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(GZ-18-2016)
Kommunalverbände
► Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags:
 
CETA und Integration
 
Das Freihandelsabkommen CETA und die Integrationshilfen des Bundes standen auf der Agenda einer Präsidiumssitzung des Deutschen Städtetags in Bremen. Dabei forderten die deutschen Städte Bund und EU unter anderem auf, beim Freihandelsabkommen CETA sicherzustellen, dass die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in kommunaler Verantwortung geschützt wird.

Grundsätzlich unterstützen die Städte die Ziele von Freihandelsabkommen, Handelshemmnisse abzubauen, Investitionsbedingungen für Unternehmen zu verbessern sowie mittels vereinbarter Standards Auswirkungen der Globalisierung fairer zu gestalten.

Daseinsvorsorge

Wie der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly erläuterte, „begrüßen die Städte grundsätzlich, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Staaten ausgebaut werden soll. Denn dies kann auch die wirtschaftliche Stärke Deutschlands unterstützen. Der Deutsche Städtetag setzt sich allerdings seit langem dafür ein, dass die kommunale Daseinsvorsorge in Freihandelsabkommen explizit ausgenommen wird – darunter insbesondere die nicht liberalisierten Bereiche, wie die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die Bereiche Abfall und ÖPNV, soziale Dienstleistungen sowie alle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Kulturbereich. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen darauf, dass diese öffentlichen Dienstleistungen durch demokratisch legitimierte kommunale Vertretungskörperschaften gesteuert und kontrolliert werden. Das ist beim Handelsabkommen CETA derzeit noch nicht vollständig gesichert.“

Im Freihandelsabkommen CETA wird auf die von den Kommunen favorisierte Positivliste verzichtet. Durch eine Positivliste würden alle Aufgabenbereiche explizit benannt, die unter das Handelsabkommen fallen. Die öffentliche Daseinsvorsorge könnte damit komplett in einfacher Weise ausgenommen werden.

Negativliste

Dagegen wird bei CETA eine Negativliste verwendet, es werden also Bereiche benannt, auf die das Abkommen nicht zutreffen soll. Genannt werden hier „public utilities“, was in der deutschen Sprachfassung mit „Öffentliche Versorgungsleistungen“ übersetzt wird. Damit wird ein Begriff gewählt, der weder im deutschen Vergabe- noch im Beihilferecht verwendet wird und somit Interpretationen zum Anwendungsbereich zulässt. Dies gilt auch für neue Dienstleistungen, egal ob digital oder analog erbracht.

Schutzklauseln

Daher reiche der allgemeine Schutzvorbehalt für öffentliche Versorgungsleistungen in Annex II des Abkommens nicht aus, betonte Maly: „Die Städte fordern, dass Schutzklauseln für die Daseinsvorsorge in einer Negativliste rechtlich eindeutig gefasst sein müssen, um als Ausnahme von den Liberalisierungsverpflichtungen zu gelten. Das müssen die Vertragsparteien noch verbindlich vereinbaren. Wir wollen das Risiko für ungewollte Privatisierung durch die Hintertür ausschließen sowie die Option der Kommunen für die Rekommunalisierung von öffentlichen Dienstleistungen umfassend absichern.“

Beschaffungswesen

Erfreulich seien die vorgesehenen Regelungen zum öffentlichen Beschaffungswesen. Zum einen würde der kanadische Beschaffungsmarkt auch für deutsche, gerade mittelständische Unternehmen geöffnet. Zum anderen wird an den Festlegungen des europäischen und nationalen Vergaberechts nicht gerüttelt, die Regelungen zur Inhouse-Vergabe und zur interkommunalen Zusammenarbeit werden also nicht in Frage gestellt.

Investitionsschutz

Der Deutsche Städtetag erkennt an, dass beim Thema Investitionsschutz durch die bisherigen Verhandlungen deutliche Verbesserungen erreicht wurden. Inzwischen ist vorgesehen, ein Investitionsgericht einzusetzen, das mit unabhängigen und qualifizierten Schiedsrichtern besetzt werden soll und eine Berufungsmöglichkeit bietet. Zudem sind die Möglichkeiten limitiert, sich an das Investitionsgericht zu wenden. Dennoch sollten nach Auffassung der Städte die Bundesregierung, der Bundestag und das europäische Parlament im weiteren Ratifizierungsprozess prüfen, ob die Unabhängigkeit der Richter tatsächlich sichergestellt ist. Darüber hinaus müsse klargestellt werden, dass die im Abkommen vereinbarten Diskriminierungstatbestände, die zur Klage von Investoren führen könnten, nicht für öffentliche Dienstleistungen gelten.

Positiv bewerten die Städte, dass sich das Abkommen ausdrücklich für eine nachhaltige Entwicklung und die jeweils gültigen Schutzstandards ausspricht. Damit werden die national und europäisch geltenden Schutzstandards insbesondere für den Umweltbereich durch CETA nicht in Frage gestellt. Wichtig sei allerdings, dass dieser Schutz auch für untergesetzliche Standardsetzungen, beispielsweise durch die Kommunen und die technischen Regelwerke, vollumfassend gilt.

„Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass das geplante Freihandelsabkommen CETA auch durch die nationalen Parlamente und damit vom Deutschen Bundestag beraten werden muss. Das sieht der Deutsche Städtetag genauso. Deshalb darf der Bund gegenüber der EU auf keinen Fall einer vorläufigen Anwendung von CETA in Bezug auf die Regelungen für die öffentliche Daseinsvorsorge und zum Investorenschutz zustimmen. Denn diese fallen in nationale Zuständigkeiten“, unterstrich der Vizepräsident abschließend.

Ferner fordert der Deutsche Städtetag die Länder auf, einen angemessenen Teil der Bundesmittel für die Integration möglichst schnell an die Kommunen weiterzugeben. Das sei nach der Einigung zwischen Bund und Ländern über die Integrationskosten im Sommer nun der nächste wichtige Schritt. Denn nach der Erstaufnahme von Flüchtlingen habe sich der Schwerpunkt in den Städten auf die Integration der Menschen mit Bleibeperspektive verlagert.

Integrationspauschalen

Laut der Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse (Ludwigshafen) stellen sich die Städte der Integrationsaufgabe und bringen ebenso ihr Engagement wie ihre jahrzehntelange integrationspolitische Erfahrung ein. Wie schnell und gut Integration gelingt, hänge jedoch auch davon ab, ob genügend Geld dort ankommt, wo die Integrationsarbeit stattfindet – in den Städten. „Deshalb appellieren wir an die Länder, ihren Kommunen zügig einen angemessenen Teil der zwei Milliarden Euro weiterzugeben, die der Bund den Ländern als Integrationspauschale jeweils in den Jahren 2016, 2017 und 2018 bereitstellt. Die Integration ist eine große Herausforderung und führt in den Städten zu Mehrausgaben, beispielsweise durch den Ausbau von Kinderbetreuung und Schulen oder den Wohnungsbau. Mehrkosten entstehen nicht zuletzt wegen des Bedarfs an Dolmetschern und Sozialpädagogen in den Schulen.“

Begrüßt wird vom Deutschen Städtetag die vom Bund mit dem Integrationsgesetz neu geschaffene Möglichkeit der Wohnsitzauflage. Die auf drei Jahre befristete Verpflichtung, den Wohnsitz im Bundesland der Erstzuweisung für das Asylverfahren zu nehmen und die Möglichkeit für die Länder, landesinterne Verteilregelungen zu erlassen, halten die Städte für notwendig, um die Integrationsleistungen für anerkannte Flüchtlinge, Asylberechtigte und vorübergehend Schutzberechtigte, die für ihren Lebensunterhalt auf Sozialleistungen angewiesen sind, besser zu steuern und die Integrationsaufgaben gleichmäßiger auf Städte und ländliche Gebiete zu verteilen.

Wie die Verbandspräsidentin hervorhob, „wollen wir auf der einen Seite die Integration der Menschen in die Stadtgesellschaft fördern. Auf der anderen Seite dürfen wir Städte und Ballungsräume mit der Integrationsaufgabe nicht überfordern. Deshalb ist es gut, dass die Wohnsitzauflage im Integrationsgesetz enthalten ist und Städten hilft, soziale Brennpunkte zu vermeiden. Allerdings setzen bisher nicht alle Länder, in denen Städte besonders belastet sind, dieses Instrument durch eigene Regelungen um.“

Wo Städte besonders viele Integrationsaufgaben zu schultern haben, sollten die Länder von der Möglichkeit Gebrauch machen, Menschen einen Wohnsitz zuzuweisen bzw. bestimmte Städte auszunehmen, wenn dies zur verbesserten Integration erforderlich ist. Länderspezifische Regelungen könnten zum Beispiel die Situation am örtlichen Arbeits- und Wohnungsmarkt berücksichtigen. Denn nicht nur in Städten, sondern auch in ländlichen Gebieten gebe es Arbeitsplätze und Integrationschancen.

Härtefallregeln

Der Deutsche Städtetag hält außerdem Ausführungsbestimmungen der Länder für erforderlich, damit die kommunalen Ausländerbehörden besser entscheiden können, wie Ausnahme- und Härtefallregeln für Flüchtlinge und Asylberechtigte angewandt werden, die nach dem 1. Januar 2016 ihren Wohnsitz außerhalb des Bundeslandes genommen haben, in dem ihr Aufnahmeverfahren stattgefunden hat. Die Städte begrüßen, dass Bund und Länder hierzu Grundsätze entwickeln, um zu einem einheitlichen Vorgehen der Behörden beizutragen. Sollte die Anwendung der Ausnahme- und Härtefallregelungen dazu führen, dass eine Vielzahl von anerkannten Flüchtlingen entgegen der Erstzuweisung an einem Wohnort ihrer Wahl bleiben, müssten die zusätzlichen Belastungen der Städte ausgeglichen werden. Dazu sollten Städte, die bereits mehr Flüchtlinge aufgenommen haben, in Zukunft eine geringere Zahl zugewiesen bekommen, so der Städtetag.

DK

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