Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2016)
Kommunalverbände
► DStGB - Bilanz und Ausblick:
 
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Die weiter anhaltenden Flüchtlingsströme stellen Deutschland, aber auch Europa, vor Herausforderungen mit historischem Ausmaß. Die deutsche Politik wird von dieser Frage wie auch von dem Thema innere Sicherheit in den nächsten Jahren beherrscht werden. Laut Deutschem Städte- und Gemeindebund „ist unsere Staatsstruktur in der Verwaltung, in den Sozialsystemen, im Asylrecht und in der Finanzstruktur auf eine solche Situation nicht ausgerichtet. Notwendig sind grundlegende Reformen, um den Prozess zu gestalten und unseren Wohlstand zu sichern. Wir werden auch viele Standards, an die wir uns gewöhnt haben, reduzieren und ausgetretene Pfade verlassen müssen.“

Bei der Jahrespressekonferenz des DStGB in Berlin sprach sich Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg für eine finanzielle Planungssicherheit der Städte und Gemeinden aus. Er forderte die Bundesregierung auf, die Investitionskraft der Kommunen weiter zu stärken und die zugesagten finanziellen Entlastungen umzusetzen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass das Geld tatsächlich bei den Kommunen ankommt. „Ohne diese Entlastungen wird der Investitionsrückstand der Städte und Gemeinden weiter anwachsen und die Funktionssicherheit vieler Einrichtungen gefährdet“, machte Landsberg deutlich. Die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen müsse nun erfolgreich abgeschlossen werden.

Seit Jahren entwickeln sich die kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen und Investitionen in einem dramatischen Missverhältnis weiter auseinander. Wege, Plätze, Schulen, Straßen, Sozialeinrichtungen sind teilweise in einem sehr schlechten Zustand. Der Investitionsrückstand der Städte und Gemeinden wächst entsprechend weiter an und beläuft sich mittlerweile auf 132 Mrd. Euro.

Sondervermögen

Das im Jahr 2015 vom Bund auf den Weg gebrachte Sondervermögen zur Förderung der Investitionen finanzschwacher Kommunen wird vom DStGB als richtiger Schritt ausdrücklich begrüßt. Die Mittelausstattung von 3,5 Milliarden Euro erachtet der Verband aber als nicht ausreichend. Für den Deutschen Städte und Gemeindebund ist eine Infrastrukturoffensive daher unabdingbar, um die Funktionsfähigkeit unserer Einrichtungen zu erhalten und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dies wird freilich nicht ohne zusätzliche Reformen zur Beschränkung der kommunalen Sozialausgaben und zur Stärkung auch langfristiger Investitionen funktionieren.

Steigende Kosten

Landsberg zufolge fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund auch eine zusätzliche Entlastung bei den Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Empfänger, die die Kommunen zurzeit mit ca. 70 Prozent finanzieren. Eine große Anzahl von Flüchtlingen, die in Deutschland bleiben, müssen zunächst in den Arbeitsmarkt integriert werden. Damit wird die Zahl der Erwerbslosen 2016 um geschätzt bis zu 500.000 Personen ansteigen, was zu entsprechend höheren Kosten der Unterkunft bei den Kommunen führen wird. Schätzungen gehen von 600 Millionen Euro auf dann bis zu 12,5 Mrd. Euro pro Jahr aus.

Auch in anderen sozialen Regelsystemen führe die Flüchtlingssituation zu einem deutlichen finanziellen Zusatzbedarf. So schätzt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass 300.000 zusätzliche Schüler und 100.000 Kinder in der Kita betreut werden müssen. Die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Zusatzkosten könnten nicht von den Kommunen gestemmt werden, sie müssten vom Bund übernommen werden. Diese Übernahme der Kosten durch den Bund sei auch deshalb notwendig, damit die Investitionskraft der Kommunen nicht noch weiter geschwächt wird.

