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(GZ-14-2023 - 20. Juli)
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► Krankenhausreform:

 

Widerspruch aus Bayern

 

Nach langem Ringen haben sich Bund und Länder auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform geeinigt. 14 Bundesländer stimmten für den gemeinsamen Beschluss, lediglich Bayern votierte dagegen, während sich Schleswig-Holstein enthielt. Über den Sommer soll jetzt ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. In Kraft treten soll die Reform Anfang 2024.

Unter anderem ist geplant, das Vergütungssystem mit Fallpauschalen zu ändern, um die Krankenhäuser vom finanziellen Druck zu entlasten, immer mehr Fälle zu behandeln. Sie sollen künftig einen großen Anteil der Vergütung schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten erhalten. Die Reform könnte jedoch zur Folge haben, dass schwierige Behandlungen in ländlichen Kreiskrankenhäusern nicht mehr möglich wären. Unklar ist auch das Ausmaß der befürchteten Krankenhausschließungen.

Zentrale Punkte strittig

Als „unzureichend“ kritisierte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek die beschlossenen Eckpunkte der Bundesregierung: „Eine Krankenhausreform ist sehr wichtig – deshalb hat sich Bayern intensiv für eine sinnvolle Lösung eingesetzt, die alle mittragen können. Aber der Bund war in zentralen Punkten nicht zum Einlenken bereit. Deshalb konnte ich den Eckpunkten von Bundesgesundheitsminister Lauterbach nicht zustimmen.“

Ausdrücklich verwies der Minister darauf, die bayerische Gegenstimme sei „keine Verweigerungshaltung, sondern ein Ausdruck eines demokratischen Widerspruchs, dass wir in der Sache noch nicht übereinstimmen“. Gleichwohl zeigte er sich überzeugt, „dass wir eine Krankenhausreform brauchen, und klar ist auch, dass das Ergebnis in wesentlichen Passsagen die Handschrift Bayerns trägt. Jetzt werden wir prüfen, wie Bayern sich in den weiteren Gesetzgebungsprozess konstruktiv einbringen kann.“

Verfassungsmäßige Planungshoheit

Wie Holetschek erläuterte, habe er bereits vor den Verhandlungen darauf hingewiesen, dass die verfassungsmäßig festgelegte Planungshoheit der Länder gewahrt bleiben muss. Die Länder müssten weiter gestalten können, welche Krankenhausversorgung regional am sinnvollsten ist. Jedoch seien in dem Punkt möglicher Ausnahmeregelungen für die Länder und bei der Berücksichtigung von Kooperationslösungen und Verbundmodelle die Aussagen des Bundes noch zu vage.

Der Minister bekräftigte: „Natürlich geht es auch Bayern um die Qualität der Versorgung und die Weiterentwicklung dieser Qualität. Kern des Ganzen ist aber auch eine flächendeckende Versorgungssicherheit. Völlig unklar ist meines Erachtens weiterhin, welche Qualitätsvoraussetzungen die Bundesregierung bei den Leistungsgruppen ansetzen will.“

Holetschek zufolge sieht sich Bayern als Anwalt für die flächendeckende Krankenhausversorgung – von der wohnortnahen Grundversorgung bis zur Spitzenmedizin. „Ein kurzer Weg ins nächste Krankenhaus ist auch ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Ich denke da zum Beispiel an unser ausgezeichnetes und deutschlandweit beispielloses Schlaganfallnetzwerk in Bayern. Dieses Netzwerk rettet Leben. Und das Netzwerk lebt von den Normal- und Regelversorgern.“

Bund steht in der Finanzierungsverantwortung

Der Minister erwartet, dass der Bund sich auf seine Finanzierungsverantwortung besinnt und ein kaltes Kliniksterben verhindert. „Die Finanzierung der Betriebskosten reicht schon jetzt absehbar für 2024 nicht. Da muss der Bund nachlegen, und GMK-Beschlüsse mit 16:0 dazu sprechen eine klare Sprache.“ Ein weiterer wichtiger Punkt für die weiteren Beratungen sei, dass Lauterbach Transparenz schaffen muss, was diese Reform bedeutet. „Bevor über das Gesetz abgestimmt werden kann, muss klar sein, welche Folgen das in der Fläche haben wird. Das vermisse ich trotz mehrfacher Aufforderung bis heute.“

„Zwei-Klassen-Medizin“ befürchtet

Aus Sicht von Ministerpräsident Dr. Markus Söder führt die Reform zu einer „Zwei-Klassen-Medizin“, da die medizinische Versorgung im ländlichen Raum nicht mehr finanziell gefördert werde und damit nicht mehr hochwertig sei. Demgegenüber investiere Bayern „massiv“ in seine Krankenhäuser.

