Kommunalverbändezurück

(GZ-5-2023)
gz bayerischer gemeindetag
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► Positionspapier des Bayerischen Gemeindetags:

 

Stellschrauben der Energiewende

 

Der ländliche Raum rückt immer mehr in den Fokus der Energiewende. Mindestens 130.000 Hektar sollen bis 2032 für Windvorranggebiete ausgewiesen sein. Bis 2030 soll sich die Erzeugungsleistung der Photovoltaikanlagen von derzeit 16,2 GW auf ca. 50 GW erhöhen, was mehr als 35.000 Hektar zusätzlich überbaute Fläche im Fall von Freiflächenanlagen bedeuten würde. Hinzu kommt der Netzausbau, der auf Verteil- wie auf Übertragungsnetzebene erheblich gesteigert werden muss. Aufgrund dieser Herausforderungen hat der Bayerische Gemeindetag ein Positions- und Forderungspapier verabschiedet, das die Stellschrauben der Energiewende aus der Perspektive des ländlichen Raums beleuchtet. Verbandspräsident Dr. Uwe Brandl und Direktor Stefan Graf stellten die Maßnahmen bei einer Pressekonferenz in Markt Schwaben vor.

V.l.: Bürgermeister Michael Stolze, Kreisverbandsvorsitzender Christian Bauer, Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl, Direktor Stefan Graf. Bild: DK
V.l.: Bürgermeister Michael Stolze, Kreisverbandsvorsitzender Christian Bauer, Gemeindetagspräsident Dr. Uwe Brandl, Direktor Stefan Graf. Bild: DK

„Eine gelungene Transformation der Energieversorgung ist ein wesentlicher Baustein einer nachhaltigen Entwicklung auch der ländlichen Räume und damit Basis für Wohlstand und Zukunftschancen“, betonte Gemeindetagschef Brandl. Die Taktung der damit verbundenen Anstrengungen sei enorm.

Treibhausneutral bis 2035

Bis 2035 soll der komplette Stromsektor in Deutschland treibhausneutral gestellt werden. Aufgrund des prognostizierten steigenden Strombedarfs bedeute dies eine Verdreifachung der durch erneuerbare Energien zu erzeugenden Strommenge. Nach Berechnungen der Energiebranche müsse dafür wöchentlich bis 2040 in Bayern Folgendes passieren:

  • Installation von PV-Anlagen auf 160 Fußballfeldern Freifläche und auf ca. 1.000 Wohngebäuden.
  • 2 neue 5 MW Windkraftanlagen werden in Betrieb genommen.
  • 2.300 fossile Heizanlagen werden durch regenerative Anlagen ersetzt (plus notwendiger Wärmenetzausbau).
  • 1.250 Wohngebäude werden energetisch saniert.
  • 3 Großbatteriespeicher (jeweils ca. 2 Schiffscontainer) mit einer Kapazität von insgesamt 15 MWh werden installiert.
  • 8.600 PKW mit fossilen Antrieben werden durch alternative Antriebe ersetzt.
  • 3 neue Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt 5 MW werden installiert (ca. 5 Container).
  • 1 Umspannwerk wird errichtet.

Problematische Ausbauziele

„Realistisch gesehen sind die ehrgeizigen Ausbauziele, insbesondere das Verdreifachungsziel bei der Photovoltaik, bis zum Jahr 2030 kaum erreichbar“, stellte Brandl fest. „Das neue Deutschlandtempo müsste dafür auch für den Verteilnetzausbau und die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen und Speichern greifen.“ Jedenfalls sind die Gemeinden grundsätzlich bereit, den immensen Flächenbedarf bereitzustellen, um genügend Strom zu produzieren. „Allerdings brauchen wir gravierende Verbesserungen bei der Wertschöpfung vor Ort“, unterstrich der Präsident. „Bis heute haben die Gemeinden keinen Anspruch darauf, dass sie oder ihre Bürger an den Erträgen beteiligt werden.“

Als Garant für die Akzeptanz der erforderlichen Veränderungen in den ländlichen Räumen sieht der Bayerische Gemeindetag den Dreiklang aus Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe, der sich nach Expertenanhörungen in insgesamt 25 beschlossenen Forderungen der gemeindlichen Vertreter aller bayerischen Bezirke widerspiegelt. Brandl und Graf griffen folgende zentrale Forderungen an Land und Bund auf:

1. Der Freistaat muss auf Grundlage des zukünftigen Strombedarfs kurz-, mittel- und langfristige bayernweite Ausbauziele für die erneuerbaren Energien, Speicher und Elektrolyseure benennen und diese mit dem dafür erforderlichen Netzausbau effizient verschränken. Der notwendige Netzausbau braucht schnelle Genehmigungsverfahren wie etwa bereits bei den Flüssiggasterminals praktiziert (Legal Genehmigung). Den Gemeinden ist über landkreisweite Energienutzungspläne nach einheitlicher Methodik zu ermöglichen, eigenverantwortlich für ihr Gebiet diese Ziele zu realisieren und insbesondere den PV-Freiflächenanlagen angemessen Raum zu geben.