Um den Kommunen finanzielle Planungssicherheit zu geben, gelte es, die Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zeitnah zum Abschluss zu bringen. Der Bund wird vom DStGB aufgefordert, das von den Bundesländern am 3.12.2015 gemeinsam vorgelegte Reformmodell zur Ausrichtung der föderalen Finanzbeziehungen im neuen Jahr 2016 zum Abschluss zu bringen und gesetzgeberisch umzusetzen. Die Länder müssten die Chance nutzen, dabei  eine nachhaltig aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen endlich zu gewährleisten. Zudem stehe es nunmehr auch an, die Gewerbesteuerumlage wieder zu Gunsten der Städte und Gemeinden abzusenken. Das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag werde die öffentliche Hand absehbar für ihre enormen Finanzierungsherausforderungen brauchen. Daher könne auf dieses Aufkommen nicht verzichtet werden, es müsse ein Weg gefunden werden, dieses für Bund, Länder und Kommunen gleichermaßen zu sichern.

„Wir fordern die Bundesregierung zudem dazu auf, die den Kommunen im Koalitionsvertrag zugesagten Entlastungen ab 2018 in Höhe von 5 Milliarden Euro jährlich umzusetzen. Für die dabei zu findende gesetzliche Regelung muss sichergestellt werden, dass ein Transferweg gefunden wird, über den alle Kommunen entlastet werden und das Geld auch tatsächlich bei den Städten und Gemeinden ankommt. Als bedenkenswert ist dafür ein Ansatz zu sehen, die 5 Milliarden Euro über einen erhöhten gemeindlichen Umsatzsteueranteil zu verteilen und insoweit die Umsatzsteuerverteilung zu modifizieren“, fuhr Landsberg fort.

Bei der im Jahr 2016 anstehenden Reform der Eingliederungshilfe sei sicherzustellen, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht, so, wie es im Koalitionsvertrag niedergelegt ist. Weder bestünden finanzielle Handlungsspielräume, noch zwingende sachliche Notwendigkeiten für Leistungsausweitungen. Die Kosten der Eingliederungshilfe seien zudem allein schon in den vergangenen 10 Jahren um über 160 Prozent gestiegen.

Die Unterbringung, Versorgung und Integration der Flüchtlinge stellt für die Kommunen im Jahr 2016 eine immense Herausforderung dar. Wenn der Flüchtlingsstrom in der bisherigen Form anhält, sind die Kommunen überfordert, wie es schon jetzt bei einer Vielzahl zunehmend der Fall ist. „Deutschlands Aufnahmefähigkeit für Flüchtlinge ist begrenzt“, betonte DStGB-Präsident Roland Schäfer. Notwendig seien nationale, europäische und internationale Strategien zur Begrenzung der Flüchtlingsströme, um die Funktions- und Handlungsfähigkeit aller Ebenen des Staates zu gewährleisten.

Integration als zentrale Aufgabe der Zukunft

Die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre werde die Integration der Flüchtlinge sein. Da ein Großteil der Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland bleiben wird, fordert der DStGB Integrationsgesetze des Bundes und der Länder, in denen nach dem Grundsatz „Fördern und Fordern“ die Leistungen aber auch die Anforderungen an die Neubürger festgelegt werden. Dazu gehöre selbstverständlich auch das Bekenntnis zur Werteordnung des Grundgesetzes wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau. 

Die Finanzierung der Flüchtlingsausgaben wird in den nächsten Jahren Milliarden kosten. Der DStGB erwartet Antworten von Bund und Ländern, wie Städten und Gemeinden der erhebliche Finanzierungsbedarf bei der Integration ersetzt wird. Da die Integration der Flüchtlinge keine Aufgabe für nur wenige Jahre ist, fordert der DStGB die Einführung einer neuen Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Migration und Integration. Benötigt würden zusätzliche Lehrer für rund 300.000 Schülerinnen und Schüler, 100.000 Kitaplätze, 20.000 Erzieherinnen und Erzieher, mehr Sozialarbeiter und nicht zuletzt auch zusätzliche Gebäude für Schulen und Kitas sowie eine deutliche Entlastung bei den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II.

