Aus den Kommunenzurück

(GZ-15/16-2021)
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► Marktredwitz:

 

Klimafreundliches Nahwärmenetz im Neubaugebiet

 

Eine zentrale Nahwärmeversorgung gilt in Zeiten des Klimawandels als besonders effiziente Wärmeversorgung in Wohngebieten, da die Zahl der Einzelheizungsanlagen und damit die Emissionen reduziert werden können. Auch Kommunen sind hier in der Pflicht, entsprechende Möglichkeiten zu prüfen. Im oberfränkischen Marktredwitz wurde kürzlich das moderne und ökologisch geplante Neubaugebiet „Hammerberg-West“ im östlichen Stadtteil Haag erschlossen. Das Besondere: Die 51 Bauparzellen werden alle verpflichtend an das Nahwärmenetz angeschlossen, das durch eine bestehende Biogasanlage eines landwirtschaftlichen Betriebs in Haag gespeist wird.

Über die optimale Zusammenarbeit freuen sich unter anderem der Marktredwitzer Oberbürgermeister Oliver Weigel (4. von rechts), Baudirektor Franz Kamhuber vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, der die Dorferneuerung in Haag und Wölsau leitet (6. von links) und der Vorstand des Kommunalunternehmens Marktredwitz, Markus Brand (6. von rechts). Bild: Stadt Marktredwitz
Über die optimale Zusammenarbeit freuen sich unter anderem der Marktredwitzer Oberbürgermeister Oliver Weigel (4. von rechts), Baudirektor Franz Kamhuber vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, der die Dorferneuerung in Haag und Wölsau leitet (6. von links) und der Vorstand des Kommunalunternehmens Marktredwitz, Markus Brand (6. von rechts). Bild: Stadt Marktredwitz

Bauherren schätzen den dörflichen Charakter im Ortsteil Haag und profitieren gleichzeitig von kurzen Wegen in die Kernstadt. Einkaufsmöglichkeiten sind in weniger als fünf Fahrminuten erreichbar – oder gleich mit dem Fahrrad oder zu Fuß. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken ist hier außerdem eine Dorferneuerung im Gange, welche die Attraktivität des Ortsbilds nochmals steigern wird.

Die Erschließung im Baugebiet „Hammerberg-West“ im Marktredwitzer Ortsteil Haag läuft auf Hochtouren. Bild: Stadt Marktredwitz
Die Erschließung im Baugebiet „Hammerberg-West“ im Marktredwitzer Ortsteil Haag läuft auf Hochtouren. Bild: Stadt Marktredwitz

Optimale Zusammenarbeit

Quer durch Haag verlegt derzeit die Firma Markgraf aus Weiden im Auftrag des Kommunalunternehmens Marktredwitz (KUM) Leitungen für das Nahwärmenetz, mit dem künftig das Baugebiet Hammerberg-West sowie der Ortsteil Haag versorgt wird. Mit einer Investition des KUM in Höhe von ca. 1,2 Millionen Euro wird ein vorbildliches Modell zum Klimaschutz umgesetzt. Das ist das Ergebnis einer sehr guten Zusammenarbeit des Kommunalunternehmens Marktredwitz, der Stadt Marktredwitz, des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberfranken und der Familie Heuschmann als Betreiber der Biogasanlage in Haag.

Mit dem Bau der Leitung durch Haag, bezuschusst vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, werden direkt einige Bestandsgebäude im ursprünglichen Ort mit an das Nahwärmenetz angeschlossen. Bild: Stadt Marktredwitz
Mit dem Bau der Leitung durch Haag, bezuschusst vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, werden direkt einige Bestandsgebäude im ursprünglichen Ort mit an das Nahwärmenetz angeschlossen. Bild: Stadt Marktredwitz

Von entscheidendem Vorteil im Prozess waren die laufenden Dorferneuerungen in Haag und Wölsau. Bereits bei deren Beginn war beabsichtigt, mit dem Ausbau der Dorfstraßen, auch einige Anwesen in der Haager Ortsmitte an eine private Wärmeversorgung anzuschließen. Nachdem die Teilnehmergemeinschaft (TG) Haag-Wölsau als Trägerin der Dorferneuerung von der Stadt Marktredwitz über die Ausweisung des unmittelbar benachbarten Baugebietes Hammerberg-West informiert wurde, ergriff die Gemeinschaft die Initiative und ließ eine Studie über die Energieversorgung des Baugebiets und der Ortschaft Haag erstellen.

