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(GZ-6-2020)
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► Volks- und Raiffeisenbanken ziehen Bilanz für 2019:

 

Trotz schwächelnder Konjunktur legen Wachstum und Ertrag zu

 

Für die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken war 2019 ein „ordentliches, von Wachstum geprägtes Jahr“. Daran habe auch die schwächelnde Konjunktur nichts geändert. Und trotz Corona-Epidemie könne auch das laufende Jahr wieder ordentlich werden, sagte Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern (GVB) in der summarischen Bilanzpressekonferenz der 227 Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat voraus. Das Wachstum der vergangenen Jahre werde sich fortsetzen. Das Ergebnis vor Steuern nahm, auch dank Sondereffekten, im Berichtsjahr um 32,5% auf 1,65 (1,24) Mrd. Euro zu.

GVB-Präsident Jürgen Gros (l.) gemeinsam mit GVB-Vorstand Alexander Büchel.
GVB-Präsident Jürgen Gros (l.) gemeinsam mit GVB-Vorstand Alexander Büchel.

Diese positiven Entwicklungen dürften aber nicht davon ablenken, dass die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Banken vor gewaltige Herausforderungen stelle. Man müsse von einem langfristig niedrigen Zinsumfeld ausgehen, denn nach EZB-Prognosen werde das Inflationsziel von knapp unter 2%, das als Voraussetzung für eine Zinswende gilt, noch bis mindestens zum Jahr 2024 verfehlt. Eine höhere Inflation als die derzeitige gilt aber der EZB als Voraussetzung für eine Zinsänderung.

Kreditgeschäft

Das Wachstum spiegelt sich in der (addierten) Bilanzsumme. Sie wuchs um 4,9% auf 176 (168) Mrd. Euro. Dazu trugen die Kredite bei, die insgesamt um 6,3% auf 109 Mrd. Euro zulegten. An Privatkunden wurden 48,5 Mrd. Euro (+5,7%) ausgereicht, an Firmenkunden, vor allem mittelständische, 69,9 Mrd. Euro (+7,0%).

Treibende Kraft im Kreditgeschäft waren Immobilienkredite wegen des anhaltenden Baubooms. Kredite an die öffentliche Hand stagnierten auf niedrigem Niveau. Die schwächelnde Konjunktur des vergangenen Jahres war im Kreditgeschäft der Mitgliedsbanken nicht zu spüren, weil die Kreditkunden weniger vom volatilen Exportgeschäft abhängig waren, sondern von der stabilen Binnenkonjunktur profitierten.

Aber auch das Einlagengeschäft trug zum Wachstum bei, denn die Kundengelder legten um 5,0% auf 137 Mrd. Euro zu. Fleißigste Einleger waren Privatkunden mit 90,4 Mrd. Euro (+5,1%) vor den Firmenkunden mit 36,3 Mrd. Euro (+6,3%). Öffentliche Haushalte legten nur 8 Mrd. Euro (+0,8%) an.

Problem Einlagenüberschuss

Besonders stolz sind die Genossenschaftsbanken darauf, dass sie die zusätzlich erzielten Einlagen voll wieder als Kredite ausgeben konnten. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie insgesamt einen Passivüberhang (Überhang an Einlagen) von 28 Mrd. Euro zu bewältigen hatten.

Sie konnten insgesamt also nicht alle Einlagen als Kredite wieder vergeben. Da auch sie nicht ausreichend Anlagemöglichkeiten zur Verfügung hatten, andererseits aber auch nicht immer die Kunden dazu bewegen konnten, Aktien und Fondsanteile zu kaufen oder Versicherungen und Bausparverträge abzuschließen statt einfach Geld aufs Konto einzuzahlen, mussten sie 4,5 Mio. Euro Strafzinsen auf ihre Einlagen bei der EZB zahlen.

Und das, obwohl die Kunden im Finanzverbund bei Union Investment, bei den R+V-Versicherungen und der Bausparkasse Schwäbisch Hall Anlagen über 226,1 Mrd. Euro (+13,3%) getätigt hatten. Gros: „Der Einlagenüberschuss wird in der Niedrigphase zum Problem.“ Staats- und Unternehmensanleihen aber seien so risikobehaftet, dass sie für eine Anlage ausschieden.

Was bei der EZB Strafzinsen heißt, nennt sich bei den Banken Negativzinsen. Davon seien aber nur 0,5% aller Privatkunden betroffen und nur 0,1% des gesamten Zinsertrages. Zwei Drittel der Mitgliedsbanken hätten überhaupt keine Negativzinsen eingeführt, und das verbleibende Drittel lediglich für eine kleine, vermögende Kundengruppe. Entsprechende Konditionen für Neukunden dienten dazu, Bestandskunden zu schützen, sofern nur das Ziel verfolgt werde, Geld auf dem Konto zu parken. Neukunden, die mit dem Geld Geschäfte tätigen wollten, fielen nicht unter die Negativzins-Regelung.

Der durchschnittliche Privatkunde einer Volks- oder Raiffeisenbank habe weniger als 20.000 Euro auf dem Konto liegen, und das sei weit unterhalb der Grenze, bei der man anfange, über Negativzinsen nachzudenken. Bei Firmenkunden und öffentlichen Anlegern gehörten Negativzinsen und Verwahrentgelte dagegen seit Längerem schon zur gängigen Praxis. Das lasse sich mit den höheren Einlagensummen erklären.