„Der Bund und 14 Länder haben sich auf wortreiche Unverbindlichkeit geeinigt und der Bundesgesundheitsminister verkauft dies als Revolution. Die Eckpunkte legen sich in den wenigsten Fragen fest und bleiben besonders im Hinblick auf die notwendige finanzielle Ausstattung zum Ausgleich aktueller Finanzierungsengpässe, aber auch zur Umsetzung der Reform, unverbindlich“, monierte der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin, Fürstenfeldbruck, in einem ersten Kommentar zum Eckpunktepapier. Einziger positiver Aspekt sei die Anerkennung der Krankenhausplanung als Länderaufgabe.

„Das Eckpunktepapier vermittelt den Eindruck, dass die notwendigen Krankenhäuser, die wir für die Versorgung der Menschen in der Fläche brauchen, vor der Insolvenz gerettet würden. Gleichzeitig soll es auf der Erlösseite für die Krankenkassen aber nicht teurer werden. Offen bleibt zudem die Definition eines ‚notwendigen‘ Krankenhauses. Welche Konsequenzen dies für die Existenz der kleineren Krankenhäuser in der Fläche hat, ist noch nicht abschätzbar“, unterstrich Karmasin.

Versorgungssicherheit flächendeckend sichern

Mehrfach hätten die bayerischen Landrätinnen und Landräte, so der Verbandschef, ihre Unterstützung für eine Reform des Gesundheitswesens mit Fokus auf eine strukturübergreifende Versorgung bekräftigt. „Der Erhalt unserer Krankenhäuser in der Fläche ist für die ambulante und notärztliche Versorgung, die Ausbildung des Pflegepersonals und die Weiterbildung der Ärzte zentral. Wir brauchen eine Reform, welche erreichbare qualitativ hochwertige Krankenhäuser sichert, um im Zusammenwirken mit einer bedarfsgerechten ambulanten Struktur von Haus- und Fachärzten eine umfassende medizinische Versorgung der Bevölkerung anbieten zu können. Dazu bedarf es neben kurzfristiger Finanzhilfen vor allem einer Analyse der Auswirkungen der angedachten Reformschritte auf die bayerische Krankenhausstruktur, die der Bund aber entgegen seiner Zusicherungen ebenfalls noch nicht vorgelegt hat.“

„Etwas verwunderlich“ empfindet Karmasin „die Euphorie der Befürworter des Eckpunktepapiers“. „Wenn man sich ansieht, was wir mit unserer deutschen Gründlichkeit aus dem System der DRG-Fallpauschalen in den vergangenen 20 Jahren gemacht haben, stimmt einen die Detailliertheit der Eckpunkte sorgenvoll.“

Verwaltungsaufwand würde steigen

Eingangs werde von Entbürokratisierung als einem zentralen Ziel der Krankenhausreform gesprochen. Auf den weiteren Seiten folgten dann aber zahlreiche Ankündigungen und Vorgaben zur Planung und Prüfung, die den Verwaltungsaufwand in den Krankenhäusern nicht absenken, sondern sicher noch einmal erhöhen werden, betonte der Landkreistagspräsident. „Wenn etwa bei den örtlichen Budgetverhandlungen zukünftig neben den abgesenkten DRG-Fallpauschalen und den Pflegebudgets auch das vorab festgelegte Vorhaltebudget mitberücksichtigt werden muss, wird das Geschäft für die Verhandler der Kassen und der Krankenhäuser sicher noch komplizierter. Auch das vorgeschlagene Transparenzgesetz zur Verbesserung der Patienteninformation wird nicht ohne Verwaltungsaufwand vollzogen werden können. Patienten mit planbaren Leistungen vertrauen im Alltag auf die Einschätzung ihres niedergelassenen Arztes, welches Krankenhaus geeignet ist. Im Notfall wird sich dagegen niemand vor der Einweisung Qualitätsberichte ansehen. Aufwand und Nutzen stehen hier nicht im richtigen Verhältnis!“

Die Zeit drängt

Wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, gegenüber dpa betonte, werde es Jahre dauern, bis die Reform greift. So viel Zeit hätten aber viele Krankenhäuser nicht. Deshalb sei es ein schlechtes Signal, dass die Verständigung von Bund und Ländern die extrem gestiegenen Kosten der Kliniken durch höhere Energiepreise, Inflation und Personalkosten überhaupt nicht berücksichtigt.

„Wenn die Krankenhäuser mit einer Zwischenlösung nicht schnell frisches Geld bekommen, werden etliche die Reform nicht mehr erleben. Dann wird es zu unkoordinierten Krankenhausschließungen kommen, die mit der Reform eigentlich verhindern werden sollen“, prognostizierte Dedy.

DK

 

 

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