Die Studie zeigte, dass das bisher ungenutzte Potenzial der Abwärme der Biogasanlage Heuschmann ausreicht, den Wärmebedarf sowohl für den Ortsteil Haag als auch für das neue Baugebiet Hammerberg-West zu decken. Das Kommunalunternehmen, das schon mehrere Projekte zum Klimaschutz umgesetzt hat, griff diesen Gedanken auf und ließ mit Unterstützung des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberfranken vom Planungsbüro eta Energieberatung GmbH, Pfaffenhofen eine Planung mit Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen.

Mit einer Fragebogenaktion wurde außerdem von der Teilnehmergemeinschaft Haag-Wölsau die Anschlussbereitschaft im Ortsteil Haag abgefragt, da die Nahwärmeleitung von der Biogasanlage zum Baugebiet auch durch das Dorferneuerungsgebiet verläuft. Mit dem Bau der Leitung durch Haag, bezuschusst vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, werden direkt einige Gebäude mit angeschlossen.

Mustergültiges Energieprojekt

Die Einführung der neuen CO2-Abgabe bereits vor Augen, wurde ermittelt, dass eine Nahwärmeversorgung wirtschaftlich betrieben werden kann, wenn sichergestellt ist, dass sämtliche Gebäude im Baugebiet angeschlossen werden. Die Stadt Marktredwitz sah unter den gegebenen Rahmenbedingungen die große Chance, ein Baugebiet mit vorbildlicher, klimafreundlicher Wärmeversorgung zu etablieren und stellte mit einer Anschlussverpflichtung für alle 51 Bauparzellen die Weichen zur Umsetzung.

Die Wärme ist zum weit überwiegenden Teil Abwärme einer Biogasanlage, die bei der Erzeugung von Strom aus vergorener Biomasse in Blockheizkraftwerken (BHKW) entsteht und mit dem neuen Leitungssystem in die Häuser gebracht wird. Zwar kommt bei der Biogasanlage auch Mais zum Einsatz, jedoch macht dieser nur einen untergeordneten Teil aus – neben Biomasse aus Stallmist, Grasschnitt und der in Dauerkultur blühenden Pflanze Silphie, die nach dem Anwachsen keinen Pflanzenschutz benötigt. Das Material fällt vor Ort beziehungsweise in der nahen Umgebung an, sodass die Wertschöpfung in Marktredwitz bleibt.

Der landwirtschaftliche Betrieb Heuschmann, der die Biogasanlage betreibt, liefert die Nahwärme an das Kommunalunternehmen Marktredwitz, das als Betreiber des Nahwärmenetzes fungiert und auch Vorsorge für den Fall einer Störung der Biogasanlage oder für Spitzenbedarfszeiten an sehr kalten Tagen trifft: Eine mit Flüssiggas betriebene Heizung unterstützt nämlich dann das Wärmenetz. Diese effiziente Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für effektiven und wirtschaftlichen Klimaschutz.