Solides Wirtschaften

Vor diesem geschäftlichen Hintergrund ist das schon erwähnte Ergebnis vor Steuern zu sehen. Die Steigerung um 32,5% sei, so Gros, auf zwei Effekte zurückzuführen. Den größten Einfluss hatte die Erholung an den Aktien- und Anleihemärkten, was eine Zuschreibung im eigenen Bestand von 154 Mio. Euro bewirkt habe. Im Vorjahr hatten noch Wertberichtigungen von minus 310 Mio. Euro zu Buche geschlagen. 2019 hätten die Mitgliedsbanken das wieder aufgeholt, was sie im Jahr zuvor an Abschreibungen hatten hinnehmen müssen. Zum Zweiten spielt das Provisionsergebnis aus dem Handel mit Wertpapieren und der Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen eine wichtige Rolle, denn es legte um 10% auf 1,645 (1,241) Mrd. Euro zu.

Dagegen ging der Zinsüberschuss auf Grund regulatorischer Vorgaben um 26 Mio. auf 2,930 (2956) Mrd. Euro zurück, weil im Kreditbuch auf Grund regulatorischer Vorgaben Wertberichtigungen von 34 Mio. Euro zu verkraften waren. Außerdem sank die Zinsspanne weiter auf 1,71 (1,81) %, wogegen die Provisionsspanne auf 0,70 (0,67) % zulegte. Zwar stiegen die Betriebskosten um 26 Mio. auf 2,639 Mrd. Euro, doch seien sie im Verhältnis zur Bilanzsumme gesunken, wie auch die Aufwand/Ertrag-Relation (CIR) mit 64,3 (64,7) % zeige. Dies sei im Bankenvergleich ein sehr gutes Ergebnis, betonte Gros, der als Beweis für solides Wirtschaften der Mitgliedsbanken auch auf die Kernkapitalquote von 15,64% verwies.

All dies gebe Grund zum Optimismus. Wie sich der momentane Einbruch an den Aktienmärkten generell auf die Wirtschaft und speziell das Geschäft und den Ertrag der Volks- und Raiffeisenbanken auswirkt, sei derzeit noch nicht zu sagen. Wenig zufrieden sind die Genossenschaftsbanken mit den EU-Plänen für eine „Green-Finance-Wirtschaft“. Um Lenkungseffekte zum ökologischen Umbau der Wirtschaft zu erzielen, sollten, so Gros, die Kreditinstitute als „Öko-Sheriffs“ missbraucht werden. Klimaschutz und Nachhaltigkeit seien zwar wichtige Ziele, aber es sei nötig, klar zu definieren, was als nachhaltig anzusehen sei.

Auf die Kreditvergabe und das Geschäft des Mittelstandes kämen unter Umständen gewaltige Umwälzungen zu. Wenn es bei der Kreditvergabe ganz wesentlich auf Klima- und Umweltverträglichkeit der Kredite ankomme, würde die bisherige Praxis, Kredite anhand ihres Risikos zu bewerten, aufgeweicht. Dabei sei aber bisher unbeantwortet, ob grüne Investitionen per se ein geringeres Risiko in sich trügen als herkömmliche Kredite.

Es sei nicht auszuschließen, dass auf diese Weise falsche Investitionsanreize im Finanzwesen gesetzt würden, was das Gegenteil von Finanzstabilität bewirke und zur Bildung neuer Blasen führen könne. Was jetzt eventuell bevorstehe, würde regulatorisch fast alles in den Schatten stellen, was man in den vergangenen Jahren gesehen habe, warnte Gros. Die Banken würden zu Handlangern der Politik. Es sei zu bezweifeln, dass allen Akteuren die Folgen der Nachhaltigkeitspolitik bewusst seien.

Kritik an Olaf Scholz

Kritik übte Gros auch an Bundesfinanzminister Olaf Scholz wegen dessen Eintreten für eine europäische Einlagensicherung als Baustein für die Bankenunion. Ein solcher Schritt gefährde die Bankenstabilität. Welche Bank, vor allem in Frankreich, Italien und Griechenland, verspüre noch den Anreiz, die eigenen Bilanzen zu bereinigen, wenn es eine europäische Einlagensicherung gebe? Diese Länder hätten immerhin 52% aller europäischen Problemkredite in ihren Büchern. Außerdem forderte Gros, dass Staatsanleihen wie Firmenkredite zu behandeln. Auch sie sollten mit Eigenkapital unterlegt werden müssen.

EZB-Maßnahmen

Was die EZB-Politik angeht, hält Gros nichts von einer weiteren Zinssenkung, also der Erhöhung der Strafzinsen, denn Mangel an Liquidität sei nicht das Problem. Es fehle vielmehr an Produktionsvoraussetzungen und -möglichkeiten. Außerdem sei die Bevölkerung verängstigt. Darauf müssten die EZB-Maßnahmen abstellen. In den Jahren 2008/09 habe es eine Finanzkrise gegeben, dieses Mal handle es sich aber um eine realwirtschaftliche Krise. 2019 ist die Zahl der Genossenschaftsbanken durch Fusionen von 236 auf 227 geschrumpft.  Heuer sei mit zehn Fusionen zu rechnen. Weiter zurückgehen werde auch die Zahl der Geschäftsstellen. Im Berichtsjahr nahm ihre Zahl auf 2158 (2254) ab. Die Zahl der Mitarbeiter werde weiter von zuletzt 30 755 auf unter 30 000 abnehmen.

Wenn es gelinge, die Kosten weiter zu senken, „und daran arbeiten wir permanent“, habe er für das laufende Jahr allen Grund zum Optimismus, auch was das Ergebnis angehe, sagte Gros. Der Bauboom bleibe ein Geschäftstreiber.

dhg

 

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