortschritt war.

Die Mitgliedstaaten der Union hätten sich im Europäischen Unions-Vertrag auf die Grundsätze einer sozialen Marktwirtschaft verpflichtet. Letztlich könne das globale Klima nur länderübergreifend und global geschützt werden, heißt es weiter.

Die Internationale Handelspolitik, die Arbeit der WTO seien daraufhin auszurichten, „während eine einseitige Vorreiterrolle einzelner Länder ökologisch wirkungslos und kontraproduktiv sein kann, wenn sie zu Verlagerungen und Ausweichbewegungen in Unternehmen und Länder mit höheren Emissionsmöglichkeiten führt“.

Zwischen klimapolitischen Zielen und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Die notwendige Balance zwischen klimapolitischen Zielen und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit könne nur gewahrt werden, wenn die Klimaschutzmaßnahmen technologieoffen, länder- und sektorübergreifend dort erfolgen, wo die größte Kosteneffizienz und klimapolitische Wirksamkeit gewährleistet ist. Dies sei am wirkungsvollsten durch die Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) als Kern und Partner eines künftigen globalen Emissionshandelssystems zu erreichen.

Mit Emissionshandelssystem Fehlallokationen vermeiden

Dies zeigen laut wbu auch die bisherigen praktischen Erfahrungen: Aus seiner Sicht wäre es mit einem umfassenden, technologieoffenen Emissionshandelssystem möglich gewesen, kostenintensive und umweltpolitisch fragliche Fehlallokationen zu vermeiden, wie zum Beispiel die lange Zeit praktizierte einseitige Förderung der Batterietechnik zulasten von Wasserstofftechnologie und synthetischen Kraftstoffen oder die lange Zeit allein auf den PKW-Verkehr fixierte Grenzwert-Festlegung unter Vernachlässigung von Handels- und Kreuzfahrtschiffart und des Schwerlastverkehrs.

Für die Finanzindustrie bedeute dies, die von einem Emissionshandelssystem ausgehenden Anreize und Preissignale rechtzeitig in der Risikosteuerung zu berücksichtigen; dies gelte sowohl für das Marktrisiko, wie das Kredit- und das operationelle Risiko. Eine spezielle Risikokategorie „Klimarisiken“ mit einem „green supporting factor / brown penaljzing factor“ für als klimafreundlich/-schädlich betrachtete Investitionen und Produktionsverfahren würde dagegen die Risikosteuerung verzerren und die Finanzstabilität schwächen.

Nach Ansicht des wbu sollte die geplante EU-Taxonomie-VO, die ohne Rücksicht auf die Planungen für das Emissionshandelssystem zum Ziel hat, mit einer Fülle delegierter Rechtsakte und Ausführungsbestimmungen für jede Wirtschaftstätigkeit eine umweltpolitische Bewertung abzugeben, wegen ihres im Grunde planwirtschaftlichen Lenkungsansatzes auf eine freiwillig-subsidiäre Rolle beschränkt bleiben und den Märkten Anhaltspunkte für nachhaltige Anlagen unter Vermeidung eines „green washing“ geben (Portfoliokanal).

Für die Entscheidung über Versicherungsleistungen und die Kreditvergabe (Kreditkanal) sei dieser Ansatz mit einer Fülle von Offenlegungs- und Berichtspflichten über die gesamte Lieferkette hinweg jedoch ungeeignet und würde die Vorbereitung privater Investitionsentscheidungen an den Zeitaufwand öffentlicher Investitionen annähern.

Um die Coronavirus-Krise zu überwinden und angesichts der Gefahr einer zweiten und dritten Infektionswelle müssten sich die Unternehmen mit Unterstützung von Banken und Versicherungen voll auf den wirtschaftlichen Wiederaufschwung, die Neuorganisation ihrer internen Abläufe, ihrer Lieferanten- und Absatzwege konzentrieren können und dürften nicht durch die Umsetzung neuer bürokratischer Bestimmungen, Offenlegungs- und Berichtspflichten gegenüber Finanzinstituten und Behörden belastet werden.

Zur Leitung der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise sei deshalb eine zweijährige Regulierungspause gegenüber neuen belastenden Bestimmungen im Steuer-, Sozial- und Umweltrecht erforderlich. Diese Zeit sollte u. a. dazu genutzt werden, den Entwurf der Taxonomie-Verordnung an das geplante umfassende europäische Emissionshandelssystem anzupassen. Hingegen sollten EU-weite und nationale Konjunkturprogramme zur Überwindung der Krise und zur Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums Nachhaltigkeitsaspekte in angemessenem Umfang berücksichtigen. Damit könnten die Schwerpunkte künftiger unternehmerischer Investitionspolitik deutlich gemacht werden.

DK

 

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