Aus den Kommunenzurück

(GZ-12-2023)
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► Würzburger Museologen wollen Vermittlungsarbeit der Museen stärken:

 

Schöngeistig sein, ist zu wenig

 

Wer heute ins Museum geht, will sich nicht unbedingt neue Kenntnisse einverleiben. Museumsbesucher möchten etwas erleben. Und sie wollen sich selbst einbringen. Eben darauf hebt das Projekt „Cultural Dynamics: Museums and Democracy in Motion“ der Professur für Museologie an der Uni Würzburg ab. Projektstart war Mitte Mai. Gearbeitet wird in einem internationalen Team aus deutschen und britischen Forscherinnen und Forschern.

Seit 2010 bietet die Universität Würzburg den Bachelor-Studiengang „Museologie und materielle Kultur“ an. Inzwischen kann man auch einen Masterabschluss in Museumswissenschaft sowie einen Master „Museum und alte Kulturen“ erwerben. Im Mittelpunkt aller Studiengänge steht die Forschungsfrage, wie Museen mehr Gesellschaftsrelevanz erlangen können – etwa dadurch, dass sie öffentliche, mediale und soziale Begegnungsräume werden.

„Jedes Museum ist eine politische Institution“

Für Guido Fackler, Inhaber der Würzburger Professur für Museologie, taucht ein ganzer Fragenkomplex auf, denkt er in Bezug auf Museen an das Thema „Demokratie“. „Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Museen schöngeistig, neutral, unpolitisch und objektiv sind“, sagt er. Jedes Museum sei letztlich eine politische Institution. Egal, ob das Politische bewusst ausagiert wird oder nicht. Kommen zum Beispiel in einer Ausstellung so gut wie keine Frauen vor, sei dies heutzutage „enorm politisch“. Auch großes oder, im Gegenteil, nur geringes Engagement für den Umweltschutz sei letztlich als eine politische Aussage zu verstehen.

Vor dem Hintergrund dieser Einsichten kann es nicht länger um die kluge Integrierung besonderer Objekte in raffiniert gestaltete Ausstellungsräume gehen. Die Vermittlungsarbeit muss laut Fackler eine viel wichtigere Rolle spielen: „Wir möchten untersuchen, wie man das Thema ‚Demokratie‘ in Ausstellungen einfließen lassen kann.“ Und zwar soll dies so geschehen, dass Besucher aktiv einbezogen werden. Vor allem dies sei für viele Museen ein neuer und auch reichlich ungewohnter Gedanke: „Der natürlich auch bedeutet, dass Museen ein Stück weit ihre Deutungshoheit abgeben müssen.“

Viele Museen versuchen schon jetzt, Kinder- und Jugendarbeit zu machen. Auch im Sinne politischer Bildung und Erziehung zur Demokratie. Wie sie dies tun, ist nach den Beobachtungen von Fackler jedoch nicht immer adäquat. Der Museologe besichtigte kürzlich ein Museum, in dem eine „schöne“ Kreativecke für Kinder eingerichtet worden war. An sich eine klasse Idee: „Nur malt dort offenbar so gut wie nie ein Kind.“ Die Ecke war schlicht und einfach viel „zu schön“ gestaltet. So schön war sie gestaltet, dass Eltern befürchteten, ihre Kinder könnten dort irgendetwas verklecksen. An solchen kleinen Unüberlegtheiten könne Partizipation scheitern.

Für Würzburgs Museologen ist es großartig, dass sie drei Jahre lang an einer neuen Methode knobeln dürfen, demokratische Werte über Museen und Erinnerungsorte zu vermitteln. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie vom englischen Pendant der DFG fließen insgesamt fast eine halbe Million Euro in das Projekt. Dadurch konnten allein in Würzburg zwei neue Mitarbeiterinnen engagiert werden. Das Würzburger Trio kooperiert mit einem britischen Team an der britischen Universität Newcastle.

Gesunkenes Vertrauen in Politik

Die Thematik selbst ist hochrelevant, gibt es inzwischen doch eine erkleckliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern, für die das, was hierzulande unter „Demokratie“ firmiert, eine einzige Lüge ist. Das betrifft nicht nur sogenannte Reichsbürger. Auch Bürger, die sich keiner „rechten“ Gruppierung zuzählen, beklagen zunehmenden Lobbyismus, dreist gebrochene Wahlversprechen und immer massivere Interessenskonflikte bei politischen Entscheidungen. In Umfragen wird regelmäßig sichtbar, wie massiv das Vertrauen in Politiker, aber auch in politische Institutionen gesunken ist. Bei der letzten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verweigerte fast jeder zweite Bürger die Wahlbeteiligung.

Planspiel „Demokratie“

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. So ist es in Artikel 20 des Grundgesetzes festgeschrieben. Was das ganz konkret bedeutet, kann in Köln bei einem Planspiel zum Thema „Demokratie“ erlernt werden. Dieses Planspiel zählt zu den ersten Best-Practice-Beispielen, die im Projekt „Cultural Dynamics: Museums and Democracy in Motion“ an möglichst vielen Orten in Deutschland und Großbritannien gesammelt werden sollen. Schüler, die es in diesem Spiel auf eine einsame Insel verschlägt, stehen vor der Aufgabe, das Inselleben komplett neu zu organisieren. Das betrifft zum Beispiel die Art und Weise der Ernährung. Die Arbeit. Das Wohnen. Die Kultur.

Pat Christ

 

 

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