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(GZ-15/16-2019)
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► Letzte Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause:

 

Mehr Respekt im Landtag

 

Modern und glaubwürdig – so soll sich der Freistaat Bayern und seine Politik in der Öffentlichkeit geben. Diesen Appell gaben Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Ministerpräsident Markus Söder während der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause aus. Über die veränderte Atmosphäre im Bayerischen Landtag, zeigte sich Aigner jedoch besorgt. Anlass dazu gibt auch der aktuelle Fall des AfD-Abgeordneten Ralf Stadler, gegen den die Landtagspräsidentin einen Strafantrag stellte.

Traditionell halten die Landtagspräsidentin, der Ministerpräsident und ein Mitglied der größten Oppositionsfraktion am Ende der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause Schlussworte. Diese beinhalteten in diesem Jahr allerdings nicht nur Lob. Denn zunächst appellierte die Landtagspräsidentin an die Abgeordneten, auf einen gemäßigten Ton und ein respektvolles Miteinander zu achten. Innerhalb kurzer Zeit musste vier Mal das Fehlverhalten einzelner Abgeordneter gerügt werden.

Regelverstöße und Grenzüberschreitungen

Im Präsidium und im Ältestenrat wurden immer wieder Regelverstöße und Grenzüberschreitungen diskutiert. Davor gab es so gut wie nie auch nur eine Rüge. Wörtlich sagte Aigner: „Die Regeln für unser Miteinander hier im Hohen Haus haben sich über Jahrzehnte entwickelt. Es gibt sie aus gutem Grund, und sie haben sich bewährt.

Ich werde darum weiterhin gegen derartige Verstöße vorgehen. Solche Regelverletzungen dürfen nicht folgenlos bleiben! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin der festen Überzeugung, dass eine unserer Hauptaufgaben in den kommenden Monaten und Jahren darin bestehen wird, die Glaubwürdigkeit in die Politik zu verbessern.“ Dass Aigner ihren Worten auch Taten folgen lässt, macht der jüngste Vorfall deutlich.

Anzeige gegen AfD

Die Landtagspräsidentin hat bei der Generalstaatsanwaltschaft München einen Strafantrag gegen den AfD-Abgeordneten Ralf Stadler gestellt. Anlass war eine verfremdete Fotomontage, die Stadler am 9. Juli 2019 in seinen öffentlichen Facebook-Account eingestellt hatte. Zu sehen waren Landtagspräsidentin Ilse Aigner und mehrere Kinder einer bayerischen Grundschule, die anlässlich der Landtagsveranstaltung „Entdeckertag“ am 5. Juli vor dem Landtag Luftballons steigen ließen.

Der Abgeordnete Stadler hatte in einer Vielzahl der abgebildeten Luftballons das Parteilogo der AfD eingearbeitet. Dazu schrieb Stadler im Untertitel „Die AfD wirkt auch in Bayern“. Die Gesichter von Kindern und der auch abgebildeten Lehrerin wurden zwar verpixelt. Die auf der Fotomontage abgebildeten Personen sind dennoch identifizierbar, da das Originalbild auf der Startseite der Homepage des Landtags abgebildet war.

Mit dem Post dieser Fotomontage erweckte Stadler den Eindruck, die Landtagspräsidentin hätte mit den am Entdeckertag anwesenden Kindern AfD-Luftballons steigen lassen – und damit an einer Werbeaktion für eine politische Partei teilgenommen. Das wäre allerdings mit dem Amt der Landtagspräsidentin nicht vereinbar.

„Es handelt sich beim dargelegten Sachverhalt um einen Angriff auf die Integrität meiner Person und auf das Amt der Landtagspräsidentin sowie um eine erhebliche Rechtsverletzung zu Lasten der Schulkinder und ihrer Lehrerin. Ich bin nicht bereit, das hinzunehmen und ziehe mit dem Strafantrag eine Linie als klar erkennbares Zeichen für alle, die sich im Landtag nicht an die Regeln halten wollen“, rechtfertigte Aigner ihr Vorgehen. Der Strafantrag liegt nun bei der Generalstaatsanwaltschaft München.

Es ist das erste Mal, dass ein Landtagspräsident oder eine Landtagspräsidentin in Bayern Strafantrag gegen einen Abgeordneten stellt. Weder Stadler noch AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner waren zu einer Reaktion bereit.

Aigner nannte in ihrer Abschlussrede aber auch ermutigende Beispiele: Der Umgang mit dem Volksbegehren für besseren Artenschutz gehörte für sie dazu und sie lobte das Engagement der jungen Generation. Hier seien alle bereit gewesen, sich zusammenzusetzen und Regeln für einen größtmöglichen Ausgleich zu beschließen.

Vorbild-Charakter beim Artenschutz

„Für mich hat solcher Umgang miteinander wirklichen Vorbild-Charakter! Und ich möchte einmal deutlich sagen: Von einer allgemeinen Politikverdrossenheit kann keine Rede sein. Im Gegenteil! Gerade junge Menschen sind heute sehr interessiert an politischen Themen! Sie haben einen untrüglichen Kompass und ein sensibles Gespür für die drängenden Probleme. Denken Sie nur an den Klimaschutz oder das Engagement gegen Ausgrenzung und Extremismus“, sagte Aigner. Denn letztlich gehe es um die Lebensperspektiven für die kommenden Generationen – und hier sei der Klimaschutz ein wichtiger Punkt, aber nicht der einzige.

„Ich rate uns dringend: Nutzen wir unseren Gestaltungsspielraum im Bayerischen Landtag mit Weitblick, Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein auf allen Politikfeldern!“

Positive Arbeitsbilanz

So führte die Landtagspräsidentin auch die Arbeitsbilanz als positives Ergebnis auf und erinnerte an die Konstituierung des Landtags, die Wahl des Ministerpräsidenten, die Bestellung der Staatsregierung, die Anpassung der Geschäftsordnung und des Abgeordnetenrechts und Abgeordnetengesetzes.

Auch der Haushalt 2019/2020 wurde erfolgreich verabschiedet – mit über 650 Änderungsanträgen. In den Ausschüssen wurden Themen wie Pflegesituation, Artenschutz, Inklusion, Bessere KITAs, Situation der Geburtshelfer und Hebammen, ANKER-Zentren, Schneemassen im Januar, Kohle-Ausstieg und Europa diskutiert.

Für die Opposition rief Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen die Höhepunkte aus den ersten zehn Monaten der Landtagsarbeit ins Gedächtnis. Sie erinnerte an eine lebhafte Diskussionsveranstaltung zu Europa mit 190 Jugendlichen aus ganz Bayern, an die Wanderausstellung 100 Jahre Frauenwahlrecht, die der Landtag erstellt hatte, und an die Rede von Dr. Charlotte Knobloch anlässlich des Holocaust-Gedenkaktes im Plenarsaal.

Gerade die Mahnung einer Holocaust-Überlebenden, die Demokratie vor ihren Feinden zu schützen habe Schulze nachhaltig beeindruckt. „Frau Dr. Knobloch hat Recht. Bayern ist vielfältig. Hier gibt es keinen Platz für Antisemiten, Rassisten und für Menschenfeinde.“

Ministerpräsident Dr. Markus Söder rief zu neuem und positivem Denken im Hinblick auf die Zukunft Bayerns auf: „Wir sind nicht Gegenwartsverwalter, sondern Zukunftsgestalter.“ Zugleich dankte er dem Parlament und dem Präsidium für die Courage, wichtige Wertentscheidungen zu treffen.

Insgesamt sei es wichtig, dass die Politik offen für Neues sei, aber die bayerische Identität erhalten bleibt. „Ich möchte wirklich dafür sorgen, dass wir so modern wie möglich sind, aber dass Bayern auch Bayern bleiben kann.“

Anja Schuchardt

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