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(GZ-1/2-2021)
Neues von Sabrina
 

Kosmos des Irrwitzes

Gestern hat mein Chef gesagt...

„Welchen Wunsch zum neuen Jahr hatten Sie? Ich wünsche mir, dass wir am Ende des Jahres beim Wort „Corona“ wieder zuerst an ein mexikanisches Bier und beim Namen „Donald“ an eine Comic-Ente denken.“ Mein Chef, der Bürgermeister, brachte auf einen kurzen Nenner, was sich wohl viele Leute so oder so ähnlich bei der Rückschau auf 2020 dachten.

Bei der Sache mit dem Namen Donald haben wir glaube ich eine gute Chance, auch wenn derzeit der Mann, der noch ein paar Tage im Weißen Haus in Washington wohnen darf, die Welt weiter und tiefer in seinen Kosmos des Irrwitzes zieht. Immer noch schüttelt es einen, wenn man an die Freak-Parade aus Senioren-Bikern, QAnon-Schamanen und Zottelbärten denkt, die wie eine Horde Plünderer bei einem Strom-Blackout das amerikanische Parlamentsgebäude stürmen und sich völlig enthemmt in Sessel flegeln, Einrichtungen zertrümmern und Denkmäler schänden.

Was daran besonders traurig macht, ist die Tatsache, dass eine verblendete Masse in ihrer Wut über das Ergebnis einer demokratischen Wahl sämtlichen Autokraten des Erdballs Anlass zur Häme gibt. In Teheran, Minsk und Peking feixen Leute, die Wahlen allerhöchstens als Feigenblatt für ihre totalitären Ansprüche abhalten. Dort wird friedlicher Protest auf den Straßen niedergeknüppelt und Widerworte führen ins Gefängnis. Eigentlich sollten wir in den westlichen Demokratien für diese Länder Vorbild und könnten für deren Völker Hoffnung sein. Das alles wird durch die Eitelkeit und den Narzissmus eines abgewählten Mannes konterkariert, der lieber schlichte Gemüter aufhetzt, als eine Wahlniederlage zuzugeben. Aber über dies alles wird die Geschichte hinweggehen – sicherlich noch dieses Jahr.

Was garantiert nicht so leicht gelingen wird, ist das Abschütteln des Corona-Albtraums. Wir hangeln uns jetzt seit letztem März von Lockdown zu Beschränkungen, von Zumutung zu Geduldsprobe und was macht das Virus? Es mutiert und wird immer noch ansteckender.

Die Wissenschaft verspricht uns, dass uns eine Impfung wieder zurück zur Normalität bringt und, ehrlich gesagt, ich will einfach daran glauben. Corona nervt.

Aber es gibt etwas, das noch viel mehr nervt: Besserwisser. Damit meine ich nicht nur Dauertalkshowgäste, die aus einem lange zurückliegenden Medizinstudium die Befähigung ableiten, immer neue Bilder der Corona-Apokalypse zu malen, verbunden mit der Anregung, die Republik sollte jede Tätigkeit einstellen und sich in den unbegrenzten Winterschlaf begeben. Freiheitsrechte im Grundgesetz? War da was?

Die unerträglichste Besserwisserei kommt aber von denen in Politik und Medien, die schon immer gewusst haben, was für Impfstoffe man vorbestellen hätte sollen. Ich komme mir als Staatsbürgerin und Mediennutzerin nicht ernst genommen vor. Was waren denn im Herbst die Stars, die in aller Munde als potentielle Heilsbringer waren? CureVac und AstraZeneca! Bei CureVac ist die Bundesrepublik extra finanziell eingestiegen, um die Forschung abzusichern und sich ein gutes Stück vom Kuchen zu sichern. Bei AstraZeneca hieß es, das Stöffchen kommt aus Oxford, das muss gut sein. Und warum nicht auch bei Sanofi ordern, einem der größten Player überhaupt? Für mich ist es bei der damaligen öffentlichen Diskussion erfreulich, dass die EU den Mut aufgebracht hat, so viel von BioN-Tech und Moderna zu bestellen. Das waren ja alles Blindeinkäufe, niemand wusste, wer als erster durchs Ziel geht.

Mein Chef, der Bürgermeister, ist wie immer Pragmatiker und hat nur den Ehrgeiz, das Impfen bei uns so effizient wie möglich zu organisieren, unabhängig, wer den Impfstoff liefert. Jeder der will, soll seinen Teil bekommen und keiner, der zweifelt, soll sich impfen lassen müssen. Aber ich kann es mir nicht verkneifen, ihm einen Satz von Lothar Späth mitzugeben. Der bezieht sich zwar auf die Kritiker der Wiedervereinigung vor 30 Jahren, kann aber auf jedes Ereignis übertragen werden, für dessen Bewältigung keine Blaupausen vorhanden sind: „Bei der nächsten Wiedervereinigung machen wir es besser“.

Ihre Sabrina

 

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