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(GZ-6-2020)
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► Jahrespressekonferenz der bayerischen Sparkassen:

 

Starkes Kundengeschäft bei hohem Ergebnisdruck

 

Die Folgen aus zehn Jahren Niedrigzinsen kommen bei den Kunden der bayerischen Sparkassen und in ihrem Geschäftsbetrieb immer deutlicher zum Vorschein. Wie Dr. Ulrich Netzer, Präsident des Sparkassenverbands Bayern, bei der Jahrespressekonferenz in München feststellte, „müssen die Sparkassen jetzt neue Wege suchen, um damit so umzugehen, dass weder ihre Kunden noch sie selbst zu stark belastet werden. In einer starken Kundenbeziehung finden wir auch gemeinsame Wege und sinnvolle Anlageprodukte.“

So konnten die bayerischen Sparkassen auch im Geschäftsjahr 2019 ihr Kundengeschäft wieder stark ausbauen: Sowohl bei Privat- als auch bei Unternehmenskunden sind Kredit- und Einlagevolumen überdurchschnittlich gestiegen. Das Kreditvolumen lag am Jahresende bei insgesamt 142,3 Mrd. Euro. Überdurchschnittlich wuchs dabei der Bestand an Unternehmenskrediten: Er stieg um 5,9 Prozent auf 76,3 Mrd. Euro. Das Kreditvolumen von Unternehmen und Selbstständigen nimmt seit Jahren besonders stark zu, so dass der Anteil der Mittelstandskredite an den Gesamtausleihungen wuchs.

Im Jahr 2019 wurden neue Darlehen in Höhe von 16,9 Mrd. Euro an Unternehmen und Selbständige zugesagt – 4,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Netzer zufolge wachsen die Darlehenszusagen weiterhin stetig, doch sei inzwischen eine Entschleunigung des Wachstums zu beobachten. Die bayerischen Unternehmen seien nach wie vor hochdynamisch, die Zeichen stünden auf Expansion. Am langsameren Wachstum lasse sich aber ablesen, dass sich die konjunkturellen Aussichten perspektivisch weiter eintrüben.

Mittelstandsfinanzierung

Vor diesem Hintergrund betonte der Verbandspräsident, dass die Bedingungen für die Mittelstandsfinanzierung nicht erschwert werden dürften. Auch angesichts des harten, zum Teil internationalen Wettbewerbs benötigten kleine und mittlere Unternehmen zuverlässige Finanzierungsbedingungen.

Während die Sparkassenkunden bei Finanzierungen von der aktuellen Nullzinslage profitieren, gestaltet sich die Situation bei den Einlagen mit einem gestiegenen Gesamtvolumen von 175 Mrd. Euro schwierig. Mit der EZB-Geldpolitik der vergangenen Jahre sind renditebringende Anlagen ohne Risiko faktisch nicht mehr möglich – sehr viele Kunden „parken“ ihr Geld daher in Sichteinlagen. Damit verzichten sie laut Netzer auf Ertragschancen, die sie bei gutem Risikomanagement über Wertpapiere erzielen könnten.

Fast 90 Prozent der 2019 ausgereichten Kredite der Sparkassen an Privatpersonen waren Immobilienkredite (52,8 Mrd. Euro; +4,8 Prozent). Dieser Bestand wächst seit einiger Zeit langsamer als der von Bauträgern und anderen Wohnungsunternehmen (2019: +8,4 Prozent). Der Markt für private Immobilien hat sich zusehends verengt und Private stehen so vor allem in Ballungsgebieten immer öfter vor Hürden beim Immobilienerwerb. 2019 wuchs das Neugeschäft mit Privaten allerdings erstmals wieder überdurchschnittlich.

Auch im Bauspargeschäft verzeichneten die bayerischen Sparkassen 2019 eine gute Entwicklung. Nach einem besonders erfolgreichen Jahr 2018 blieben die Sparkassen 2019 auf Niveau und vermittelten eine Bausparsumme von insgesamt 6,67 Mrd. Euro. Netzer begrüßte, dass die staatliche Förderung für Bausparer mit der Wohnungsbauprämie ab 2021 angehoben wird (Einkommensgrenze von 25.600 auf 35.000 Euro, Prämienhöhe 10 Prozent). Dies helfe für den Vermögensaufbau in der Breite.

