Kommunalverbändezurück

(GZ-1/2-2018)
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► Deutscher Städtetag:

 

Erwartungshorizont 2018

 

Für eine kommunalfreundliche Bundesregierung sprechen sich die Städte in Deutschland aus. Konkret geht es um wichtige Weichenstellungen von Bund und Ländern für mehr Investitionen in die kommunale Infrastruktur, die Förderung nachhaltiger Mobilität, die Finanzierung der Integration sowie den Ausbau von Ganztagsschulen. Vor diesem Hintergrund appelliert der Deutsche Städtetag an CDU, CSU und SPD, in ihren Gesprächen im neuen Jahr zügig zu klären, wie und mit welchen Inhalten eine neue Bundesregierung gebildet werden kann.

Mit Blick auf die Investitionen wies der neue Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, darauf hin, dass die Kommunen die Investitionsförderprogramme von Bund und Ländern intensiv nutzen. So gehe aus einer Übersicht des Bundesfinanzministeriums hervor, dass Mitte 2017 bereits 3,1 von 3,5 Milliarden Euro aus dem ersten Teil des Bundesprogramms für Investitionen in finanzschwachen Kommunen fest verplant waren. Das seien 87 Prozent der Mittel des Programms, das 2020 endet. „Die Zahlen zeigen: Die Städte brauchen das Geld und nutzen es. Investiert wird bisher vor allem in energetische Sanierung von Schulen, in Barrierefreiheit und Lärmschutz. Abgerechnet wird in großem Umfang erst am Schluss, das ist die Logik solcher Programme“, so Lewe. Deshalb sei die niedrige Summe der bisher abgeflossenen Fördermittel wenig aussagekräftig.

Dauerhafte Stärkung der Investitionskraft gefordert

Problematisch sei allerdings die Unberechenbarkeit von solchen Ad-hoc-Förderprogrammen: „Wenn die Investitionskraft der Städte dauerhaft gestärkt würde, wäre das viel hilfreicher als eine punktuelle Förderung. Dann können die Städte gezielt mehr planen und bauen sowie für diese Aufgaben das nötige Personal einstellen. In diesem Jahr konnten die Kommunen voraussichtlich nur rund 27 Milliarden Euro investieren. 2018 werden es schätzungsweise etwa 29 Milliarden Euro sein. Das ist bei einem kommunalen Investitionsstau von derzeit 126 Milliarden Euro laut KfW viel zu wenig. Kommunale Investitionen kommen den Menschen zugute und bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland voran. Bund und Länder sollten deshalb unbedingt die kommunale Investitionskraft dauerhaft stärken.“ Aus Sicht der Städte ist dafür ein höherer Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer der richtige Weg. In diesem Jahr erhalten die Gemeinden voraussichtlich 2,7 Prozent des Umsatzsteueraufkommens.

Zur Diskussion um die ganztägige Betreuung von Grundschulkindern forderte Lewe einen Ausbau der Ganztagsschulen: „Alle wollen mehr Betreuung für Grundschulkinder, auch die Städte. Denn vielen Eltern ist wichtig, dass ihre Kinder, die am Vormittag in der Grundschule lernen, auch nachmittags betreut und gefördert werden. Die Städte warnen jedoch die Bundespolitik davor, hier auf das falsche Pferd zu setzen. Ein Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung und -förderung darf nicht durch Bundesgesetz geregelt werden, wie dies die Parteien der Sondierungen in ihren Wahlprogrammen vorgesehen haben. Dann würde die kommunale Kinder- und Jugendhilfe für eine Bildungsaufgabe zuständig, die in die Hand der Schulen und damit der Länder gehört. Ein vom Bund in der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) angesiedelter Rechtsanspruch wäre ein Armutszeugnis für den Föderalismus.“

Ganztagsschulen können den Bildungsanspruch mit ihren abgestimmten Angeboten am Vor- und Nachmittag erfüllen und die Kinder optimal voranbringen. Deshalb unterstützten die Städte es, wenn die Schulen mehr Kinder ganztägig betreuen und pädagogisch durchdacht fördern. Im Jahr 2015 wurden 32 Prozent der Grundschulkinder in Ganztagsschulen und weitere 16 Prozent nachmittags in Horten betreut. Eine Prognos-Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums schätzt, dass für 560.000 Kinder zusätzliche Plätze oder umfangreichere Betreuungszeiten erforderlich sind. „In den Bundesländern haben sich bereits Nachmittagsmodelle für Grundschüler etabliert. Diese Angebote sollten die Länder ausbauen und dabei vom Bund finanziell unterstützt werden“, betonte Lewe.

