Aus den Kommunenzurück

(GZ-18-2022)
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► City-Gutschein:

 

Das stärkt Händlern den Rücken

Bald auch in Aschaffenburg

Warum sollte man extra in die Stadt kutschieren? Einkaufen kann man ja auch von zu Hause aus. Und zwar ganz bequem. Bei Amazon. „Das schadet dem Einzelhandel allerdings enorm“, sagt Thomas Most aus Kitzingen. Mit einem City-Gutscheinsystem zur lokalen Kaufkraftbindung versucht der Softwareentwickler, gegenzusteuern. In 80 Städten wird sein System inzwischen eingesetzt. So ist es zum Beispiel seit Jahresbeginn auch in Aschaffenburg möglich, mit einem Einkaufsgutschein zu shoppen.

Während der Corona-Krise hatten Einzelhändler nichts zu lachen. Längere Zeit waren die Läden dicht. Dann gab es Einlassbeschränkungen. „Für Amazon und Co. war diese Zeit eine Erfolgsstory“, sagt Thomas Most. Mit fatalen Folgen. Mehrere Läden in Unterfranken mussten für immer schließen. Vor diesem Hintergrund freut sich der ehemalige Geschäftsführer des Stadtmarketings Kitzingen, dass das von ihm entwickelte Gutscheinsystem auf so großes Interesse stößt. In Aschaffenburg kam die Initialzündung zur Einführung vom Klinikum. Was ungewöhnlich ist: „Normalerweise geht die Initiative vom örtlichen Stadtmarketing aus.“

Arbeitgeber dürfen ihren Beschäftigten eine bestimmte Summe an steuer- und sozialversicherungsfreien Sachbezügen zusätzlich zum Gehalt gewähren. Seit Januar liegt die Obergrenze bei 50 Euro. Auf dieser gesetzlichen Möglichkeit beruht der Gutschein des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau. „Rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst erhielten zwischen Januar und Mai monatlich einen Einkaufsgutschein in Höhe von 30 Euro“, berichtet Pressesprecherin Annika Hollmann. Die Aktion war als Dankeschön für den Einsatz der Pflegekräfte während der Corona-Krise gedacht. Weit mehr als 100.000 Euro nahm das Klinikum dafür in die Hand.

Das Geld bleibt in der Region

Eben weil in den vergangenen Monaten so viel im Netz gekauft wurde, wollte das Klinikum eine Dankeschön-Aktion anstoßen, bei der das Geld in der Region bleibt. Die Initiative animierte weitere Aschaffenburger Firmen, sich bei ihren Mitarbeitern ebenfalls mit Gutscheinen zu bedanken, berichtet Christian Patalong, der bei der Stadt für Wirtschaftsförderung zuständig ist. Seitens der Stadt sei geplant, einen Gutschein für alle Kunden in Aschaffenburgs City einzuführen: „Noch ist diese Idee allerdings nicht zu Ende gedacht.“ So müsse man noch einen Träger für das Projekt finden: „Das könnte beispielsweise eine Bank sein.“

Allgemeiner City-Gutschein gewünscht

Dass sich das Klinikum bei seinen Pflegekräften mit einem Geschenk bedankte und obendrein noch etwas Gutes für den örtlichen Einzelhandel tat, findet Petra Muschik vom Aschaffenburger Spielwarengeschäft „Holzwurm“ klasse. Über 40 Gutscheine wurden bei ihr eingelöst. Schön wäre es für die Einzelhändlerin, würde aus dem Gutschein für Mitarbeiter größerer Firmen ein allgemeiner City-Gutschein. Lokalen Einzelhändlern den Rücken zu stärken, wird nach ihrer Auffassung immer wichtiger: „Wir selbst leiden bereits seit einigen Monaten unter nachlassender Kundenfrequenz.“ In den Winter blickt Petra Muschik wenig optimistisch: „Ehrlich gesagt, sehe ich schwarz.“

„Was sollen Einzelhändler noch packen?“, fragt sich die Geschäftsfrau. Hinter ihr liegen zweieinhalb schwierige Jahre. „Wird im Oktober wieder die Maskenpflicht eingeführt, werden wahrscheinlich noch weniger Kunden kommen als jetzt“, vermutet sie. Aufgrund von Teuerung und Energiepreisexplosion hätten die Menschen außerdem wohl bald deutlich weniger Geld in der Tasche. Das werde zu weiteren Umsatzeinbußen führen. Die Idee, einen City-Gutschein einzuführen, falle damit ausgerechnet in eine Zeit, in der die Leute ihr Geld zusammenhalten: „Und wahrscheinlich wieder nach dem Billigsten im Internet suchen.“

Dann kauft man auch nicht mehr spontan eine Quietscheente oder ein Sticker-Buch, weil der Blick beim Vorüberschlendern am Schaufenster darauf fiel. Wobei schon die Gutscheine des Klinikums laut Petra Muschik zielgerichtet eingesetzt worden waren: „Mein Eindruck ist, dass damit nicht nach Lust und Laune eingekauft wurde.“ Die Kunden des „Holzwurms“ besorgten zum Beispiel Geschenke, die sie auf jeden Fall hätten besorgen müssen. Etwa für den nächsten Kindergeburtstag. Auch wurde selten mehr als der auf dem Gutschein aufgedruckte Betrag ausgegeben.

Während in Aschaffenburg noch viele Fragen offen sind in Bezug auf die Einführung eines Einkaufsgutscheins für die ganze Stadt, verfügt Bad Kissingen über ein altgedientes System. „Soweit ich mich erinnere, begannen wir schon vor 40 Jahren mit einem Gutschein auf Papier“, sagt Ralf Ludewig, Einzelhändler aus Bad Kissingen und Bezirksvorsitzender des Einzelhandelsverbands (HDE). Das Wichtigste sei, einen vertrauenswürdigen Projektträger zu finden: „Die Kunden müssen sicher sein, dass der Gutschein, für den sie Geld hergegeben haben, beim Einkaufen tatsächlich eingelöst werden kann.“

Mit dem Bad Kissinger Gutschein kann man unter der Woche Mode, Schuhe oder Bücher kaufen und sich am Sonntagmittag zum Beispiel in der „Brasserie Bad Kissingen“ verwöhnen lassen. „Es ist wichtig, möglichst viele Akzeptanzstellen zu haben“, sagt Ralf Ludewig. In Bad Kissingen machen rund 120 Geschäfte, Apotheken, Hotels und gastronomische Betriebe mit. Ralf Ludewig schätzt, dass inzwischen etwa jeder 50. Einkauf per Gutschein getätigt wird. Derzeit ist der Gutschein ausschließlich in Form einer Plastikkarte zu haben. In Kürze soll es jedoch auch eine, ebenfalls von Most entwickelte, digitale Version geben.

Einkaufsgutscheine sollten auf einer verlässlichen und recht einfach umsetzbaren Grundlage beruhen, erklärt Volker Wedde, unterfränkischer Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern. Auch er appelliert, vor dem Start eine möglichst große Zahl an teilnehmenden Geschäften zu akquirieren. Je mehr Läden und Betriebe den Gutschein akzeptieren, umso attraktiver sei das Angebot für die Kundinnen und Kunden.

Einkaufsgutscheine können laut dem Handelsverband Unterfranken die Kaufkraft am Ort halten. City-Schecks fielen unter die „Top 10“ der wirksamsten Gemeinschaftsaktionen, habe eine bayerische Studie ergeben. In der Untersuchung schätzten 87 Prozent der Befragten beispielsweise das Kosten-Nutzen-Verhältnis als positiv ein. Die Gutscheine helfen laut Handelsverband bei der Steigerung des städtischen Images, bei der Kundenansprache und der längerfristigen Kundenbindung.

Pat Christ

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