Kommunale Praxiszurück

(GZ-22-2022)
gz kommunale praxis
GZ-Plus-Mitgliedschaft

► Deutsch-Ukrainische Partnerschaftskonferenz in Augsburg:

 

„In Krisenzeiten zusammenrücken“

Unter dem Motto „In Krisenzeiten zusammenrücken“ fand in Augsburg die 5. Deutsch-Ukrainische kommunale Partnerschaftskonferenz statt. In deren Rahmen tagte auch der zweite Runde Tisch deutscher und ukrainischer (Ober-)Bürgermeister. Durchgeführt wurde der zweitägige Kongress mit rund 300 Teilnehmern von Engagement Global mit ihrer Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) in Kooperation mit dem Bezirk Schwaben, dem Deutschen Städtetag und dem Verband ukrainischer Städte.

Im Rahmen von Fachbeiträgen und Podiumsdiskussionen wurde die deutsch-ukrainische kommunale Partnerschaftsarbeit unter den Aspekten ihrer Bedeutung für den Wiederaufbau der Ukraine und der EU-Integration beleuchtet. Überdies nahm man auch die zunehmend relevanten kommunalen Netzwerke auf europäischer Ebene in den Blick. Fachworkshops boten die Gelegenheit, bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen voneinander zu lernen. Bei einem „Markt der Möglichkeiten“ hatten die Teilnehmer an insgesamt elf Informationsständen die Möglichkeit, sich über die unterschiedlichen personellen und finanziellen Fördermöglichkeiten individuell beraten zu lassen.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die die Konferenz mit einer Video-Botschaft eröffnete, würdigte die Rolle der Kommunen. Bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn hätten diese eine schnelle und unkomplizierte Hilfe geleistet. Durch gezielte Unterstützung hätten sie gezeigt, dass Kommunen für den Wiederaufbau der Ukraine zentral seien, insbesondere in den Bereichen der Energie-, Wasser- und Gesundheitsversorgung. Erfreulich sei die wachsende Anzahl der kommunalen Partnerschaften von etwa 70 vor Kriegsbeginn auf 105 im September 2022. Die Kommunen brachten bis dahin über 11 Millionen Euro an Eigenmitteln auf, mobilisierten weitere 12 Millionen an privaten Spenden sowie Sachgütern und organisierten weit über 100 Hilfstransporte.

„Viele Städte müssen mit Bombardierungen leben. Kritische Infrastruktur, die Strom- und Wasserversorgung, wird täglich beschossen mit dem Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern“, erläuterte Ivan Lukerya, stellvertretender Minister für Entwicklung der Gemeinden und Territorien der Ukraine, die Lage in seinem Land. In dieser Situation müssten Kommunen zusätzliche Aufgaben übernehmen, wie zum Beispiel die Versorgung von Binnengeflüchteten. Dennoch steht Lukerya zufolge „die Ukraine geschlossen zusammen wie nie zuvor“. Je schneller der Wiederaufbau voran gehe, desto eher wäre das Land auch bereit für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

Engagierter Bezirk Schwaben

Mercedes Leiß vom Bezirk Schwaben und Leiterin der Stabsstelle für Vergabewesen und Europäische Angelegenheiten verwies auf das regionale Engagement. Nach ihren Angaben unterhält der Bezirk Schwaben mit drei Regionen Partnerschaften: dem französischen Department de la Mayenne, dem rumänischen Judet Suceava und dem Gebiet Tscherniwtzi in der Ukraine. Mit der gemeinsamen Erklärung „Vier Regionen für Europa“ sei im Jahr 2000 eine Brücke vom äußersten Westen (Frankreich) bis zum äußersten Osten (Rumänien) Europas geschlagen worden. Hauptschwerpunkt der Zusammenarbeit waren gemeinsame Projekte der Jugendarbeit. Seit Kriegsbeginn unterstützten Mayenne, Judet Suceva und der Bezirk Schwaben das Gebiet Tscherniwitzi unter anderem durch regelmäßige Hilfsgütertransporte.

Wiederaufbau als entwicklungspolitische Aufgabe war auch das Thema einer Podiumsdiskussion mit Gabi Schock, Vorsitzende des Ausschusses für Kommunale Entwicklungszusammenarbeit im Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) und Anja Wagner, Referatsleiterin, Referat 513 Länder und Kommunen des BMZ. Der RGRE, so Schock, sehe sich in erster Linie als Transmitter, um den Informationsfluss und die Vernetzung zwischen europäischen Städten zu fördern, Doppelarbeiten zu vermeiden und Gute Praktiken zu dokumentieren und zu verbreiten. Wagner betonte, dass das BMZ derzeit gemeinsam mit anderen Gebern wie der Europäischen Union Hilfen koordiniere und voranbringe, um die Lage zu stabilisieren. Dabei seien die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 ein wichtiger Referenzrahmen für die Ausgestaltung der langfristigen Unterstützung.