Bund und Länder müssen ab 2018 auch das Problem der kommunalen Altschulden anpacken, forderte der Städtetagspräsident: „Die Städte dürfen mit den hohen Risiken der kommunalen Altschulden nicht allein gelassen werden. Allein die kommunalen Kassenkredite verharren trotz guter Konjunktur auf einem Niveau von fast 50 Milliarden Euro.“ Viele Städte seien aus eigener Kraft nicht in der Lage, sich von den erdrückenden Altschulden zu befreien, weshalb sie in dieser Legislaturperiode Unterstützung von Bund und Ländern benötigten. Das steigende Zinsrisiko gefährde die Stabilität der betroffenen Kommunalhaushalte. Laut Lewe muss es verringert werden und danach ein Abbau der Altschulden beginnen. „Entschuldungshilfen werden sicher mit Konsolidierungsauflagen einhergehen, das ist den Städten bewusst“, bemerkte der Verbandschef.

Zukunftsfähige Mobilität

Die Städte fordern Bund und Länder zudem auf, deutlich mehr als bisher in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Lewe zufolge „müssen wir jetzt die Weichen stellen für zukunftsfähige Mobilität und eine umweltverträgliche Fortbewegung“. In punkto Luftreinhaltung hält es der Deutsche Städtetag für entscheidend, dass 2018 messbare Erfolge beim Kampf gegen zu hohe Stickoxid-Werte in den Städten erzielt werden. Der kommunale Spitzenverband erwartet dafür mehr Engagement von der Autoindustrie und appelliert an Bund und Länder, stärker in den Öffentlichen Personennahverkehr zu investieren. Die Städte setzen bereits Sofortmaßnahmen für eine saubere Luft in den Städten um. Sie fordern, dass sie die Mittel aus dem Mobilitätsfonds von einer Milliarde Euro ohne oder nur mit geringem Eigenanteil nutzen können. Andernfalls werde einer Reihe von Kommunen der Mittelabruf erschwert und dauere es deutlich länger, bis Projekte anlaufen und wirken können.

Automobilindustrie gefordert

Wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, feststellte, „kommt in wenigen Wochen die Stunde der Wahrheit. Dann werden wir sehen, ob dem Bundesverwaltungsgericht ausreicht, was bisher passiert ist, um die Stickoxid-Emissionen zu senken. Im Verkehr in der Stadt verursachen Diesel-Pkw bis zu drei Viertel der Stickoxid-Emissionen. Um durchschlagende Erfolge zu erzielen, ist deshalb in erster Linie die Automobilindustrie als Verursacher in der Pflicht, die Diesel-Fahrzeuge sauberer zu machen. Die von den Herstellern zugesagten Software-Updates müssen schnellstens in den betroffenen Diesel-Autos installiert werden. Die Automobilindustrie muss kurzfristig darlegen, was die Updates in der Praxis tatsächlich und wie schnell bewirken.“

Die Bundesregierung solle deshalb möglichst bald im neuen Jahr den zweiten Dieselgipfel mit der Industrie einberufen. Dann müsse auch erneut diskutiert werden, ob eine Hardware-Nachrüstung der älteren Fahrzeuge nötig wird: „Wir alle wollen Fahrverbote vermeiden. Aber klar ist auch: Nur wenn die Grenzwerte auf der Straße eingehalten werden, ist die Gefahr gebannt, dass Gerichte Fahrverbote verordnen.“

Wie ernst die Lage sei, zeige auch die drohende Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen anhaltender Überschreitung von Grenzwerten der Luft in mehreren Städten und Regionen. Die Klage könne zu hohen Strafzahlungen der Bundesrepublik führen, erklärte Dedy.

