Kommunalverbändezurück

(GZ-19-2023 - 12. Oktober)
gz deutscher landkreistag
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► Präsidium des Deutschen Landkreistags:

 

Vertrauen nicht verspielen

 

Der Zuzug von Geflüchteten sowie die beabsichtigten Reformen der Krankenhausstrukturen und des Rettungsdienstes standen im Mittelpunkt der jüngsten Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistags im Westerwaldkreis. Wie DLT-Präsident Reinhard Sager betonte, „können die Landkreise allein die reine Unterbringung Geflüchteter kaum mehr bewältigen. An Integration ist erst recht nicht mehr zu denken.“

In vielen Landkreisen würden Notunterkünfte wie Zelte und Turnhallen genutzt, sämtliche verfügbaren leerstehenden Heime oder Hotels seien angemietet worden, so der DLT-Präsident. „Das wird gesellschaftlich zu einem immer größeren Problem. Die Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern lässt sich nicht sichern, wenn die Bundesregierung nicht endlich konsequent die Zuwanderung deutlich begrenzt und besser ordnet.“

Weiterverteilung nur bei Bleibeperspektive

Wichtig sei darüber hinaus, dass die Bundesländer nur Menschen auf die Kommunen weiterverteilen, die eine Bleibeperspektive haben. Vor Ort wachse das Unverständnis, weil es nicht ausreichend Kapazitäten gibt. „Eine aussichtsreiche Integration mit Kita- und Schulplätzen, Sprachkursen, Weiterbildung, Qualifizierung und Aufnahme einer Erwerbsarbeit ist in einer derart prekären Gesamtsituation nicht möglich. Auf diese Weise türmen sich riesige Integrationsnotwendigkeiten auf, die nur schwerlich bewältigt werden können. Wir schaffen an dieser Stelle riesige Zukunftslasten.“

Europäischer Ansatz

Jetzt müsse es darum gehen, auf der EU-Ebene einen entscheidenden Schritt weiterzukommen, fuhr Sager fort: „Wir brauchen einen generellen europäischen Ansatz, um den Zuzug zu steuern. Deutschland darf deshalb nicht wie aktuell weiter auf der Bremse stehen, wir brauchen den Asylkompromiss. Dazu müssen sich das EU-Parlament, die europäischen Regierungen und die EU-Kommission rasch einigen.“

National müsse zudem ein wirksamer Grenzschutz gewährleistet werden. „Es ist richtig und lange überfällig, an den Grenzen zu Tschechien und Polen auch stationäre Kontrollen durchzuführen. Auch müssen wir die Personen zurückführen, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Dazu braucht es auch eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten einschließlich der Maghreb-Staaten und der Türkei.“

Rückführung

Vor diesem Hintergrund sei es zu begrüßen, dass die Bundesinnenministerin Vorschläge zur Verbesserung der Rückführung gemacht und dabei auch Änderungswünsche der Kreisausländerbehörden aufgegriffen habe. „Die Verlängerung der Höchstdauer des Ausreisegewahrsams, die verbesserten Möglichkeiten zur Durchsuchung und zur Auswertung von Datenträgern sowie die gesetzliche Vorgabe eines dringenden Ausweisungsinteresses bei Mitgliedern krimineller Clans können dazu beitragen, dass Ausreisepflichtige schneller abgeschoben werden können und der Aufenthalt von straffälligen Drittstaatsangehörigen einfacher beendet werden kann.“ Auch würden die angestrebten Verbesserungen zum Datenaustausch zur Entlastung der Ausländerbehörden beitragen, stellte der DLT-Chef fest.

Reformen mit Augenmaß

Der Deutsche Landkreistag sprach sich auch dafür aus, die beabsichtigten Reformen der Krankenhausstrukturen und des Rettungsdienstes mit Augenmaß zu betreiben. Reinhard Sager zufolge „lehnen wir die geplante Krankenhausstrukturreform in ihrer derzeitigen Form ab. Auch wenn eine Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland geboten ist, so ist zunächst bei der Überversorgung in Ballungsräumen anzusetzen. Für den notwendigen Anpassungsprozess vor allem in ländlichen Räumen braucht es geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen, die vor allem auf die Erreichbarkeit für die Bevölkerung achten. Daran fehlt es derzeit.“ Darüber hinaus dürfe es nicht zu einer Zentralisierung der Kompetenzen im Rettungsdienst kommen.

Der Bund muss handeln

Bei der Finanzierung der Krankenhäuser sei dringendes Handeln des Bundes geboten: „Die hohe Inflation und die Personalkostensteigerungen werden nicht im Geringsten gedeckt. Die Schließung von Standorten darf von der Bundespolitik nicht hingenommen werden. Darauf haben die Krankenhäuser vollkommen zu Recht in der vergangenen Woche auf ihrem bundesweiten Protesttag aufmerksam gemacht.“

Mit Blick auf die Versorgungsstrukturen wies der Präsident darauf hin, „dass wir in den ländlichen Räumen mit Gesundheitsdienstleistungen ohnehin schlechter aufgestellt sind als in den Großstädten. Daher sollten Reformansätze sehr behutsam sein und müssen die Bedürfnisse der dort lebenden Menschen berücksichtigen.“

Steigende Kosten des Rettungsdienstes

Dies gelte auch für die Regierungskommission, die die kleinteiligen Strukturen des Rettungsdienstes kritisiert und implizit für einen Teil der Probleme verantwortlich gemacht hat: „Dass die Kosten des Rettungsdienstes in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind, liegt am geänderten Verhalten der Menschen, der Alterung und an der gesunkenen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Die Strukturen des Rettungsdienstes haben damit nichts zu tun.“ Man dürfe deshalb kein Porzellan zerschlagen, indem man an der falschen Stelle ansetze, erklärte Sager.

Scharfe Kritik an Kindergrundsicherung

Auf scharfe Kritik stößt beim Deutschen Landkreistag auch der Beschluss des Bundeskabinetts zur Kindergrundsicherung, führe dieser doch zu einer Überforderung der Familien, zu neuer Bürokratie und zu Doppelstrukturen. Zudem würden die Möglichkeiten einer Verwaltungsdigitalisierung in derart kurzer Zeit massiv überschätzt. Wie Sager darlegte, „macht uns das Vorhaben ratlos“. Es führe zu einem vollkommen übereilten und chaotischen Bürokratieaufbau. „Wir setzen daher auf den Bundesrat und unterstützen die Länder dabei, diesem Vorhaben so nicht zuzustimmen.“

Die Reform sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar, weise Widersprüche auf und sei unausgegoren: „Vor allem konfrontiert sie die betroffenen Familien mit mehr Bürokratie als bislang. Das liegt daran, dass ohne Not versucht wird, das bewährte System der Jobcenter zu umgehen und Teile von deren Leistungen über die Familienkassen auszuzahlen. Zugleich aber bleiben die Jobcenter parallel zuständig. Das wird ein Verwaltungs-Desaster.“

Auch seien die Strukturen der Familienkassen mit ihren lediglich gut 100 Standorten nicht in der Lage, die Familien flächendeckend zu beraten und zu unterstützen. Demgegenüber verfügten die Jobcenter über weit mehr als 1.000 Standorte, seien also näher an den Menschen als es die Familienkassen je sein können. „Auch nicht, wenn 300 weitere Standorte aufgebaut werden, wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Hunderte Millionen Euro für mehr Bürokratie passen ebenso wenig zu den Ankündigungen des Bundeskanzlers zum Deutschland-Pakt. Dort heißt es, der Bund wolle Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau.“

Neues Bürokratiemonster

Zudem glaubt Sager nicht daran, dass es gelingt, eine solche neue Leistung in der kurzen verbleibenden Zeit automatisiert und digital an den Start zu bringen. „Das ist unrealistisch, weil die Kindergrundsicherung ein Maximum an Datenabrufen und Austauschen zwischen verschiedenen Behörden erfordert und dabei einen sehr hohen Grad an Komplexität aufweist. Ich fürchte, mit der Kindergrundsicherung wird etwas versprochen, das nicht zu halten ist: Die Betroffenen sind über die geringen Leistungssteigerungen enttäuscht, wir über neue Doppelstrukturen und den Aufwuchs von Bürokratie. So schafft es die Kindergrundsicherung, es niemandem Recht zu machen, gerade nicht den Kindern“, unterstrich der DLT-Präsident abschließend.

DK

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