Nach einem guten Börsenjahr ist der Wertpapierumsatz nach einem Rückgang 2018 um 5,5 Prozent gewachsen. Dabei übersteigen zum siebten Mal in Folge die Wertpapierkäufe wieder deutlich die -verkäufe. Mit 11,3 Prozent deutlich zugenommen haben 2019 die Käufe von Investmentfonds. Noch mehr Kunden als im Vorjahr haben sich inzwischen auch dem regelmäßigen Wertpapiersparen zugewandt. Die Zahl der Fondssparpläne mit dem Verbundpartner Deka stieg 2019 um 15 Prozent, 2018 waren es 11 Prozent.

2019 war dabei insgesamt wieder ein Jahr der Geldvermögensbildung: Die Privatkunden der Sparkassen legten wie im Vorjahr insgesamt knapp 8,8 Mrd. Euro neu auf ihren Konten, Depots, in Bausparverträgen und Lebensversicherungen an. „Die Menschen denken an die Zukunft, geben nicht alles in den Konsum, sondern sparen“, hob der Sparkassenpräsident hervor. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass nicht alle Einkommensgruppen diese Möglichkeiten haben.“

Netzer forderte deshalb flankierende staatliche Fördermaßnahmen, um Aktien und Wertpapiere als weitere Säule der Altersvorsorge zu stärken. Als perspektivisch hilfreich bezeichnete er den Vorschlag, die Spekulationsfrist für Aktien wiedereinzuführen. Wer eine Aktie oder Anleihe länger als fünf Jahre hält, soll laut diesem Vorschlag von der Steuer auf Kursgewinne befreit werden.

Eine massive Behinderung für den Aufbau von privatem Vermögen zur Altersvorsorge sieht Netzer hingegen in einer Finanztransaktionssteuer, wie sie bereits seit mehreren Jahren in der Diskussion steht: „Ursprünglich gedacht für den Hochfrequenzhandel, würde sie der breiten Aktienkultur schaden – gerade in der jetzigen Situation ist das absolut widersinnig. Der Plan sollte deshalb möglichst bald vom Tisch.“

Finanzielle Vorsorge stärken

Insgesamt entscheidend sei, dass die politische Diskussion über geeignete staatliche Fördermaßnahmen fortgesetzt wird, um die finanzielle Vorsorge zu stärken. In diesem Zusammenhang forderte Netzer erneut eine deutliche Anhebung des Sparerfreibetrags, damit auch Niedrigverdiener bessere Chancen zur Zukunftsvorsorge haben.

Im vergangenen Jahr erzielten die bayerischen Sparkassen ein Betriebsergebnis vor Bewertung von rund 1.621 Mio. Euro. Es liegt um 3,0 Prozent bzw. 50,2 Mio. Euro unter dem Vorjahresergebnis. Maßgeblich für diese Entwicklung war, dass der Rückgang des Zinsüberschusses (-56,6 Mio. Euro) auch durch eine deutliche Steigerung der Provisionsüberschüsse (+80,5 Mio. Euro) nicht kompensiert werden konnte. Denn die trotz Sparmaßnahmen gestiegenen Verwaltungsaufwendungen (ebenfalls +80,5 Mio. Euro) zehrten diese guten Erträge aus dem Vertrieb vollständig auf.

Entsprechend hat sich auch die Cost-Income-Ratio der bayerischen Sparkassen von 64,3 Prozent im Jahr 2018 auf 65,6 Prozent in 2019 verschlechtert. Um einen Euro zu verdienen, mussten die bayerischen Sparkassen im vergangenen Jahr also fast 66 Cent einsetzen.

Der Trend in der Entwicklung des operativen Ergebnisses zeigt, dass sich die Spielräume zur Gegensteuerung weiter verengt haben. Effizienzsteigerung, Kosten optimierung und wachsender Vertriebserfolg können das Betriebsergebnis nicht auf dem alten Niveau halten. „Das Betriebsergebnis ist jetzt im Durchschnitt noch auskömmlich. Doch bei weiterem Anhalten der aktuellen Zinssituation müssen die Sparkassen tiefer eingreifen, um den Abwärtstrend abzupuffern“, befürchtet Netzer.