2. In aller Regel besonders geeigneten, wenig konfliktträchtigen Bereichen sollen die Gemeinden hinsichtlich PV-Freiflächenanlagen von den bislang erforderlichen Bauleitplanverfahren entlastet und die Verfahren durch eine Zustimmungsentscheidung mit planerischen Erwägungen ersetzt werden. Eine faktische Abgabe der kommunalen Steuerungshoheit wie zukünftig bei den Windenergieanlagen muss unbedingt verhindert werden.

3. Für Photovoltaik- und Windkraftanlagen muss aufgrund ihrer Bedeutung für den Klimaschutz auf naturschutzrechtliche Ausgleichspflichten verzichtet werden. Nach dem Vorbild der Windenergieanlagen sollen zukünftig auch Photovoltaikanlagen in Landschaftsschutzgebieten grundsätzlich möglich sein.

4. Um den Flächenbedarf so weit wie möglich zu begrenzen, muss der Anteil der PV-Anlagen auf Dächern und bebauten Flächen im Vergleich zu Freiflächenanlagen so hoch wie möglich gehalten werden. Hierzu sind geeignete Förderkulissen und neue regulatorische Anreize notwendig, um regenerativ erzeugten Strom günstig im Quartier zu verbrauchen. Die Nutzung von Flächen durch Maisanbau für Biogasanlagen ist wegen der schlechten Flächeneffizienz zu reduzieren.

5. Die Gemeinden sind an den Erträgen von erneuerbaren Energien-Anlagen („Konzessionsabgaben“) auf ihrem Gebiet zukünftig per Gesetz statt durch freiwilligen Vertrag und in attraktiver Höhe zu beteiligen.

6. Den Gemeinden muss das Engagement in der Energieerzeugung gemeinsam mit erfahrenen Partnern deutlich erleichtert werden. Dafür sind zum einen gesetzliche Beteiligungsrechte ein Instrument. Zum anderem sollen Kooperationen mit Energieversorgungsunternehmen einfacher realisiert werden können.

7. Die Gemeinden müssen berechtigt sein, zur Unterstützung eigener energiewirtschaftlicher Tätigkeiten Fördergelder vom Staat zu erhalten.

8. Auf Landkreisebene dürfen nicht unter dem Deckmantel der Energiewende umlagefinanziert Konkurrenzunternehmen zu Stadt- und Kommunalwerken entstehen.

9. Der Bezug von Strom aus Anlagen, bei denen Energieerzeuger und Verbraucher nicht personenidentisch sind, muss wirtschaftlich rentabel ermöglicht werden. Dazu sind insbesondere Änderungen im Energie- und im Steuerrecht vonnöten.

10. Die Rolle der Gemeinden bei der Gewährleistung der örtlichen E-Ladesäuleninfrastruktur muss sich auf eine Koordinationsfunktion beschränken. Insbesondere darf sie für die Gemeinden keine dauerhaften Personal- und Kostenbelastungen mit sich bringen.

Was „Wertschöpfung vor Ort“ konkret bedeutet, wurde in Markt Schwaben bei einer Besichtigung der kommunal und mit Bürgerbeteiligung errichteten größten Solaranlage des Landkreises Ebersberg deutlich. Geschäftsführer Markus Henle zufolge liefert die 1,5 Hektar große und von den Eberwerken betriebene Freiflächenanlage 1,5 Megawatt Strom pro Jahr, womit 500 der gut 6.500 Haushalte Markt Schwabens im Jahr mit Strom versorgt werden. Um dies für alle Haushalte zu gewährleisten, würde laut Bürgermeister Michael Stolze ein Vielfaches der jetzt installierten Leistung benötigt. Deshalb sein Wunsch: Photovoltaik auf Dächern, kommunalen Liegenschaften und unbürokratische Genehmigungsverfahren für Solarparks.

DK

 

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