Aus den Kommunenzurück

(GZ-12-2020)
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► Mit dem Kommunalförster im Wald:

 

Der Baumhirte von Dinkelsbühl

 

Hermann Benninger ist Förster der Stadt Dinkelsbühl. Gemeinsam mit seinem Kollegen und drei Waldarbeitern betreut er 505 Hektar Stadtwald und zusätzlich 1.120 Hektar Wald der Hospitalstiftung Dinkelsbühl. Zusätzlich werden über Waldpflegeverträge die Katholische Kirchenstiftung Dinkelsbühl mit 64 Hektar und 3 Hektar eines privaten Forstbetriebs mitverwaltet. Die Fläche, die sich über 250 Quadratkilometer erstreckt, verteilt sich auf die Landkreise Ansbach (Bayern), Ostalbkreis und Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg). Der Stiftungswald dient seit dem 14. Jahrhundert der Finanzierung sozialer Einrichtungen und so muss der Förster Vielem gerecht werden. Einerseits hat er die Verantwortung, den Wald klimagerecht anzupassen, gleichzeitig muss er auch den Stiftungszweck erfüllen und mit dem Holz Geld verdienen. Mit der Bayerischen GemeindeZeitung sprach Benninger über den Wald zwischen Klimakrise und Ertragsdruck.

„Ein Traum für jeden Förster!“ Hermann Benninger führt durch  den Lettenbuck, einen Dauerwald mit Einzelbaumnutzung. Bild: CH
„Ein Traum für jeden Förster!“ Hermann Benninger führt durch  den Lettenbuck, einen Dauerwald mit Einzelbaumnutzung. Bild: CH

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, sind unsere bayerischen Wälder bis auf wenige Ausnahmen Kulturlandschaft und von jeher von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Hans Carl von Carlowitz, der vor 300 Jahren den Begriff „Nachhaltigkeit“ formte, war zuständig für die Holzversorgung des kursächsischen Berg- und Hüttenwesens, denn ohne Holz konnte kein Silber gewonnen werden.

Peter Stromer, der im 14. Jahrhundert den Nürnberger Reichswald aufforstete, war beteiligt an einem der wichtigsten Handelshäuser der damaligen Zeit. In früherer Zeit war Holz Bau- und Heizmaterial und in jedem Industriezweig unabkömmlicher, weil alternativloser Energielieferant. Nach dem Zweiten Weltkrieg leistete Deutschland Reparationszahlungen in Form von Holz. Ganze Hänge wurden kahlgeschlagen und anschließend mit dem Brot-und-Butter-Baum der Holzindustrie, der Fichte, wieder aufgeforstet. Zum Berufsbild eines Försters gehört neben dem fachspezifischen Wissen, dass er sich mit den geschichtlichen Hintergründen auskennt und zwar nicht nur mit globalen Ereignissen, wie Kriegen und wirtschaftlichen Entwicklungen, sondern gerade auch mit lokalen Besonderheiten.

Gleichzeitig muss er die Absichten und Beweggründe der vorangehenden Förstergenerationen verstehen sowie darauf vertrauen, dass das eigene Werk von den Nachfolgern entsprechend gepflegt und bestenfalls fortgeführt wird. Eine Buche wird 120 Jahre alt, bis sie geschlagen werden kann, das ist das 1,5-fache einer Fichte.

Wenn Benninger also heute Buchen pflanzt, dann werden sie, wenn alles gut läuft, im Jahr 2140 verarbeitet. Dann dürfte nach ihm schon die dritte Förstergeneration an der Reihe sein. Bei Eichen darf man mit 180 bis 250 Jahren Umtriebszeit rechnen, d.h. Eichen, die heute gefällt werden, haben womöglich noch Napoleon durchziehen sehen.

