Aus den Kommunenzurück

(GZ-23-2022)
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► Stadt Dinkelsbühl:

 

Kommunale Baumretter am Start

Rekordtemperaturen im Sommer, Rekordtemperaturen im Herbst. Mit voranschreitendem Klimawandel werden wir diese Schlagzeilen immer häufiger lesen. Doch während uns die angenehmen Nebeneffekte eines heißen Sommers oder eines goldenen Herbsts dazu verleiten, dieses Phänomen als positiv zu empfinden, werden wir von einem anderen ernsten Problem abgelenkt: Die Bäume unserer Städte leiden.

Gerade Stadtbäume spielen nicht nur eine wichtige Rolle für das Gesamtbild einer Gemeinde oder Stadt, sondern haben auch wichtige Funktionen, um vor allem Städte lebenswerter zu machen. Sie reinigen unsere Luft von Schadstoffen, senken die Außentemperatur und regulieren sogar Starkregenereignisse. Doch durch die anhaltend hohen Temperaturen tritt vermehrt Trockenstress für die Bäume auf. Die immer längeren Trockenperioden verschlimmern die Situation und machen die Erholung und Regeneration des Baumes fast unmöglich. Die Bäume werden unter diesen extremen Bedingungen stark beschädigt und sterben im schlimmsten Fall ab. Etwa fünf Prozent der Stadtbäume müssen jährlich gefällt werden. Dies hat auch aus wirtschaftlicher Perspektive negative Folgen für eine Stadt. Neben einem hohen Koordinationsaufwand für die Fällung und Neupflanzung, die auch zur Behinderung des Alltagsgeschehens führen können, betragen die Kosten pro Neupflanzung mehrere tausend Euro – auch wegen der Fertigstellungspflege.

Predictive-Maintenance in der Baumpflege

Dem wirkt eine innovative Lösung des Start-Ups Treesense vorausschauend entgegen. Das Münchner Unternehmen unterstützt seit 2020 Baumbesitzer, vor allem aber Städte und Kommunen, beim Schutz und bei der ressourceneffizienten Pflege ihrer Bäume. Mithilfe ihrer Predictive-Maintenance Technologie kann sie den Gesundheitszustand eines Baums sensorisch beobachten und eine konkrete Handlungsempfehlung ableiten. Besonders wird diese Technologie durch „Treesense Pulse“ – so nennen die Gründer um Giancarlo Foderá den Sensor, der innovativ den Wasserhaushalt und damit die Gesundheit und den Pflegebedarf der Bäume überwacht. Ganz konkret misst der Sensor die Magnitude der elektrischen Impedanz, eine Art elektrischer Widerstand im Xylem-Teil von Gehölzpflanzen. Dieser Teil ist verantwortlich für den Wassertransport von den Wurzeln zur Baumkrone. Einfach gesprochen: Je aktiver der Baum, desto mehr Wasser fließt durch die Xylem-Kanäle und je mehr Wasser in den Xylem-Kanälen desto niedriger ist die elektrische Impedanz. Die gemessenen Daten werden dann drahtlos (über LoRaWAN) und ohne weitere Arbeiten auf die Treesense Cloud übertragen, analysiert und interpretiert. Der große Unterschied zu bestehender Technologie: Baumpflege-Teams erhalten in Realzeit ein direktes Feedback über „die Herzfrequenz des Baums“.

Im August hat Treesense ein Pilotprojekt in Dinkelsbühl gestartet. Damit werden der Nutzen der Sensorik und Datenanalyse für die Stadt über mehrere Monate hinweg überprüft und evaluiert. Hierfür wird die Expertise des Treesense-Teams mit ihrem innovativen Ansatz zur Beobachtung der Baumvitalität herangezogen. Für das Monitoring wurden vier Linden am Schweinemarkt ausgewählt und mit je einem Sensor ausgestattet. Bei den Bäumen handelt es sich um Großbaumverpflanzungen.

Die ersten Ergebnisse liegen schon vor: einer der Bäume weist bereits eine unzureichende Vitalität auf – aber nicht, weil zu wenig bewässert wird, sondern zu viel. „Der Baum steht unter Wasser, kann also aufgrund mangelnden Sauerstoffs kein Wasser in die Baumkrone ziehen und trocknet in der Krone folglich aus“, meint Giancarlo Foderá, Baumsachverständiger und COO von Treesense. An den visualisierten Kurven aus den Daten könne man dies sehr gut erkennen. Diese werden in der Software in einem Diagramm visualisiert und interpretiert, sind also jederzeit zugänglich und einfach zu verstehen. Während die restlichen drei Bäume sehr gute Werte in Form von konstanten niedrigen Widerstandskurven aufweisen, schießen die Werte des vierten Baumes in die Höhe. Nach sechs Monaten, am Ende des Pilotprojekts, soll abschließend bewertet werden, ob „Rettungsmaßnahmen“ noch sinnvoll sind, oder ob der Baum gleich ersetzt werden soll.

Die Mission von Treesense ist ambitioniert: „Wir wollen das Klima verbessern, indem wir helfen, Ökosysteme zu retten“, meint Semir Babajić, Mitbegründer und CEO von Treesense. Dazu vereint das vierköpfige Gründerteam die Disziplinen um Forstwissenschaft, Elektrotechnik sowie Mathematik und künstliche Intelligenz. Nicht zuletzt stammt die Ideenfindung auch ursprünglich aus der Medizintechnik und wurde am Heinz-Nixdorf-Lehrstuhl der TU München zu einem Produkt entwickelt.

Ausgezeichnete Idee

Zuletzt wurde das Start-Up vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit dem Gründerpreis+ und dem Sonderpreis für digitale Nachhaltigkeit ausgezeichnet. So kann Treesense auch auf politische Unterstützung zählen, um das ambitionierte Ziel zu erreichen. Erste Schritte hierfür wurden mit Projekten in Städten wie Dinkelsbühl und auch in Mainz gegangen. Weitere Kommunen sollen folgen.

 

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