Bei ihren Effizienzmaßnahmen stoßen die bayerischen Sparkassen inzwischen aber immer öfter an Grenzen. Es gibt bereits erste Institute, bei denen der Zinsüberschuss den Verwaltungsaufwand nicht mehr deckt. Sie sind also gehalten, neue Wege zu beschreiten. Nach Netzers Auffassung „stehen uns die betriebswirtschaftlich schwierigsten Zeiten noch bevor, weil sich die Auswirkungen der Niedrigzinssituation verschärfen und viele erfolgreiche Gegensteuerungspotenziale bereits ausgeschöpft sind. Wir müssen unsere Vertriebsanstrengungen weiter intensivieren, durchgehend Dienstleistungen bepreisen und unseren Zinsaufwand senken. Dazu gehört in Teilen auch, dass wir manche Altverträge kündigen und für große Einlagesummen Verwahrentgelte veranschlagen.“

Dank des guten Bewertungsergebnisses im Wertpapiergeschäft ist 2019 ein gutes Betriebsergebnis nach Bewertung von 1,076 Mio. Euro zu verzeichnen. Nach den noch vorläufigen Berechnungen (Ende der Jahresabschlussprüfungen: 31.05.2020) wird nach Steuern am Ende ein Jahresüberschuss von 441,4 Mio. Euro (2018: 332,5 Mio. Euro) stehen.

Sparkassen als Förderer

Ihrem öffentlichen Auftrag entsprechend übernehmen die Sparkassen auch eine besondere Rolle als Förderer in der Gesellschaft des Freistaats: Neben Sponsoring und Spenden haben die 64 bayerischen Sparkassen und der Sparkassenverband 2019 insgesamt 115 Stiftungen unterhalten, mit denen sie soziale Zwecke, Umwelt, Kultur und Sport in ihren Geschäftsgebieten fördern. Insgesamt wurden 2019 über 49 Mio. Euro für gemeinnützige Zwecke und Einrichtungen bereitgestellt – das ist fast 1 Million pro Woche. Die Sparkassen entlasten damit auch ihre Trägerkommunen. Davon profitieren alle im Geschäftsgebiet – Kunden genauso wie Nichtkunden der Sparkassen.

Mit Blick auf ein weiteres Megathema, nämlich die rapide zunehmende digitale Transformation, verwies Roland Schmautz, Vizepräsident des Sparkassenverbandes Bayern, darauf, dass diese den Alltag der Sparkassen genauso wie den ihrer Kunden verändere. Die Finanzwirtschaft insgesamt stehe auch ohne Niedrigzinssituation vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte.

Der Umbruch, der sich mit der digitalen Transformation vollzieht, umfasse alle Bereiche des traditionellen Bankwesens. Jeder Teil der Wertschöpfungskette sei betroffen: Digitale Lösungen für die Endkunden, digitalisierte Prozesse im Bankbetrieb, neue digitale Geschäftsmodelle im Bankenmarkt. All das bedeute Neuorientierung und Investition.

Ende 2019 nutzten bereits bundesweit mehr als 8 Mio. Kunden regelmäßig die Sparkassen-App, die wiederholt von der Stiftung Warentest als beste Banking-App ausgezeichnet wurde. Daneben wird kontaktloses Bezahlen zusehends zur Normalität. Insgesamt 3,79 Mrd. girocard-Transaktionen wurden 2019 durchgeführt, davon 1,74 Mrd. allein von Sparkassenkunden. 37,3 Prozent aller Transaktionen, d.h. 27 Prozent des Umsatzes, liefen sogar kontaktlos.

Immer mehr Kunden entdeckten diese schnelle und einfache Bezahlweise für sich, wie Schmautz erläuterte: „Neue Lösungen brauchen immer ihre Zeit, bis die Kunden sie am Point of Sale tatsächlich einsetzen. Hier geht es erfahrungsgemäß nicht um Revolution, sondern um Evolution – die allerdings ist nicht aufzuhalten.“ 94,6 Prozent aller Sparkassen-girocards seien heute schon bereit für Kontaktlos-Zahlungen, die Vollausstattung werde noch 2020 erreicht.

Kontaktloses Bezahlen

Mehr als die Hälfte der Kontaktlos-Zahler interessiert sich dabei allerdings für die digitale Karte im Smartphone. Denn der Bezahlvorgang ist damit schnell, noch einfacher und das Smartphone ist ohnehin meist griffbereit. Seit Sommer 2018 bieten die meisten Sparkassen die digitale girocard für NFC-fähige Android-Smartphones an.