51 Bauparzellen werden verpflichtend an das Nahwärmenetz angeschlossen, das durch eine bestehende Biogasanlage eines landwirtschaftlichen Betriebs in Haag gespeist wird. Bild: Stadt Marktredwitz
51 Bauparzellen werden verpflichtend an das Nahwärmenetz angeschlossen, das durch eine bestehende Biogasanlage eines landwirtschaftlichen Betriebs in Haag gespeist wird. Bild: Stadt Marktredwitz

Die Häuser im Baugebiet decken künftig ihren gesamten Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser mittels einer Übergabestation aus dem Nahwärmenetz. Diese benötigt nur einen Quadratmeter Platz und es entfallen Anschaffung, Unterhalt und Platzbedarf für eine Heizungsanlage und ein Brennstofflager sowie für einen Kamin bzw. eine Wärmepumpe. Des Weiteren entfallen Emissionen der Heizungsanlage oder die bei der Stromerzeugung für die Wärmepumpe. Bei Beantragung von Fördermitteln für den Wohnungsbau sinken die Anforderungen an Wärmedämmung oder vergleichbare Maßnahmen.

Die Zukunft fest im Blick

Die in den nächsten Jahren steigende CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe wird die künftigen Bewohner im Baugebiet nur noch zu einem geringen Teil betreffen. Mit der Nahwärmeversorgung werden jährlich klimaschädliche Emissionen aus etwa 100.000 Litern Heizöl oder entsprechenden anderen Energieträgern eingespart. Mit der Errichtung der ersten Häuser kann das Kommunalunternehmen Marktredwitz bereits ab September Wärme bereitstellen.

Der Marktredwitzer Oberbürgermeister Oliver Weigel, Baudirektor Franz Kamhuber vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, der die Dorferneuerung in Haag und Wölsau leitet, KUM-Vorstand Markus Brand sowie der Abteilungsleiter für Erneuerbare Energien, Gerald Hoch vom Kommunalunternehmen Marktredwitz, Klimaschutzmanager Christopher Thieser und Christian Heuschmann, Betreiber der Biogasanlage, zeigten sich sehr erfreut über das gelungene zukunftsweisende Klimaschutzprojekt als Ergebnis der hervorragenden Zusammenarbeit.

Ein bereits untersuchtes und angestrebtes Folgeprojekt ist eine gemeinschaftliche, klimafreundliche Stromerzeugung aus Solarzellen. Leitgedanke ist die vollständige Erzeugung der im Ortsteil Haag verbrauchten Energie an Ort und Stelle – wiederum in Zusammenarbeit der örtlichen Akteure.

Aber auch auf der früheren Industriebrache „BENKER-AREAL“, mitten in der Innenstadt von Marktredwitz, entsteht für die Versorgung der neuen Wohnhäuser, der Behörden- und Dienstleistungsgebäude und eines großen Kinderhauses in diesem neuen Stadtteil eine Nahwärmeanlage, die durch den örtlichen Energieversorger ESM betrieben wird. Beim Kommunalunternehmen Marktredwitz läuft aber auch bereits die Planung für den Ausbau eines weiteren Nahwärmenetzes im Jahr 2022, das im Umgriff des Schulzentrums rund um die Schulstraße entstehen wird.

Auch hat der ebenfalls bei der Gestaltung der Wärmenetze beteiligte Klimaschutzmanager der Stadt Marktredwitz schon eine Reihe weiterer Maßnahmen und Aktivitäten hin zu mehr Energieeffizienz, unabhängiger Energieversorgung und weniger Treibhausgas-Emissionen in Vorbereitung. Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und das Selbstverständnis zu überdenken, mit dem Energie genutzt wird. Die neuen Nahwärmenetze in Marktredwitz werden hierzu auch einen Beitrag leisten.

 

Dieser Artikel ist im Sonderdruck Energie und kommunaler Klimaschutz erschienen, der am 29.7.2021 der Ausgabe 15-16/2021 der Bayerischen GemeindeZeitung beilag.

Der Sonderdruck kann hier komplett heruntergeladen werden. Dieser Sonderdruck ist unser zweites Corona-Spezial zum Thema, da 2020 und 2021 das Bayerische EnergieForum der Bayerischen GemeindeZeitung ausfallen musste. Am 2.6.2022 findet dann hoffentlich das 13. Bayerische EnergieForum im Bürgerhaus der Stadt Garching bei München statt. Infos unter www.bayerisches-energieforum.de.

 

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