Aus den Kommunenzurück

(GZ-11-2021)
gz aus den kommunen

► Stadtsanierung im Frankenwald:

 

Nur wer sät, wird ernten

Bürgermeister Jens Korn erweckt Wallenfels aus dem Tiefschlaf

 

Schon die Anfahrt ist herrlich. Von Wartenfels kommend liegt die knapp 3.000-Einwohner-Stadt Wallenfels gefühlt hinter den sieben Bergen im Frankenwald versteckt. Seit 2014 ist Jens Korn hier Bürgermeister. Nach Stationen in München, u.a. als Büroleiter von Markus Söder, und als Pressesprecher von Brose in Coburg, hat er sich entschieden mit seiner Familie wieder nach Hause zu gehen, denn, so sagt er selber, „den Unterschied, den machst du hier.“ Welche Vision er für seine Heimatstadt entwickelt hat, darüber sprach GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel mit dem Stadtoberhaupt.

Heute und morgen: Bürgermeister Jens Korn vor der Karzanella, der zukünftigen Touristeninfo. Der Entwurf rechts zeigt, wie der Marktplatz einmal aussehen soll. Foto links: GZ; Rendering: Stadt Wallenfels
Heute und morgen: Bürgermeister Jens Korn vor der Karzanella, der zukünftigen Touristeninfo. Der Entwurf rechts zeigt, wie der Marktplatz einmal aussehen soll. Foto links: GZ; Rendering: Stadt Wallenfels

Wallenfels liegt zehn Kilometer von Thüringen entfernt und rückte mit der Wende vom Zonenrandgebiet in die Mitte der Republik. Lange Zeit schien der Landstrich mit seinen tiefen von Flüssen gegrabenen Kerbtälern, deren Topografie in Verbindung mit dem Hochwasserschutz eine Ortsentwicklung sowieso erschwert, von München vergessen zu sein. Erst nachdem 2006 einige oberfränkische Ortschaften, darunter auch Wallenfels, drohten, nach Thüringen „rüberzumachen“, da hier die Fördertöpfe großzügiger sprudelten, wurde mit der Förderoffensive Nordostbayern Erleichterung geschaffen.

Demographischer Wandel

Wallenfels‘ große Herausforderung ist der demographische Wandel. „Dabei liegt es nicht daran“, so der Bürgermeister, „dass die Bevölkerung abwandert, ganz im Gegenteil! Der Zuzugssaldo ist sogar positiv. Aber es sterben einfach mehr Einwohner, als geboren werden.“ Waren es in den 70ern noch im Schnitt 80 Geburten, gab es 2019 nur noch 13 Neu-Wallenfelser und 53 Sterbefälle. Die Stadt hat in den vergangenen vier Jahrzehnten ein Drittel der Bevölkerung eingebüßt.

Dementsprechend angelegt ist auch die Infrastruktur, die in der Euphorie der Nachkriegsjahre geschaffen wurde: überdimensioniert. Wie die Schule, die 1971 für 750 SchülerInnen mit allem Drum und Dran errichtet wurde und als erstes Sichtbetongebäude unter Denkmalschutz gestellt ist. Heute besuchen nur noch 65 Kinder die örtliche Grundschule. Wallenfels hat für diese Anlage eine kreative Lösung gefunden. Die Schule wurde 2013 aufwendig saniert und dient heute als Bildungszentrum, das alle Einrichtungen unter einem Dach vereint. Neben der Grundschule mit altersgemischten Klassen befinden sich im gleichen Gebäude Kindergarten und Kinderkrippe, Hort, Musikschule, Volkshochschule und Bücherei sowie die Caritas mit Seminarräumen.

Mittelpunkt Marktplatz

Innerorts gibt es ca. 50 (Teil-) Leerstände. Sieben der Gebäude hat die Stadt gekauft und zwei davon, die zentral am Marktplatz standen, abgerissen. Ein weiteres wird in diesem Jahr noch folgen. Die Neugestaltung des Marktplatzes ist der Kern der Stadtsanierung. 2017/18 wurde begonnen das Kirchenumfeld zu sanieren. Mit dem Abriss der beiden Häuser eröffnete sich eine neue Sichtachse von der Hauptstraße auf die Kirche. Die Kirche wurde „wieder in die Stadt geholt“.

Das Büro bauchplan aus München und Wien ging als Sieger aus einem Wettbewerb hervor und ist für den Entwurf verantwortlich. Ziel ist, den Marktplatz wieder zum Mittelpunkt des Ortes werden zu lassen. Im vorderen Teil entsteht Raum für Märkte und Veranstaltungen. Seit Kurzem findet hier auch wieder ein Feierabendmarkt statt. Es werden vor allem regionale Produkte angeboten.

Künftig soll eine Grünfläche zum Verweilen und Spielen einladen. Der Altarm der Wilden Rodach, der durch das Zentrum fließt, wird am Marktplatz wieder sicht- und erlebbar sein. Für die Flößerstadt ein wichtiges Identifikationsmerkmal.

Ärztehaus und Touristeninfo

Aber nicht nur die Gestaltung der Freiflächen steht im Fokus. Damit auch wieder Leben in die Ortsmitte einzieht, erfahren zwei zentrale und momentan leere Gebäude eine neue Nutzung.

Auffälligster Leerstand am Marktplatz ist die ehemalige Schmidtbank, die in ein Ärztehaus umgewandelt wird. Das Wichtigste: Die Mieter, hat der Bürgermeister schon gefunden und provisorisch im Ort untergebracht. Eine Allgemeinarztpraxis des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und eine 2018 von der Stadt angesiedelte Hautärztin sollen im neuen Ärztehaus endlich ausreichend große und zukunftssichere Räumlichkeiten bekommen. Gleichzeitig werden die Patienten der Praxen den Platz beleben.

Ein kleines Gebäude zentral am Marktplatz wird gerade entkernt. Der ehemalige Karzer, liebevoll Karzanella genannt, diente lange Zeit als Drogerie. Heute soll im Erdgeschoss eine Touristeninformation mit Café kombiniert mit einem „Flößerlädla“, einem Geschäft mit heimischen Produkten, die Besucher anziehen. Im ersten und zweiten Stock sind kleine Apartments geplant, was in der Stadt, in der Mietpreise um die fünf Euro pro Quadratmeter üblich sind, eine Rarität ist. Die Fassade des Hauses wird mit einer Mischung aus Holz und Glas das Aushängeschild der Stadt.

Gebaut wird aber gerade im gesamten Stadtzentrum. Die Bemühungen der Stadt ziehen private Investitionen nach sich. Um diese Entwicklung zu unterstützen hat Wallenfels ein interkommunales Förderprogramm gemeinsam mit dem Markt Steinwiesen aufgelegt. Jeder private Immobilienbesitzer, der im Sanierungsgebiets bestimmte Maßnahmen trifft, kann einen Zuschuss in Höhe von 30 % der förderfähigen Kosten bekommen, maximal 20.000 Euro. Voraussetzung ist eine kostenfreie Beratung durch eine von der Stadt gestellte Sanierungsberaterin.

Ein weiteres Projekt, das der Bürgermeister mit der Hilfe engagierter Mitbürger bereits angeschoben hat, ist das Digitale Gesundheitsdorf im Oberen Rodachtal, das von der Bundeskonferenz Stadt.Land.Digital in Berlin ausgezeichnet wurde. Die GZ berichtete in Ausgabe 4/2019 darüber: https://t1p.de/0n8d

Demnächst steht der lang von der Kommunalpolitik versprochene Neubau des Feuerwehrhauses an, den die Stadt mit der Bayerngrund realisiert.

Finanzielle Situation verbessert sich

Wegen der schwierigen Bevölkerungsentwicklung ist die Haushaltslage zwar nach wie vor angespannt; verbessert sich allerdings seit 2013 kontinuierlich. Das liegt an der allgemein guten wirtschaftlichen Entwicklung und an den Stabilisierungshilfen, die zum Teil zur Schuldentilgung aber auch für Investitionen verwendet werden.

Das Landratsamt in Kronach bescheinigt der Kommune „dauernde Leistungsfähigkeit“. Welche Auswirkungen Covid-19 auf die Finanzmittel haben wird, muss sich erst noch zeigen. „Von den fast 10 Mio. Euro Gesamtausgaben, die der Stadtrat 2020 freigegeben hat, entfallen 3,2 Mio. Euro auf den Vermögenshaushalt, also auf die Investitionen. Da sich der Investitionsstau mittlerweile auf 50 Mio. Euro beziffern lässt, werden wir diesen voraussichtlich die kommenden 20 Jahre abarbeiten“, fährt der Bürgermeister fort. „Deshalb würde die eigene Finanzkraft bei weitem nicht ausreichen. Wir freuen uns deshalb über die Mittel aus der Städtebauförderung und der Förderoffensive Nordostbayern.“ „Rübermachen“ ist also längst vom Tisch.

In Wallenfels blickt man frohen Mutes in die Zukunft und mit der Gründung der Lucas-Cranach-Campus in Kronach sind große Hoffnungen verbunden. Möglicherweise wird die Stadt in diesen Campus integriert und Hochschulstandort eines Studiengangs der Hochschulen Coburg und Hof. Jens Korn will diesen Schwung gerne mitnehmen und so auch geistig seinem Heimatort neue Perspektiven eröffnen. Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern hat er die Saat dafür gut angelegt. Wenn sich die Kräfte, die im „Korn“ schlummern, gut entwickeln, wird Wallenfels reiche Ernte einfahren.

CH

 

v.l.: GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel und Bürgermeister Jens Korn. Bild: GZ
v.l.: GZ-Chefredakteurin Constanze von Hassel und Bürgermeister Jens Korn. Bild: GZ

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Aus den Kommunen

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung