Kommunalverbändezurück

(GZ-13-2023 - 6. Juli)
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► DStGB-Hauptausschuss in Berlin:

 

Zeitenwende nur mit starken Städten und Gemeinden

 

Einen Neustart in der Migrationspolitik hat der DStGB-Hauptausschuss im Rahmen seiner zweitägigen Sitzung in Berlin unter dem Motto „Zeitenwende nur mit starken Städten und Gemeinden“ gefordert. Zumindest personell wurde die Zeitenwende bereits eingeläutet: Dr. André Berghegger wurde zum neuen Hauptgeschäftsführer des DStGB gewählt. Der 51-jährige Jurist, seit 2021 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wird zum 1. Januar 2024 Nachfolger von Dr. Gerd Landsberg, der Ende 2023 in den Ruhestand geht.

„So wie es jetzt läuft, darf und kann es nicht weitergehen“, betonten Verbandspräsident, Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl (Abensberg), und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg. Nach deren Auffassung sind die Städte und Gemeinden bei der Unterbringung, der Versorgung und der Integration längst an ihrer Leistungsgrenze angelangt. „Wir wollen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern helfen, aber die Kapazitätsgrenzen sind nun einmal beschränkt. Darauf muss die Politik endlich eine dauerhafte und nachhaltige Antwort finden.“

Wirksame Begrenzung und faire Verteilung

Im Einzelnen fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund eine wirksame Begrenzung des Zustroms und eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Deutschlands, aber auch innerhalb der EU. Notwendig sei zudem ein wirksamer Schutz der Außengrenzen der EU, mit der Möglichkeit, schon dort Asylverfahren für Personen durchzuführen, die voraussichtlich keine Bleibeperspektive haben. Auch die Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen sei ein notwendiger Schritt.

Konsequente Abschiebung

Um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu gefährden, sei die konsequente Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen von großer Bedeutung. „Vielfach reichen die Vorlaufzeiten in den Kommunen nicht aus, um die Aufnahme neu ankommender Menschen gut zu organisieren“, stellten die Verbandsvertreter fest. „Wir brauchen daher ein Frühwarnsystem bzw. ein Lagezentrum, das über ankommende Personen informiert. Notwendig ist außerdem eine deutliche Ausweitung der Erstaufnahmeeinrichtungen von Bund und Ländern, so dass nur Personen mit Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden.“

Dauerhafte Finanzierung durch Bund und Länder

Von Bund und Ländern erwarten die Kommunen die dauerhafte Finanzierung von Unterbringung, Versorgung und Integration der nach Deutschland gekommenen Menschen. Dies müsse auch für die zusätzlichen Kita- und Schulplätze gelten. „Insgesamt geht das Finanzierungsbingo zwischen Bund und Ländern zu Lasten der Kommunen. Das muss ein Ende haben“, kritisierten Brandl und Landsberg. „Nicht zuletzt deswegen fordern wir eine neue ‚Gemeinschaftsaufgabe Integration’ im Grundgesetz, in der die Finanzierung von Unterbringung, Versorgung und Integration zwischen Bund und Ländern verbindlich geregelt wird. Damit würde auch rechtlich eindeutig festgelegt, dass Bund und Länder diese Aufgabe gemeinsam finanzieren müssen.“

Darüber hinaus schlägt der DStGB ein Migrationsgesetzbuch vor, das alle bestehenden Regelungen in einem Gesetz zusammenführt und harmonisiert.

Dieses Gesetz sollte unter anderem Regelungen zur Zuständigkeit des Bundes für Abschiebung und Rückführung sowie eine eindeutige Festschreibung des Grundsatzes „Fördern und Fordern“ für Integrationsmaßnahmen enthalten. Notwendig sind aus Sicht des Verbands klare Zuständigkeitsregelungen bei den Integrationsmaßnahmen, Regelungen zum Datenaustausch und Zugriff auf alle notwendigen Register durch die beteiligten Behörden.

Schließlich brauche es auch die Möglichkeit, Abweichungen von Standards, etwa Gruppen- und Klassengrößen in Kita und Schule, vorzusehen, um den notwendigen Zugang zu Einrichtungen zu Integrationszwecken zu ermöglichen.

Neustart in der Migrationspolitik

„Das Migrationsgesetzbuch muss von vorneherein so aufgestellt werden, dass die Verfahren digital schnell und unbürokratisch abgewickelt werden können. Wir brauchen einen wirklichen Neustart in der Migrationspolitik, ohne die derzeit noch bestehenden bürokratischen Hürden und Verzögerungen. Die Kommunen erwarten von Bund und Ländern, dass dieser notwendige Neustart schnell eingeleitet wird“, hob die DStGB-Spitze hervor.

