Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2019)
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► DStGB-Bundespressekonferenz:

 

Perspektiven für die Gesellschaft

 

Deutschland braucht dringend einen Modernisierungsschub mit mehr Investitionen in die Infrastruktur und einer schnelleren Digitalisierung. Sonst verspielen wir unseren Wohlstand und die Zukunft des Landes“, unterstrichen der Präsident des Deutsche Städte- und Gemeindebunds, Erster Bürgermeister Dr. Uwe Brandl und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg in Berlin. Mehr Anstrengungen seien erforderlich, um die sich abzeichnende Spaltung der Gesellschaft zu überwinden.

„Die Marke ‚Made in Germany‘ ist in Gefahr. Das wird mehr als deutlich, wenn der Bau eines Flughafens sich jahrzehntelang verzögert, die Brücken und Straßen bröckeln, die Schulen eher analogen Baracken als digitalen Kathedralen der Bildung ähneln“, monierten Brandl und Landsberg. Deutschland lebe derzeit von der Substanz.

Sehr positive Wirtschaftslage

Dies sei vor dem Hintergrund der immer noch sehr positiven Wirtschaftslage und hoher Steuereinnahmen besonders besorgniserregend. „Gerade Städte und Gemeinden können nicht in dem Umfang investieren, der notwendig ist. Der kommunale Investitionsrückstand hat im vergangenen Jahr einen traurigen Rekord von 159 Milliarden Euro erreicht.“

Gründe dafür sind einerseits die vielerorts immer noch angespannte Finanzlage, andererseits aber auch die zu hohen administrativen und bürokratischen Hürden. „Wir müssen schneller, besser und unbürokratischer werden. Investitionen in die kommunale Infrastruktur werden durch überbordende Standards und Regelungen verteuert, verlangsamt und mitunter ganz verhindert“, kritisierten die Verbandsvertreter. „Gesetzgeberische Vorgaben, Vergabebestimmungen, Beihilferecht und Standards werden zum Flaschenhals der öffentlichen Investitionsfähigkeit.“

Immer neue und höhere Standards

Deutlich wird dies insbesondere beim Wohnungsbau, der durch immer neue und höhere Standards teurer und komplizierter werde. „Die Zahl der Bauvorschriften hat sich in den letzten Jahren vervierfacht. Das zeigt, dass wir bereit sein müssen neue Wege zu gehen, um die Verfahren wieder zu vereinfachen und mehr Wohnraum zu schaffen“, hoben Brandl und Landsberg hervor.

Verfahren vereinfachen

Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Schaffung von Wohnraum müssten vereinfacht und beschleunigt werden. Auch seien weitere Flexibilisierungen, etwa beim Schallschutz oder den Stellplatzvorschriften erforderlich. Die vom Bund mit den Ländern erarbeitete Musterbauordnung müsse mit dem Ziel einer stärkeren Vereinheitlichung, etwa im Bereich des Brandschutzes, der aktuell 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen eine größere Gesamtverbindlichkeit erhalten. Zudem müssen aus Sicht des DStGB die Digitalisierung der Planungs- und Bauprozesse vorangetrieben und Standards vereinheitlicht werden.

Die über 700 kommunalen Wohnungsunternehmen mit ihren rund 1,6 Millionen Wohnungen seien schon aufgrund ihres Satzungszwecks verpflichtet, „preiswerten Wohnraum für breite Kreise der Bevölkerung zu schaffen“. Kommunale Unternehmen spielten zudem eine besondere Rolle für eine integrierte und nachhaltige Stadtentwicklung. Sie müssten daher, ebenso wie das genossenschaftliche Wohnen mit seinem Solidaransatz, von Bund und Ländern gezielt gefördert werden. Hierzu gehöre es, dass auch der Erwerb von Anteilen in Baugenossenschaften in die Förderung durch das Baukindergeld einbezogen wird.

Im Jahr 2017 wurden nur 284.000 Wohnungen gebaut, nötig sind mindestens 350 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr. „Das Gebot heißt daher: Bauen, bauen, bauen“, machten Brandl und Landsberg deutlich.