Der Deutsche Städtetag fordert eine Blaue Plakette, damit die Städte bei möglichen Fahrverboten praktikabel handeln können. „Wenn es eine Blaue Plakette gibt, zeigen wir doch, dass man im Falle von gerichtlich verhängten Fahrverboten unterscheiden muss – zwischen älteren Diesel-Autos, die als Hauptverursacher von Stickoxiden gelten und neuen Diesel-Fahrzeugen, die weiterhin fahren können. Wir brauchen dann eine Lösung, die funktioniert, die Gesundheit der Menschen schützt und den Verkehr in den Städten nicht lahmlegt“, unterstrich Dedy. Dazu werde es auch kluge Ausnahmeregelungen geben müssen.

Sofortmaßnahmen für eine stärkere Luftreinhaltung

Der Hauptgeschäftsführer machte deutlich, die Städte seien nicht die Verursacher des Stickoxid-Problems. Sie werden es mit ihren Maßnahmen mindern, aber nicht lösen können. Gleichwohl setzten Städte ihre Sofortmaßnahmen für eine stärkere Luftreinhaltung auf eigenes Finanzierungsrisiko bereits um, bevor ihnen das Geld aus dem Mobilitätsfonds zugesagt wird. Dass ab Ende November sofort mit bestimmten Maßnahmen begonnen werden durfte, hatten die Städte in den Verhandlungen mit dem Bund durchgesetzt. So rüsteten sie nun zum Beispiel schneller als geplant Busflotten auf umweltfreundliche Antriebe um oder bauten die E-Mobilität aus.

„Der Mobilitätsfonds hilft und wird derzeit Schritt für Schritt umgesetzt. Aber elf Förderrichtlinien und zu hohe Eigenanteile der Städte erschweren den Abruf der Mittel“, hob Dedy hervor. Der Städtetag setze sich seit Wochen dafür ein, dass die Städte die Mittel aus dem Mobilitätsfonds ohne oder nur mit geringem Eigenanteil nutzen können. Für finanzschwache Kommunen werde nun der Eigenanteil in mehreren Programmen verringert. Insbesondere die Maßnahmen zur Digitalisierung des Verkehrs, für intelligente Verkehrsplanung und -steuerung sowie Vernetzung – hierfür stehen 400 Millionen Euro zur Verfügung – sollen dagegen aus dem Fonds grundsätzlich nur mit 50 Prozent gefördert werden.

Nach Dedys Ansicht ist das zu wenig, damit die Maßnahmen schnell anlaufen und wirken können. Die überhöhten Stickoxid-Werte seien eindeutig nicht durch städtisches Tun, Dulden oder Unterlassen hervorgerufen. Wenn die Städte in der Regel die Hälfte der Kosten als Eigenanteil aufbringen müssen, verzögere sich vieles. Eigenmittel im zweistelligen Millionenbereich seien zudem bisher in keiner der betroffenen Städte eingeplant. Eine Kofinanzierung durch die Länder sei unsicher. Deshalb sollte der Bund seinen Richtlinien-Entwurf korrigieren.

Mit Blick auf das Volumen des Fonds meinte Dedy: „Der bisher mit einer Milliarde dotierte Fonds ist nur ein Baustein zur Problemlösung. Er wird dringend gebraucht, darf aber keine Eintagsfliege bleiben. Der Mobilitätsfonds muss auch in den Folgejahren fortgeführt werden. Das sollten CDU, CSU und SPD bei ihren Gesprächen in Berlin fest verabreden.“

Ein großer Teil der Vorschläge der Städte für nachhaltige Mobilität wird aus Sicht des Kommunalverbandes durch die Förderrichtlinien nicht berücksichtigt. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, der Ausbau des Radverkehrs, zusätzliche Fahrzeuge für einen dichteren ÖPNV-Takt und mehr Angebote im ÖPNV, die Menschen an der Haustür aufzunehmen, würden nicht durch den Mobilitätsfonds gefördert. Dabei sei der Bedarf riesengroß.

„Wir fordern, dass der Bund in der Finanzierungsverantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr bleibt. Nach jetzigem Stand verabschiedet sich der Bund im Jahr 2020 aus der Finanzierungspflicht und will das Projekt nachhaltige Mobilität in Deutschland den Ländern überlassen. Doch diese Aufgabe ist viel zu groß, um es allein zur Ländersache zu machen“, machte Dedy deutlich. Eine neue Bundesregierung müsse sich auch in diesem Punkt bewegen.

DK

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