„Zeitenwende – Partnerschaft zwischen Bundeswehr und Kommunen weiter stärken“, „Zukunftsaufgabe Ganztagsbetreuung“, und „ChatGPT und Co. – KI in Kommunen und der öffentlichen Verwaltung“ lauteten die Vortragsthemen ausgewiesener Experten. Mit der Frage, vor welchen Herausforderungen der Standort Deutschland steht, befasste sich DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Wansleben.

Nach seinen Ausführungen blickt die deutsche Wirtschaft wieder etwas positiver in die Zukunft als zuletzt. Dies liege vor allem daran, dass sich die Energiepreise stabilisiert hätten. Zudem nähmen Lieferengpässe ab. Grund für einen überschwänglichen Optimismus gebe es jedoch nicht. Die Betriebe sähen sich weiterhin immensen Herausforderung gegenüber, die letztlich noch nicht gelöst sind: ein weiterhin hohes Niveau bei Energiepreisen, steigende Zinsen infolge der Inflation, eine gebremste weltweite Nachfrage, Fachkräftemangel, lange Planungsverfahren – und der Krieg in der Ukraine sowie darüberhinausgehende geopolitische Spannungen.

Der Gestaltungswille sei da, aber es fehle vor allem der Schwung bei den Investitionen, bewertete der Hauptgeschäftsführer die Ergebnisse einer Sonderauswertung der Konjunkturumfrage Frühsommer 2023 unter bundesweit rund 21.000 Betrieben. „Weiterhin will nur etwas mehr als jedes vierte Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten seine Investitionen ausweiten.“

Wichtig sei jetzt, dass die für die Energieversorgung und die Klimapolitik relevanten Gesetze zu zusätzlichen Investitionen und zu schnelleren Verfahren führten, mahnte Wansleben. Sie dürften die Wirtschaft nicht durch zu hohe Kostenbelastung und durch zu bürokratische Regelungen abwürgen. Dies gelte für das Energiethema selbst, aber auch für vieles andere, was die Politik in Berlin und Brüssel den Unternehmen auferlege – etwa die sogenannten Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetze.

Über die „Lesekompetenz als Schlüsselqualifikation für den Standort Deutschland“ sprach Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. Nach seinen Worten haben Kinder und Jugendliche nur mit ausreichender Lesekompetenz Chancen auf einen Schulabschluss und beruflichen Erfolg. Der Nationale Bildungsbericht zeige auf, dass noch immer jedes vierte Grundschulkind in Deutschland die Grundschule verlässt, ohne ausreichend lesen zu können. Ein Defizit, dass sich später kaum noch aufholen lässt und mit gravierenden, nachteiligen Folgen für die betroffenen Kinder und jungen Erwachsenen einhergeht.

Leseförderung sei deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, stellte Maas fest. Mit dem Nationalen Lesepakt als starke Allianz werde die Leseförderungslandschaft hierzulande verändert. Ziel ist es, dass alle Kinder lesen können, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Neben einer gestärkten institutionellen Leseförderung müsse auch die Bedeutung des (Vor-)Lesens in den Familien, der Gesellschaft und der Politik von frühester Kindheit an nachhaltig etabliert werden. Der nächste Schritt sei die Entwicklung eines Nationalen Leseplans. Damit werde die programmatische Basis dafür geschaffen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche in Deutschland lesen kann.

Dass Zeitenwende auch Energiewende ist, darauf verwies Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Aus seiner Sicht sind die Kommunen jetzt zunehmend Umsetzungsakteure der von der Ampelregierung beschlossenen Gesetze.

Habeck hofft auf Einverständnis der Bürger

„Die Transformation einer Gesellschaft bedeutet, dass die Menschen in die Verantwortung gehen“, erklärte Habeck. So seien Kommunen u.a. wesentliche Akteure bei der Frage, „wie Mobilität sich in Zukunft umsetzt“. Dabei denke er an Verteilnetze, an Ladeinfrastruktur und die Vergütung für den Ausbau der Verteilnetze. Ähnlich verhalte es sich beim Stromthema. Der Ausbau erneuerbarer Energien bedürfe der Planung in den kommunalen Räumen. Ohne das Einverständnis der Bürger werde dies freilich nicht gelingen, machte Habeck deutlich. „Die vielen Gesetze, die wir aufs Gleis gestellt haben, sehen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und Kommunen vor. Mein Appell: Nutzen Sie diese Möglichkeiten!“

DK

 

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