Einsetzen können Kunden diese bei allen Händlern, an deren Terminals sie auch mit der physischen girocard kontaktlos bezahlen – allein in Deutschland an rund 725.000 Händlerkassen. Seit Dezember 2019 bieten die Sparkassen auch die Möglichkeit an, mit Apple Pay zu bezahlen. Aktuell wird dazu eine Sparkassen-Kreditkarte hinterlegt, im Laufe des Jahres folgt auch die Integration der girocard.

Mit der digitalen Transformation sind Standard-Bankgeschäfte zusehends in den Online-Bereich gewandert. Gleichzeitig ist das Personal in den Filialen weniger häufig, dann aber für spezielle, anlassbezogene Beratung gefragt. Deshalb haben viele bayerische Sparkassen ihr Geschäftsstellennetz umgebaut. Nach Schmautz‘ Worten „erfordern die gestiegenen Kundenerwartungen an die Beratungsqualität meist ein Team von Fachleuten. Das können Kleinstfilialen nicht leisten.“

Starke Präsenz in der Fläche

Die 64 bayerischen Sparkassen haben außerdem in Kundenservicecenter und Digitale Beratungscenter investiert. Sie betreiben gleichwohl ein immer noch dichtes Netz von 2.195 Geschäftsstellen (2018: 2.260), 553 Selbstbedienungs-Geschäftsstellen (2018: 572) und 3.599 Geldautomaten (2018: 3.679). Damit bleiben sie nachhaltig stark präsent in der Fläche und sind auch für Kunden, die nicht online gehen, erreichbar. 90 Prozent der Menschen in Süddeutschland erreichen die nächste Sparkasse in weniger als 7 Minuten.

Fazit: Die deutsche Finanzwirtschaft steht derzeit vor einem strukturellen Herausforderungskatalog, wie es ihn noch nie gab – der Druck steigt. Für die Sparkassen geht es deshalb darum, sich abzuheben und ihre besondere Kundenbeziehung weiter zu vertiefen. Dazu müssen sie in ihren Backoffice-Aufgaben deutlich besser entlastet werden als in der Vergangenheit.

Sparkassenpräsident Netzer forderte deshalb: „Die Sparkassen brauchen standardisierte Prozesse, klare Produktlandschaften und eindeutige Strukturen und auch eine bessere Arbeitsteilung in einer straffen, zielgerichteten Verbundorganisation, damit sie sich noch stärker auf ihre Kundenbeziehung konzentrieren können. Kunden sollen deutlich spüren, warum sie am liebsten Sparkassenkunden sind.“

Einen wichtigen Baustein für den Prozess der Straffung und Verschlankung der Gesamt-Sparkassenorganisation sieht Netzer dabei in der Schaffung eines sog. Zentralinstituts, wie es derzeit in der Diskussion steht. Dabei sieht er das Ziel der Risikoreduzierung als maßgebend: „Es ist Konsens in der Gruppe, dass vor allem die Risiken der Verbundorganisation deutlich reduziert werden müssen. Sie haben sich in der Vergangenheit immer wieder aufreibend zulasten der Sparkassen realisiert. Außerdem geht es nach wie vor darum, Redundanzen abzubauen und Produktangebote zu verbessern.“ Jetzt müsse ein professioneller Prozess aufgesetzt werden, mit dem bald Schritt für Schritt die komplexen Fragen abgearbeitet werden. „Denn das Zeitfenster, in dem wir das Heft des Handelns in der Hand haben, ist nicht unbegrenzt. Wir müssen bald vorankommen“, so Netzer.

Konzentration auf Kundenbindung

Alle Maßnahmen stünden letztlich immer unter der Maßgabe, dass die 378 deutschen und 64 bayerischen Sparkassen auch in Zukunft nachhaltig leistungsfähig bleiben wollen für die Menschen und die Wirtschaft in ihren jeweiligen Heimatregionen. Netzer zufolge bleibt deshalb immer die gesunde und gedeihliche Kundenbeziehung zentral, alles andere muss in vernünftiger Balance dazu beitragen. „Wir Sparkassen haben in den letzten 200 Jahren wiederholt gezeigt, dass wir schwierige Aufgaben lösen – damit wir unseren Kunden helfen, ihre Aufgaben zu lösen.“

DK

 

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