Digitalisierung schafft Abhilfe

Teilweise Abhilfe schaffen kann laut DStGB die Digitalisierung der Verfahren. „Digitale Lösungen können in nahezu allen Bereichen dazu beitragen, die Verfahren zu beschleunigen und zu verbessern. Gerade für die ländlichen Räume bedeutet dies eine große Chance. Stärken wir diese Regionen, dann reduzieren wir den momentanen Zuzugsdruck auf die Ballungsräume“, erläuterten die Verbandsvertreter. Dies könne zur Entspannung auf dem Wohnungsmarkt und zur Verkehrsentlastung in den Städten führen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund setzt sich vor diesem Hintergrund für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums „Digitale Städte und Regionen“ ein. Durch dieses Instrument können die digitalen Kompetenzen in die Fläche gebracht sowie der Erfahrungsaustausch und die interkommunale Zusammenarbeit gestärkt werden.

Gleichzeitig fordert der kommunale Spitzenverband, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, um die sich abzeichnende Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. Dazu gehöre ein beherztes Eintreten für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland.

„Obwohl die Steuerquellen sprudeln und vieles unternommen wird, fühlen sich die Menschen in Deutschland in manchen Gegenden abgehängt. Wo der Bus nur einmal am Tag fährt, die Ärzte sich zurückziehen, die Schulen in schlechtem Zustand und die Arbeitsplätze sehr weit entfernt sind, ist dies nachvollziehbar. Wer hier gegensteuern will, muss die einseitige Konzentration auf die Metropolen beenden und Ausgewogenheit schaffen“, forderten Brandl und Landsberg. Nach einer Forsa-Umfrage wollen nur 16 Prozent der Bevölkerung in einer Großstadt leben, die übrigen bevorzugen das Leben in einer Kleinstadt oder in einem Dorf. „Dies muss die Politik sehr viel stärker in den Blick nehmen und den Menschen eine Perspektive eröffnen, auch im ländlichen Raum zu leben und zu arbeiten“.

Ein klares Bekenntnis zu Europa fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund mit Blick auf die kommende Europawahl. Notwendig sei es, die Errungenschaften der europäischen Einigung deutlich zu machen. Dazu müssten auch die Städte und Gemeinden einen Beitrag leisten. „Das Jahr 2019 mit der Europawahl wird zum Schicksalsjahr für die EU und unsere Zukunft. Wir müssen Europa neu aufstellen und den Populisten eine klare Absage erteilen“, erklärten die DStGB-Repräsentanten. Gleichzeitig erwarteten die Kommunen von der EU mehr Reformbereitschaft und eine klare Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes.

Bekenntnis zu Europa

„Gerade die Städte und Gemeinden haben den europäischen Gedanken stets gefördert und können jetzt einen wichtigen Beitrag leisten, dass das Erreichte nicht mutwillig zerstört und damit unser Wohlstand und die Zukunft gefährdet werden“, appellierten Brandl und Landsberg. Die Kommunen, aber auch die Staaten müssten viel deutlicher als bisher herausstellen, welche überragende Rolle die europäische Gemeinschaft für die Sicherung des Friedens unter den europäischen Völkern leistet und geleistet hat.

Auch das „Europa-Bashing“ muss nach Ansicht von Brandl und Landsberg aufhören. Die Nationalstaaten neigten dazu, eigene Defizite der EU anzulasten, um von hausgemachten Fehlern abzulenken. „Dazu gehört auch das Märchen vom ‚Bürokratie-Monster‘ in Brüssel. Die EU mit 508 Millionen Einwohnern hat eine Verwaltung, die kleiner ist als der Apparat von zwei deutschen Großstädten“, stellten Brandl und Landsberg fest. Nur im Rahmen der EU bestehe eine Chance, als gemeinsamer Wirtschafts- und Werteraum im Verhältnis zu den Machtblöcken in Asien und den USA, zu bestehen.

Auch beim Thema Migration

ist eine einzelne nationale Lösung laut DStGB zum Scheitern verurteilt. „Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylrecht und einen wirksamen Schutz der europäischen Außengrenzen. Das muss schneller und beherzter angegangen werden“, so Brandl und Landsberg. Gleichzeitig müsse die EU mehr Reformwillen zeigen. Dazu gehöre auch die konsequentere Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips.

Die Kommunen erwarteten, dass die EU das riesige Potenzial der Städte und Gemeinden in Europa für den europäischen Integrationsprozess besser nutzt. Notwendig sei eine deutliche Stärkung der Partnerschaften, aber auch ein größeres Gewicht der Kommunen, etwa im Ausschuss der Regionen. „Für Europa ist es fünf vor zwölf. Deshalb müssen wir jetzt die Kräfte bündeln und bei den Menschen für das gemeinsame Projekt eintreten“, führten die Verbandsvertreter abschließend aus.

DK

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