Kommunale Beiträge zum Wiederaufbau standen auf der Agenda einer weiteren Podiumsdiskussion, in der Oleksandr Markushyn, Bürgermeister von Irpin, zunächst die Lage seiner Stadt beschrieb. Irpin war die meistumkämpfte Stadt im Oblast (Verwaltungsgebiet) Kiew und wurde zu 70 Prozent zerstört. Im Frühjahr gelang die Befreiung und damit der Wiederaufbau. Die Stadt verfüge jedoch über keine eigenen finanziellen Mittel. Der Wiederaufbau gelinge nur mit externer Unterstützung, derzeit unter anderem mit großer Hilfe des Roten Kreuzes.

Regionaler Wiederaufbau

Maryna Denysiuk (leitende Projektmanagerin und Teamleiterin, Koordination der Erstellung des Wiederaufbauplans der Ukraine, Büro der Reformen des Ministerkabinetts der Ukraine) wies darauf hin, dass der Wiederaufbau in vier Regionen in unterschiedlichen Tempi verlaufe. Während Region 1, die kriegsnahen Gebiete, derzeit noch primär auf humanitäre Hilfe angewiesen seien, konzentriere man sich in Region 2, den befreiten Gebieten, auf den Wiederaufbau der wichtigsten Infrastruktur. In der Unterstützungsregion 3, primär im Zentrum des Landes, würden inzwischen erste langfristige Entwicklungspläne entwickelt und in Region 4 im Westen des Landes stehe neben der wirtschaftlichen Entwicklung vor allem die Versorgung der Binnenvertriebenen im Vordergrund. Hier sei auch internationales privatwirtschaftliches Engagement von zentraler Bedeutung.

Wie die Zusammenarbeit mit acht polnischen und sieben ukrainischen Landkreisen mit begrenzten Mitteln, aber viel Engagement funktioniert, beschrieb Dr. Theophil Gallo, Landrat des Saarpfalz-Kreises. Michael Cyfka, Bürgermeister der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg, legte dar, wie die Gemeinde nach Unterstützungsleistungen im Bereich der Trinkwasseraufbereitung und des Brand- und Katastrophenschutzes die Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Myrhorod im September 2022 durch eine Partnerschaft formalisiert hat.

Unbürokratisches Agieren

Laut Dr. Stefan Wilhelmy, Leiter der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global, hat das bestehende Netzwerk der deutsch-ukrainischen Kommunalpartnerschaften ab 2015 bereits den Dezentralisierungsprozess in der Ukraine unterstützt. Die innerhalb des Netzwerks bestehenden Verbindungen hätten es ermöglicht, nach Kriegsbeginn in Städtepartnerschaften schnell und unbürokratisch gemeinsam zu agieren. Deutsche Kommunen könnten ihre ukrainischen Partner auch weiterhin bei der Transformation ihrer Verwaltungssysteme unterstützen.

Mit der Rolle kommunaler Netzwerke auf EU-Ebene befasste sich Panel Nummer 3. Liudmyla Damentsova, stellvertretende Geschäftsführerin des Verbands ukrainischer Städte, hob die Vielfalt an Aufgaben hervor, den der Wiederaufbau mit sich bringt, verwies aber auch auf die Potenziale eines gemeinsamen Vorgehens. Wichtig seien vor allem der Ausbau mehrerer Grenzübergänge, der Bau von Schutzräumen und die Versorgung von Binnenvertriebenen.

Auf die Vorteile multinationaler Partnerschaften machte Dr. Katharina Haberkorn vom Europabüro des Bezirks Schwaben aufmerksam. So verfüge beispielsweise Rumänien über einen grenznahen Flughafen mit ausreichend Lagerkapazitäten, der schnelle Hilfe für die ukrainischen Partner ermögliche. Lina Furch, Abteilungsleiterin Europa und Internationales des Deutschen Städtetags und stellvertretende Generalsekretärin des RGRE/Deutsche Sektion, stellte heraus, dass für die Mammutaufgabe des Wiederaufbaus mit seinen enormen Kosten erst noch Mechanismen gefunden werden müssten, um die Expertise der Kommunen ausreichend miteinzubeziehen. Es sei wichtig, dass die Kommunen mit einer Stimme sprächen: „Ohne die Kommunen geht es nicht!“

Olena Ovcharenko, Projektleiterin „Kommunale Partnerschaften mit der Ukraine“ der SKEW, stellte neben der Entwicklung und den Erfolgen des Netzwerks in den vergangenen fünf Jahren auch die Unterstützungsangebote, die die Servicestelle speziell hierfür entwickelt hat, ins Zentrum ihrer Ausführungen. Diese reichen von der Partnerschaftsvermittlung, Beratung und Prozessbegleitung bis hin zu personeller und finanzieller Förderung konkreter Projekte.

DK

 

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

 

GemeindeZeitung

Kommunale Praxis

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung