Kommunalverbändezurück

(GZ-6-2017)
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Klartext in Europa
 
6 2017 KPV

V. l.: Prof. Dr. Ulrich Reuter, Manfred Weber, Stefan Rößle, Jörg Kunstmann und Georg Huber. Bild: DK

Die Veränderungen in der Welt vollziehen sich mit atemberaubender Geschwindigkeit und die Parteien sehen sich komplexen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen gegenüber. Entsprechend spannend gestaltete sich die jüngste Sitzung des KPV-Landesvorstandes und Hauptausschusses in der CSU-Parteizentrale in München, zu der Vorsitzender Stefan Rößle EVP-Fraktionschef Manfred Weber, MdEP, begrüßen konnte.

Weber kennt aus der gemeinsamen Zeit im Europäischen Parlament die Stärken und Schwächen des SPD-Kanzlerkandidaten Mar-tin Schulz wie kaum ein anderer. Zudem standen die Themen Brexit, Griechenlandhilfe, Türkei und die Zukunft der Europäischen Union mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die kommunale Ebene im Zentrum der Diskussion.

Neue Gesetze limitiert

Im Gepäck hatte der EVP-Chef zunächst folgende wichtige Botschaft: Mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren Neuregelungen und Gesetze im Vergleich zu José Manuel Barrosos Amtszeit deutlich limitiert. Wurden unter ihm 123 neue Gesetze pro Jahr beschlossen, sind es unter Juncker mittlerweile nur noch 20. „Das ist eine massive Reduktion auf das Wesentliche“, so Weber. Der Fokus liege auf der Regionalisierung; die CSU habe es erfolgreich geschafft, Themen aus Brüssel zurückholen – Stichwort Gentechnik.

Sorgenkind Nummer eins innerhalb der Europäischen Union ist nach wie vor Griechenland. Solange dort der Reformweg beschritten wird, sei Unterstützung von Seiten der EU völlig o.k., konstatierte Weber.

Kein Schuldenschnitt für Griechenland

Ein Schuldenschnitt wäre allerdings extrem unfair gegenüber anderen europäischen Ländern, die den Konditionen ihrer Rettungsprogramme ohne Schulden-erleichterungen nachgekommen seien, betonte der Europaabgeordnete mit Blick auf Spanien, Irland, Zypern und Portugal. Auch gegenüber der Öffentlichkeit in Deutschland sei ein solcher Schnitt nicht zu rechtfertigen.

Zustimmung zu CETA

Zugestimmt hat das Europäische Parlament dem „umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada“ (CETA). Dieses soll den Handel mit Waren und Dienstleistungen ankurbeln sowie die Investitionsströme vergrößern. Das Abkommen könnte schon ab April 2017 vorläufig zur Anwendung kommen. Weber zufolgebleiben bewährte Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards, die öffentliche Daseinsvorsorge und der kulturelle Bereich umfassend geschützt – hier ändert sich durch CETA nichts. In Zeiten, in denen der Protektionismus in aller Munde ist, sei die Zustimmung zu CETA ein klares Bekenntnis zu Offenheit und globalem Austausch.

Entlastung der Aufnahmestaaten

Mit Blick auf das Thema Migration verwies Weber darauf, dass es mit der weitgehenden Schließung der Westbalkanroute gelungen sei, den ersten entscheidenden Schritt zur Entlastung der am meisten betroffenen Aufnahmestaaten zu setzen. Zusammen mit dem später vereinbarten EU-Türkei-Abkommen konnten die Migrationsströme massiv reduziert werden.

Nachhaltige Lösung der Migrationsthematik

Für eine nachhaltige Lösung der Migrationsthematik seien ein entschlossenes und koordiniertes Vorgehen Europas und eine enge Kooperation mit seinen Nachbarn, wie etwa der Türkei, vonnöten. Allerdings dürfe sich Europa keinesfalls – vor allem auch angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in der Türkei – in eine Abhängigkeit gegenüber Drittstaaten begeben. Es brauche eine gesamteuropäische Kraftanstrengung, um zukunftsfähige Lösungsansätze zu entwickeln und rigoros durchzusetzen.

Die Schließung der Westbalkanroute wertete Weber als bedeutenden Etappenerfolg, der jedoch auf Dauer nicht ausreichen werde. So habe etwa der von Schleppern und Menschenhändlern angetriebene Zuzug über die lebensgefährliche Mittelmeerroute im Jahr 2016 mit rund 181.000 Ankünften in Italien - vor allem aus Afrika - wieder massiv zugenommen. Aus Webers Sicht sollte ein Einsatz von Militärschiffen auf den Schmugglerrouten für  Abschreckung sorgen: „Man kann nicht tatenlos zusehen, wie die Schmuggler ihr tödliches Geschäft mit den Flüchtlingen betreiben. Da müssen wir härter werden.“

Keine Aufnahmepflicht

Als wichtig erachtete der EVP-Fraktionschef in diesem Zusammenhang ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach die EU-Staaten Flüchtlingen kein Visum für einen Asylantrag ausstellen müssen. Ob Zuflucht gewährt wird, könnten die Staaten selbst entscheiden. Eine Aufnahmepflicht bestehe nicht, entschied der EuGH.

Ärgernis Lastenverteilung

Ein Ärgernis bleibt laut Weber dagegen die Lastenverteilung innerhalb der EU. Man stelle sich vor: Die bayerischen Landkreise haben 2016 mehr Flüchtlinge aufgenommen als die gesamte tschechische Republik. „Hier kommen wir derzeit nicht voran. Die Osteuropäer werden sich erst dann bewegen, wenn die Außengrenze gesichert und dies verbunden wird mit Einschränkungen bei den Finanzzahlungen“, so die Einschätzung des Europaabgeordneten. Schließlich habe Solidarität in Europa mit gegenseitiger Hilfestellung zu tun.

Keine Rosinenpickerei für die Briten

Schweren Zeiten geht nach Webers Einschätzung Großbritannien nach dem Brexit entgegen. Spreche er mit britischen Politikern, so erklärten diese, z. B. bei der Forschungs- und Sicherheitsunion ebenso weiter im EU-Verbund mitmachen zu wollen wie in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Europa respektiere das Ergebnis des Referendums. Das könne aber nicht bedeuten, „dass sich die Briten die Rosinen heraus-picken und sich die schönen Sachen sichern, und von allem anderen nichts wissen wollen“, betonte der Fraktionsvorsitzende.

Doppelte Staatsbürgerschaft auf dem Prüfstand

Bedenklich ist für ihn auch die Entwicklung in der Türkei und damit verbunden die immer größer werdende Distanz zu Europa. Weber zufolge müssen jetzt die EU-Beitrittsgespräche eingefroren werden. „Partnerschaft und Handel ja, aber keine Vollmitgliedschaft“, laute das Credo. Angesichts der Ereignisse rund um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland müsse auch über die Doppelte Staatsbürgerschaft neu nachgedacht werden. „Denn Türken die auf Dauer hier leben, sollten sich zu Deutschland bekennen und nicht türkische Innenpolitik nach Europa holen.“

Europa muss mit einer Stimme sprechen

Weber rief zudem ins Bewusstsein, dass viele Nachbarn und frühere Partner ein Interesse haben, Europa klein zu machen. US-Präsident Donald Trump als purer „Businessman“ würde lieber mit 28 Einzelstaaten arbeiten als mit dem Staatenverbund und der Wirtschaftsmacht EU. Deswegen begrüße Trump auch den Brexit. Russlands Präsident Wladimir Putin wiederum führe in der Ostukraine und in Syrien Krieg, er wolle Einfluss in Libyen. Sein Wunsch sei ein schwaches Europa, damit Russland freie Bahn hat. Damit Europa in der globalisierten Welt weiterhin eine Rolle spielen kann, müsse es mit einer Stimme sprechen und seine Prinzipien verteidigen, urteilte der CSU-Politiker.

Mit Blick auf den Bundestags- bzw. bayerischen Landtagswahlkampf ist für Manfred Weber der Wille beider Unionsparteien entscheidend, unter der Führung von Angela Merkel weiter zu regieren. Zum gemeinsamen Auftritt gebe es keine Alternative; es gelte, die Erfolge miteinander darzustellen. „Angela Merkel ist eine erfolgreiche Kanzlerin, sie hat gezeigt, dass sie das Land im Kern gut steuern kann. Wir wollen, dass sie weitermacht, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Das kann im kommenden September ein echter Vorteil sein“, unterstrich Weber.

Europa wird im Wahlkampf eine Rolle spielen

In punkto SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz riet Weber dazu, „jetzt in den Angriffsmodus zu kommen und Klartext zu reden“. Schulz wolle die Türkei in der EU haben, er wolle Eurobonds einführen, trete also für die Vergemeinschaftung der Schulden ein. Europa werde im deutschen Wahlkampf eine größere Rolle spielen. Dies sei gut so, „weil es für uns Deutsche, aber auch für ganz Europa um Schicksalsfragen geht“.

Dabei sei es wichtig, dass die CSU ihre Schwerpunktthemen Steuersenkung und Familienförderung offensiv in den Vordergrund stellt, erklärte Weber. Kern-punkt der „größten Steuersenkung aller Zeiten“: Vor allem Geringverdiener und der Mittelstand sollen über eine Absenkung der Lohn- und Einkommensteuer entlastet werden.

Die Familien will die CSU beim Erwerb von Wohneigentum unterstützen. Für jedes Kind, das steuerlich berücksichtigt werden kann, soll jährlich eine Förderung von 1.200 Euro bezahlt werden. Zehn Jahre lang, nachdem die eigene Wohnung oder das eigene Haus bezogen wurde, soll diese Unterstützung abrufbar sein.

Erfolge positiv herausstellen

Nach Auffassung von KPV-Vorsitzendem Rößle verdienen die zahlreichen kommunalpolitischen Erfolge der CSU in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit in der Partei. Ob es sich nun um den beschlossenen Verteilmodus zur jährlichen Kom-munalentlastung des Bundes in Höhe von 5 Mrd. Euro und die Übernahme der Flüchtlingskosten, den Rekordfinanzausgleich 2017 in Bayern in Höhe von 8,8 Mrd. Euro oder um deutlich gestiegene Hochbaumittel handelt – „dies sind gigantische Erfolge, die wir besser verkaufen müssen“, monierte Rößle. Er forderte dazu auf, auch im Wahlkampf „die in Summe sehr kommunalfreundliche Politik der CSU “ positiv herauszustellen.

DK

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