Ein Förster baut Holz an, das seine Nachfolger ernten. Für das Holz, das er verkauft, haben seine Vorgänger gesorgt. Er darf nur so viel Bäume einschlagen, wie wieder nachwachsen. Derzeit sind das nach dem aktuellen Forsteinrichtungswerk 11.000 Festmeter Holz. Gleichzeitig verantwortet er nicht honorierte Nebenprodukte: Der Wald ist Kühlschrank und CO2-Senke, Wasserspeicher und Trinkwasserlieferant, Frischluftaufbereiter, Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie Sehnsuchtsort für Erholungsuchende. „Hierfür gibt es keinen direkten Lohn“, so Benninger, „und in den Wirtschaftlichkeitsrechnungen finden diese nicht marktfähigen Güter keinen Eingang. Der Waldumbau allerdings, der durch den Klimawandel bedingt ist, wird durch Förderprogramme und Zuschüsse von EU, Bund und Land kofinanziert.“

Ökosystem Wald nicht im Gleichgewicht

Benninger blickt mit Sorge in die Zukunft. Hätte er noch vor wenigen Jahren darauf vertraut, dass durch die Tanne das Fichtensterben abgefedert werden könnte, ist er nach den vergangenen beiden Sommern nicht mehr so optimistisch: „Die Tanne wurzelt tief und kommt mit Trockenheit besser zurecht. Sie holt Nährstoffe von weiter unten als die Fichte und sorgt mit ihrer Streu für eine gute Mineralisierung des Bodens. In der Verarbeitung ist die Tanne der Fichte gleichgestellt. 2019 lag die Durchschnittstemperatur in Bayern bei rund 10 Grad, da kommen auch Tannen und sogar die klimatolerante Buche an ihre Grenzen. Die langjährige Durchschnittstemperatur für Bayern liegt bei 8,5 Grad. Wenn es uns gelingt, den Temperaturanstieg auf 2°C zu begrenzen, dann haben wir ein Klima wie in Ungarn. Sollte die schlechteste Prognose (4°C) eintreffen, dann müssen wir mit klimatischen Verhältnissen wie in Afghanistan rechnen. Mit solchen Temperaturen kommen Fichten definitiv nicht zurecht. Wir stecken in einer ernsthaften Waldkrise und der Übeltäter heißt Klimawandel.

Laut Internetseite des Landesamts für Umwelt ist in Bayern „das Jahresmittel der Lufttemperatur mit rund 1,1°C seit 1931 stärker gestiegen als der globale Wert von 0,7°C. Die stärkste Erhöhung vollzog sich in den letzten beiden Jahrzehnten, war regional jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt“. Langanhaltende Trockenheit, gepaart mit schweren Stürmen, setzen den Bäumen derart zu, dass Insekten, wie der Borkenkäfer, und verschiedene Pilze leichtes Spiel haben.

Aber Bäume sind nur die offensichtlich Leidtragenden. Es ist das gesamte Ökosystem Wald, das nicht mehr im Gleichgewicht ist. „Durch jahrhundertelangen Fokus auf möglichst viel Ertrag“, so Benninger, „wurden Wälder zu Monokulturen umgebaut, die immer schon anfälliger gegenüber Klimaextremen und Schadorganismen waren.“ Das alles ist nicht neu. Bereits 1880 beschrieb der bayerische Waldbau-Professor Karl Gayer in seinem Buch „Der Waldbau“ die Vorteile von Mischwäldern und natürlicher Verjüngung für die Bewahrung der Standortqualität. „Denn solche Wälder“, führt Benninger aus, „haben ein besonderes Waldinnenklima und sind stabiler gegenüber Schadenereignissen“. Zum Glück gibt es für seinen Wald ein brandneues Forsteinrichtungswerk (2018). Damit hat er einen Plan wie die Wälder in Zukunft umgebaut werden sollen und Dinkelsbühl einen engagierten mutigen Kommunalförster.

Wo es gute Samenbäume gibt, setzt Benninger auf Naturverjüngung, denn dadurch ergeben sich viele Vorteile. Es entstehen geringe Kultur- und Pflegekosten. Der personelle Aufwand hält sich in Grenzen. Die Bäume haben eine hohe genetische Vielfalt und sind fest verwurzelt. Aber die nachwachsenden Bäumchen sind Delikatessen für Rehe. Naturverjüngung kann also nur funktionieren, wenn intensiv gejagt wird.

Bejagung durch den Förster

Den Beweis dafür liefert Benninger selbst. 2009 gab es ein forstliches Gutachten zur Rehwild-Abschussplanung in seiner Abteilung Lettenbuck. Es besagt, dass sich die Verbisssituation deutlich verschlechtert habe und ein jagdliches Gegensteuern dringend erforderlich sei. Daraufhin übernahm Benninger 2010 die Jagd privat selbst und sorgte für entsprechende Abschussquoten, wobei er betont, dass er das Rehwild nicht ausrotten will.

Im erneut 2018 durchgeführten Gutachten heißt es dann: „Sobald Alttannen vorhanden sind, verjüngt sich die Tanne fast ohne Verbiss. Auch die Buche verjüngt sich ohne Probleme.“ Heute führt er voller Stolz durch den Lettenbuck: „Das ist ein Traum für jeden Förster!“ Benninger hat hier sehr anschaulich gezeigt, dass es wichtig wäre, kommunale Förster – wie im Staatswald üblich – auch mit der Bejagung in den eigenen Flächen zu betrauen.

Der Lettenbuck entwickelt sich jetzt zu einem Dauerwald mit Einzelbaumnutzung, in dem die natürlichen Abläufe im Wald genutzt werden. Entnommen werden nur Bäume, die erntereif oder deren Qualität nicht vielversprechend ist. So wird Platz und Licht für eine neue Generation geschaffen. Solche Wälder sind gegenüber Schadensereignissen stabil. Rückegassen finden sich alle 40 Meter.

In einer „Holzplantage“, wie Benninger intensiv beförsterte Waldgebiete nennt, sind Rückegassen alle 20 Meter angelegt. Damit könnte der Wald komplett maschinell bearbeitet werden. Darauf hat Benninger bewusst verzichtet um einen höheren Anteil an Boden als Produktionsfläche zu erhalten. Im Stadt- und Hospitalwald arbeiten Harvester und Waldarbeiter kombiniert zusammen. Für natürlich verjüngte Waldflächen sind gute Waldarbeiter unverzichtbar.

Pflanzung oder Saat

Wo Naturverjüngung nicht möglich ist, kann gepflanzt werden. Diese Setzlinge, die eine geringere genetische Vielfalt besitzen, sind behandelt und die Wurzeln beschnitten. Man spricht davon, dass die Bäumchen nach dem Einbringen im Wald unter einem Pflanzschock leiden. Wenn die Zöglinge mit der Situation nicht zurechtkommen, kann schon mal ein Großteil der jungen Pflanzen ausfallen. Um solche Extreme abzupuffern und auch die Resilienz der Pflanzen zu fördern, setzt Benninger auf die Saat.

Im Schutz des Altholzes hat der Förster inzwischen Tannen, Eichen – die mit einem trockenen Klima besser zurechtkommen – und seit diesem Jahr auch Buchen gesät. Bislang ist die Saat aufgegangen. Solange die Pflanzen noch nicht der Verbissgefahr entwachsen sind, ist oftmals ein teurer und aufwändiger Zaunschutz nötig. Aber wenn es gut geht, dann ist die Saat eine um 20 Prozent kostengünstigere und für den Wald verträgliche Alternative.

Schon im Mittelalter war die Saat von Bäumen gängige Praxis. Benninger hofft, dass die Buchen, die er 2020 gesät hat, bis zu seiner Rente mindestens 10 Meter hoch sind. Sein nächstes Projekt wird eine Edelkastaniensaat sein. Dazu hat er eine mit Heidelbeere überwucherte Fläche im Auge. Heidelbeere ist ein Indikator für Oberbodenversauerung. Die Edelkastanie ist in südlichen Ländern heimisch und kommt mit nährstoffärmeren Böden gut zurecht. Zugleich sorgt sie mit ihrer Streu für eine bessere Bodenökologie.

Die Buchensaat 2020 geht auf. Bild: CH
Die Buchensaat 2020 geht auf. Bild: CH

Holzverkauf in Eigenregie

Mit der Saat legt Benninger den Grundstein dafür, dass seine Nachfolger hoffentlich klimaresistente Bäume ernten können, deren Holz einen anständigen Preis erzielt. Momentan ist der Holzpreis im Keller. Der Markt ist aufgrund von Stürmen und der Borkenkäferplage mit Kalamitätenholz geflutet. Seit 2005 wird der Holzverkauf vom Dinkelsbühler Förster in Eigenregie erledigt.

Glücklicherweise hat Benninger gute Absatzmöglichkeiten durch mittelständische und große Sägewerke in der näheren Umgebung. Er berichtet von Kollegen, deren Holzeinschlag vehement durch Sturm und Borkenkäfer bestimmt wird. So schlimm sieht es bei ihm nicht aus. Aber trotzdem ist es schmerzhaft, wenn eine vom Borkenkäfer befallene Fichte, die 80 Jahre im Wald steht, geschlagen werden muss und nur noch 35 Euro pro Festmeter bringt. Dieser Wertverlust ist eine riesige finanzielle Belastung für den Waldeigentümer. Außerdem ist es schwierig einzuschätzen wie sich die Holzpreise landesweit entwickeln werden, wenn die anfallenden Schadholzmengen auf gleichem Niveau bleiben oder sogar weiter ansteigen.

Alternative Einnahmequelle

Benninger vertritt daher die Ansicht, dass es möglich sein muss, auch anderweitig Geld zu verdienen. Eine alternative Einnahmequelle für den städtischen Forstbetrieb sind die Pachteinnahmen durch die Nutzung von Windenergie. Derzeit stehen drei Windräder im Stadtwald und nochmals drei im Hospitalwald. Natürlich plädiert er dafür, keine schützenswerten Bereiche zu opfern, die Debatte sollte aber geführt werden.

Eine weitere Zusatztätigkeit hat der Förster für sich aufgetan, und zwar den Wald als Bereitsteller von Ausgleichsflächen anzubieten. Diese Flächen werden aus der Bewirtschaftung herausgenommen und der Waldeigentümer wird finanziell entschädigt.

In seinem Revier hat er dafür auch ein passendes Beispiel. 2013 wurde festgestellt, dass sich ein Biber auf einer ehemaligen Weiherfläche niedergelassen hat. Ein Biberdamm staute ein Fließgewässer auf, was zu großflächigen Überflutungen führte. Mit einer fortschreitenden Biberaktivität war zu rechnen. Wie der Zufall es wollte, brauchte die Stadt Dinkelsbühl eine Ausgleichsfläche für ein Baugebiet und Benninger ergriff diese Win-win-Chance für Kommune und Biber. Dieser trägt jetzt zum Erhalt und zur Gestaltung der Ausgleichsfläche bei. Die Entwicklung wird stetig dokumentiert; das entstandene Gewässer gehört mit 29 registrierten Libellenarten zu den artenreichsten Libellenhabitaten im Wuchsgebiet Virngrund. Der Stadt blieben Renaturierungsmaßnahmen (fast) erspart.

Benninger weiß, dass gehandelt werden muss und er ist gut vorbereitet. Er fördert Samenbäume und Naturverjüngung. Er zeigt auf, dass man für einen naturnahen Waldumbau die Jagd in den Griff bekommen muss. „Verbiss kann man nicht vermeiden, aber es macht einen Unterschied, ob nur 20 Prozent oder eben doch 80 Prozent verbissen sind“, erklärt der Förster.

Versuche mit Exoten

Auf geeigneten Böden sät er Bäume, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen und anstatt sich nur auf den Holzpreis zu verlassen, findet er weitere Ertragsmöglichkeiten. Versuche mit Exoten wie Libanon- und Atlaszeder hält er für durchaus diskutabel, von einem bestandsweisen Anbau rät er aber ab. „Ob diese Arten mit unseren Spätfrösten zurechtkommen, wissen wir einfach nicht“, erklärt Benninger und verweist auf 100 Jahre Erfahrung mit der Douglasie. Dort, wo es geeignete Standorte für sie gibt, spricht nichts gegen diesen Baum. Allerdings ist auch ihre Streu für die Mikroorganismen im Boden schwer verdaulich.“ Die Douglasien, die in Benningers Revier stehen, sind gut durchmischt mit Buchen und Tannen, die als Basenpumpe die Nährstoffe von weiter unten holen. Buchen sorgen außerdem für Schatten und Windruhe.

Besonders der öffentliche Wald muss vorbildlich bewirtschaftet sein und den Dienst des Waldes an der Gesellschaft erachtet der Förster als lebensnotwendig:

„Ich darf mich bei Naturgütern bedienen, aber ich darf keinen Raubbau betreiben. Letztendlich ist der Wald der Wald der Bürger und Einkommensquelle künftiger Generationen. Gerade in diesen Zeiten hat er sich auch als wichtig für die menschliche Seele erwiesen.“

CH

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