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(GZ-11-2022)
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► Arbeitsschutz:

 

Im Schnitt zwei Mängel

Unterfrankens Gewerbeaufseher berieten sehr häufig zum Thema „Mutterschutz“

Oft kommen sie unangemeldet, um nachzuschauen, ob in puncto Arbeitsschutz alles in Ordnung ist. 2021 allerdings besuchten Unterfrankens Gewerbeaufseher Firmen vor allem deshalb, weil besorgte Arbeitnehmer anriefen und auf mutmaßliche Missstände hinwiesen. Matthias Zierhut, der das Gewerbeaufsichtsamt leitet, ermuntert alle Beschäftigen, sich an seine Behörde zu wenden, wenn sie denken, dass in der Firma etwas im Argen liegt.

Arbeitsschutz ist eine komplizierte Sache. Es gibt eine Unmenge an Regelungen, Vorschriften und Normen. Kaum ein Firmenchef oder Sicherheitsbeauftragter hat sämtliche Vorgaben im Kopf. Vor allem ändert sich dauernd etwas. Sehr viele Änderungen brachte die Corona-Krise mit sich. Die 34 Aufsichtsbeamten um Matthias Zierhut besichtigen nicht nur Betriebe. Sie beraten auch zu Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Vor allem zum Thema „Mutterschutz“ war der Beratungsbedarf dem Amtsleiter zufolge im vergangenen Jahr riesig: „Bedingt durch Corona hatten wir hier etwa 2.500 Beratungen mehr als 2020.“

Für Zierhuts Behörde war 2021 ein anstrengendes Jahr. Weil zu den normalen Überprüfungen Infektionsschutzkontrollen hinzukamen, etwa in Bezug auf die Maskenpflicht, gab es unglaublich viel zu tun: „Gleichzeitig mussten wir auf den Schutz unserer eigenen Mitarbeiter achten.“ Insgesamt wurden 1.480 von unterfrankenweit mehr als 50.000 Betriebe besucht. Das entspricht einer Quote von nicht einmal drei Prozent. Hinzu kamen 829 Baustellenüberprüfungen. Im Schnitt wurden pro Betrieb zwei Mängel beanstandet. Insgesamt waren es 3.058. Die Mängelquote stieg laut Zierhut im Vergleich zu 2020 deutlich an.

Auch auf Baustellen wurde einiges entdeckt, was nicht korrekt war: „Wir überprüfen zum Beispiel, ob dort, wo ein Gerüst stehen muss, tatsächlich ein Gerüst steht.“ Insgesamt kam es in diesem Bereich zu 3.688 Beanstandungen. Viele hatten einen Corona-Bezug. So wurde zu „3G-Zeiten“ überprüft, ob wirklich alle Beschäftigten geimpft, getestet oder genesen waren. Nun sind auf Baustellen oft Männer aus Osteuropa beschäftigt. Die waren zum Teil mit „Sputnik“ geimpft, so Zierhut: „Was bei uns nicht anerkannt ist.“ Sie galten also ungeimpft und hätten sich täglich testen müssen.

Extrem unterbesetzt

Die Gewerbeaufsicht, hört man oft, ist schlecht aufgestellt. Das, bestätigt Matthias Zierhut, ist auch kein Gerücht: „Wir sind extrem unterbesetzt.“ Die 34 Gewerbeaufseher kommen mit ihren Aufgaben kaum nach. Sie beraten nicht nur und besichtigen Betriebe. Daneben haben sie alle Hände voll damit zu tun, Anträge zu genehmigen. „Oft wird zum Beispiel donnerstags oder freitags beantragt, am Sonntag ausnahmsweise arbeiten zu dürfen“, erklärt der Leiter des Amts der Regierung von Unterfranken.

Sinn und Zweck dessen, was das Team um den promivierten Chemiker tut, ist es, zu verhindern, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu Schaden kommen. Trotz Beratung, Aufklärung und Kontrolle passieren allerdings Jahr für Jahr in Unterfranken viele Dutzend Arbeitsunfälle. Wobei die Anzahl letztes Jahr leicht zurückging. Das lag daran, dass viele Beschäftigte daheim gearbeitet haben. 226 Arbeitsunfälle wurden der Gewerbeaufsicht von der Polizei gemeldet. In einem Fall verstarb das Unfall-
opfer. 2020 wurden noch 252 schwere Unfälle registriert.

Womöglich könnten einige dieser Unfälle verhindert werden, stünde bei der Gewerbeaufsicht mehr Man- und Womanpower zur Verfügung. Sehen die Gewerbeaufseher zum Beispiel, dass bei einer Baustelle eine Absicherung fehlt, wird der Bau sofort gestoppt. Nachdem krankheitsbedingte Fehlzeiten, Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle einen immensen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen, fragt sich, warum der Staat die Gewerbeaufsicht nicht besser ausstattet. Nun ja, meint Matthias Zierhut, der öffentliche Haushalt ist nun mal begrenzt: „Und wir stehen in Konkurrenz zu Gesundheitsämtern, Polizei und Schule.“

Trotz Personalknappheit wachsen die Aufgaben in den Gewerbeaufsichtsbehörden. Fast jedes Jahr kommt irgendetwas Neues hinzu. So wurde Anfang letzten Jahres in Würzburg ein bayernweites Röntgen-Kompetenzzentrum eingerichtet. Das achtet zum Beispiel darauf, dass das Mammographie-Screening sicher ist. Ein großes Thema ist laut Mitarbeiter Andreas Kurfeß aktuell auch die Teleradiologie. Vor allem wegen der Corona-Krise nahm es an Fahrt auf. Teleradiologie bedeutet, dass Ärzte nicht mehr unbedingt dort sein müssen, wo ein Röntgengerät steht.

Seit April 2021 prüfen die Mitarbeiter des Kompetenzzentrums zum Beispiel, was passiert, wenn das System einmal ausfällt. Auch nach den Übertragungsstrecken wird geschaut. Grundsätzlich muss jedes Röntgengerät laut Andreas Kurfeß alle fünf Jahre überprüft werden. Das gilt für medizinische, aber auch für technische Röntgenapparate.

Arbeit also und kein Ende. Damit haben die Mitarbeiter im Gewerbeaufsichtsamt viel mit jenen Menschen gemein, die sich an den verschiedensten Arbeitsplätzen in Unterfranken zumindest punktuell überfordert fühlen, weil so viel zu tun ist. Chronischer Stress belastet die Psyche und kann krank machen. Heuer vor genau zehn Jahren gab die Nationale Arbeitsschutzkonferenz die „Leitlinie Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz“ heraus. Seitdem weisen Gewerbeaufseher bei Betriebsprüfungen auch auf seelisch belastende Arbeitsanforderungen hin.

Pat Christ

 

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