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(GZ-11-2022)
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► Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung:

 

Niederlage für den Rechtsstaat

Schlag ins Gesicht für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen

Das Bundesverfassungsgericht hat erste Klagen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht für die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich abgewiesen. Dabei berief sich das Gericht entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnis in erster Linie auf den Fremdschutz. Ebenfalls ließ das Gericht unberücksichtigt, dass keiner der aktuellen COVID-Impfstoffe eine Ansteckung substanziell verhindert. Für die Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung (ÄFI), die in dem Verfahren als sachkundiger Dritter eine Stellungnahme abgegeben hatten, ist das Urteil auch eine Niederlage für den Rechtsstaat.

Seit dem 15. März gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Nachdem das BVerfG bereits vor diesem Termin zahlreiche Verfassungsbeschwerden und Eilanträge gegen die Regelung abgewiesen hatte, bestätigte es nun diese Entscheidung im Hauptsacheverfahren.

Die Karlsruher Richter führten in erster Linie das Argument des Fremdschutzes an. Die Impfung aller Beschäftigten im Gesundheitswesen könne dazu beitragen, alte und kranke Menschen zu schützen. Geimpfte seien bei einer COVID-Infektion weniger und kürzer infektiös als nicht Geimpfte. Ebenfalls sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber keine milderen Mittel als die Impfung zum Schutz vulnerabler Menschen berücksichtigt habe.

Das Gericht erkannte zwar an, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschäftigten im Gesundheitswesen darstellt; hält dies jedoch „zum Schutz vulnerabler Menschen“ für gerechtfertigt.

Impfstoffe wurden nur für den Eigenschutz entwickelt

Bei seiner Entscheidung ließ das Gericht unberücksichtigt, dass die eingesetzten COVID-Impfstoffe im europäischen Zulassungsverfahren stets für den Eigenschutz im Sinne der Vermeidung von schweren Verläufen und Tod, nicht aber auf den Fremdschutz vorgesehen waren. Nach großen Haushaltskontaktstudien ist das Risiko, andere Menschen anzustecken, für infizierte Geimpfte und infizierte Ungeimpfte auch bei engem Kontakt nicht wesentlich unterschiedlich.

Objekte staatlichen Handelns

Immerhin erkannte das BVerfG, dass ÄFI als einziger sachkundiger Dritter auf das Problem des fehlenden Fremdschutzes hingewiesen hat. Ein Rechtsgutachten des Oldenburger Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler, erstellt im Auftrag der ÄFI, hatte die ÄFI-Expertise bei der Beurteilung des Fremdschutzes genutzt. Sein Fazit: Ohne zusätzlichen Schutz der betreuten Menschen fehlt der einrichtungsbezogenen Impfpflicht jede wissenschaftliche Grundlage.

Der Gutachter war zu dem Schluss gelangt, dass die Impfpflicht im Gesundheitswesen juristisch nicht geeignet, nicht erforderlich und nicht angemessen ist. Sie verletze zudem die Menschenwürde, da sie aus selbstbestimmten Menschen – den Beschäftigten im Gesundheitswesen – Objekte staatlichen Handelns mache. Derlei Aspekte ließ das BVerfG bei seiner Entscheidung nicht gelten. Grundsätzlich stehe jedem ein Berufswechsel (Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräften und med. Fachangestellten) oder ein Arbeitsplatzwechsel (Verwaltungs-, Reinigungs- und Küchenpersonal) frei. In ihrer Stellungnahme als sachkundiger Dritter hatte ÄFI auch auf die allgemein reduzierte Impfstoffwirkung bei Omikron hingewiesen und die mangelnde Evidenz der Impfwirksamkeit bemängelt.

Pflegenotstand wird weiter verschärft

Angesichts von Omikron ist in der Summe keine Überlastung von Krankenhäusern und Intensivstationen zu befürchten. Vielmehr droht ein erneutes Überlastungsszenario: durch die erneut in Planung befindlichen strengen Quarantänemaßnahmen und die große Zahl der Kündigungen gerade in den Pflegeberufen, die eine einrichtungsbezogene Impfpflicht jetzt garantiert nach sich ziehen wird.

„Dieses Urteil steht wissenschaftlich auf sehr dünnem Eis“, sagt ÄFI-Vorstand Dr. med. Alexander Konietzky, „zumal die verfügbaren Impfstoffe nur ‚bedingt‘ zugelassen sind, was vom Gericht überhaupt nicht gewürdigt wurde.“ Da eine allgemeine Impfpflicht zuletzt im Bundestag durchgefallen ist, gefährdet die Karlsruher Entscheidung auch den allgemeinen Gleichheitssatz. „Nachdem sie vor zwei Jahren für ihr Engagement beklatscht wurden, werden die Beschäftigten im Gesundheitswesen nun mit der Verletzung wesentlicher Grundrechte bestraft. Das ist wie ein Schlag ins Gesicht“, so Dr. Konietzky. „Insofern ist das Urteil auch eine Niederlage für den Rechtsstaat.“

  

 

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