Auch stellt nach Schäfers Ausführungen die zunehmende Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eine große Herausforderung für die Kommunen, insbesondere die Jugendämter, dar. Überwiegend handle es sich um Personen zwischen 15 und 17 Jahren, die offenbar teilweise auch von ihren Familien „vorgeschickt“ werden und häufig über Schlepperorganisationen nach Deutschland kommen. Schäfer: „Wir müssen sicherstellen, dass sie besonders geschützt, schnell integriert und gut betreut werden. Dazu fordert der DStGB ein eigenes Leistungsrecht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Regelungen sollten einerseits der besonderen Situation dieser Flüchtlinge Rechnung tragen (z. B. die schnelle Integration sowie die schulische und berufliche Bildung in den Vordergrund stellen) und andererseits gewährleisten, dass die Aufgabe sowohl organisatorisch wie finanziell leistbar ist.“

Darüber hinaus mahnt der Verband eine zügige Verabschiedung des Asylpakets II an. Wie Schäfer darlegte, „brauchen wir die beschleunigten Verfahren vor allem für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten. Dies ist auch ein wichtiges Signal an die betroffenen Länder und die Menschen, die sich von dort auf den Weg machen wollen. Die vorgesehene Residenzpflicht für diese Personen ist wichtig, ebenso die Begrenzung des Familiennachzuges sowie die generelle Beschleunigung von Abschiebungen. Personen mit Bleibeperspektive müssen möglichst schnell integriert werden. Wichtiger als die Kostenbeteiligung an den Integrationskursen wäre jedoch die verpflichtende Teilnahme. Die Kostenbeteiligung wird ohnehin nur in geringem Umfang möglich sein und zusätzliche Bürokratie erfordern.“

Auf der europäischen Ebene ist nach Auffassung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes der konsequente Schutz der EU-Außengrenzen erforderlich. Dieser Schutz müsse ergänzt werden mit einer größeren Zahl von europäischen Erstaufnahmeeinrichtungen entlang der Außengrenze insbesondere in Griechenland und Italien. „Dort müssen ein ordnungsgemäßes Registrierungsverfahren, eine menschenwürdige Unterbringung und die Entscheidung über den Asylantrag nach europäischen Standards sichergestellt werden“, erklärte Schäfer. Die Verteilung der Flüchtlinge mit einem Asylanspruch müsse nach einer festen Quote europaweit erfolgen. Wichtig seien zudem Initiativen auf internationaler Ebene. Dazu zählten verbindliche Vereinbarungen zwischen der EU auf der einen Seite und Ländern wie Türkei oder Jordanien auf der anderen Seite. Es müsse sichergestellt werden, dass Europa diesen Ländern, aber auch den internationalen Hilfsorganisationen wie zum Beispiel UNHCR, hilft und der Flüchtlingsdruck nach Europa aus den Einrichtungen in diesen Ländern reduziert wird.

Mit Blick auf die Energiewende erachtet der DStGB die vom Koalitionsausschuss beschlossenen Maßnahmen wie Erdkabelvorrang beim Bau der großen Nord-Süd-Gleichstromtrassen, die Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) als unverzichtbarer Baustein der kommunalen Energie- und Wärmewende, die Bestimmung der Förderhöhe der erneuerbaren Energien über spezielle Ausschreibungsverfahren im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2016 sowie die Zusammenführung dieser Bereiche mit einer wirtschaftlich darstellbaren Förderung als richtige Ansätze.

Die vorgesehenen Maßnahmen seien geeignet, um die infolge des starken Ausbaus der Erneuerbaren Energien erzeugte Kostendynamik zu bremsen, die Förderbedingungen für den Erhalt und den Ausbau der KWK, insbesondere in der leitungsgebundenen Wärmeversorgung, zu verbessern sowie den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur zu beschleunigen. Die Förderung neuer, intelligenter Technologien sowie moderner, grundlastfähiger Reservekraftwerke sind laut DStGB dabei eine wesentliche Voraussetzung, um Versorgungssicherheit zu garantieren.

DK

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