Gastbeiträgezurück

(GZ-11-2023)
Gastbeiträge

► Bürgerbeteiligung:

 

Wind- und PV-Anlagen

 

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Bernd Wust, LL.M. (Columbia), Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, München

Die Energiewende ist sichtbar. Neben neuen Stromtrassen führen insbesondere Windenergie und Photovoltaikanlagen zu Veränderungen in der nahen Umgebung der Menschen. Umfragen bestätigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine Notwendigkeit sieht, diese Veränderungen anzunehmen, um den wirtschaftlichen Wohlstand und gesunde Lebensbedingungen für diese und die kommenden Generationen zu erhalten. Veränderungen, gerade in der nächsten Umgebung, können aber auch zu Abwehrhaltungen führen. Neben Informations- und Dialogprozessen hat sich die unmittelbare Beteiligung der Anwohner an Windenergie- und PV Anlagen als bestes Mittel erwiesen, um hohe Zustimmungswerte der Anwohner zum Bau den Anlagen zu erhalten. Denn wer beteiligt ist, steht den Projekten positiver gegenüber und wirkt als Multiplikator gegenüber denjenigen, die sich nicht beteiligen. Eine hohe und qualitativ gute Bürgerbeteiligung erhöht damit nicht nur die Wertschöpfung vor Ort, sondern sichert die Energiewende insgesamt, da sie Verständnis für die notwendigen Veränderungen schafft.

Dr. Bernd Wust, LL. M. Bild: Kapellmann
Dr. Bernd Wust, LL. M. Bild: Kapellmann

Unter den verschiedenen Beteiligungsmodellen haben sich einige als besonders praxistauglich herausgestellt:

Kommanditbeteiligungen

Eine klassische Form des „Bürgerwindparks“ oder „Bürgersolarparks“ wird in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft (KG) strukturiert. Interessenten und v.a. Anwohner beteiligen sich als Kommanditisten unmittelbar und langfristig an der Betreibergesellschaft der Anlagen und werden damit mittelbar zu Miteigentümern. Die Haftung ist auf die Einlage begrenzt. Die Mindestbeteiligung beträgt in der Regel 5.000 bis 10.000 Euro. Anfangsverluste können in der Regel steuerlich abgesetzt werden. Im Gesellschaftsvertrag sollte ein Gleichgewicht zwischen effektiver täglicher Geschäftsführung und Mitspracherechte der Gesellschafter bei grundlegenden Entscheidungen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.

Das öffentliche Angebot von Kommanditbeteiligungen löst in der Regel eine sog. Prospektpflicht aus. Das heißt, dass ein Verkaufsprospekt erstellt und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Prüfung und Billigung übermittelt werden muss. Die Praxis zeigt, dass dies einen gewissen (Kosten-)Aufwand darstellt, aber bei entsprechender Erfahrung der Bearbeiter kein unüberwindbares Hindernis ist.

Nachrangdarlehen

Um einfachere und niedrigschwellige Beteiligungsformen zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber schon vor einigen Jahren sog. Schwarmfinanzierungen (Crowd Finance) erleichtert. Die Beteiligung erfolgt hier durch sog. Nachrangdarlehen. Das heißt, die Anwohner können sich als Darlehensgeber an der Finanzierung beteiligen. Der sogenannte Nachrang, der im Darlehensvertrag geregelt wird, bezieht sich zum einen auf den Insolvenzfall: Hier treten die Darlehensgeber hinter den sonstigen Gläubigern (insbesondere den finanzierenden Banken) zurück. Zum anderen können die Darlehensgeber Tilgungen und Zinsen nicht fällig stellen, wenn die Liquidität der Betreibergesellschaft nicht ausreicht. Aufgrund des Nachrangs tragen die Darlehensgeber vergleichbare Risiken wie die Kommanditisten im Rahmen der Kommanditbeteiligung, haben aber weniger Mitspracherechte.

Nachrangdarlehen können ohne Verkaufsprospekt ausgegeben werden, wenn bestimmte Höchstsummen nicht überschritten werden. Dies sind grundsätzlich 1.000 Euro bzw. 10.000 Euro wenn der Anleger nach eigener Angabe über ein frei verfügbares Vermögen von mindestens 100.000 Euro verfügt bzw. das Zweifache des monatliche Nettoeinkommens des Anlegers, hier jedoch maximal 25.000 Euro. Statt eines Prospekts genügt ein dreiseitiges Vermögensanlagen-Informationsblatt, das ebenfalls von der BaFin geprüft wird. Schwarmfinanzierungen dürfen zudem ausschließlich über Internetplattformen vertrieben werden.

Genossenschaften

Eine gewisse Mischform wird in der Regel von Genossenschaften angeboten. Hier beteiligen sich die Anleger zum einen als Mitglied an der Genossenschaft, gewähren der Genossenschaft aber zusätzlich meist projektspezifische Darlehen. Aufgrund des Gründungs- und Verwaltungsaufwands eignet sich die Genossenschaft als Rechtsform weniger gut als Vehikel für Einzelprojekte; sinnvoll ist vielmehr eine langfristige Investitions- und Betriebsstrategie für wiederholte Investments. Ein maßgeblicher Unterschied zu den beiden vorgenannten Beteiligungsformen ist deswegen oftmals, dass der Anleger durch die Beteiligung an der Genossenschaft nicht nur an „seinem“ konkreten Einzelprojekt beteiligt wird, sondern an sämtlichen Geschäftsaktivitäten der Genossenschaft.

Dr. Bernd Wust, LL.M. (Columbia), Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, München

 

Dieser Artikel hat Ihnen weitergeholfen?
Bedenken Sie nur, welche Informationsfülle ein Abo der Bayerischen GemeindeZeitung Ihnen liefern würde!
Hier geht’s zum Abo!

GemeindeZeitung

Gastbeiträge

GZ Archiv

Kolumnen & Kommentare aus Bayern

AppStore

TwitterfacebookinstagramYouTube

Google Play

© Bayerische GemeindeZeitung